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Rolle der Immuntherapie bei Lungenkrebs

Profilbild von Dr. med. Danny  Jazmati Geschrieben von Dr. med. Danny Jazmati

Die Immuntherapie stellt eine wichtige Therapie-Modalität in der (multimodalen) Krebstherapie beim Lungenkarzinom dar. Die Immuntherapie ermöglicht es, dem körpereigenen Immunsystem gegen die Krebserkrankung zu kämpfen.

Während unser körpereigenes Immunsystem sehr effektiv gegen verschiedenste Fremdkörper vorgeht, wird eine Krebserkrankung bzw. die zugrunde liegenden Zellen durch das körpereigene Immunsystem nicht als Fremdkörper identifiziert.

Das körpereigene Immunsystem orientiert sich in viele verschiedene Bestandteile. Ein Bestandteil sind die sogenannten T-Zellen. Das sind Zellen, die sich auf die Vernichtung von Fremdzellen spezialisiert haben.

Damit das körpereigene Immunsystem, insbesondere die T-Zellen, einen Fremdkörper eliminieren kann, muss die T-Zelle die Möglichkeit haben, körpereigene von körperfremden Zellen zu unterscheiden.

Dafür untersucht die T-Zelle die Oberfläche einer potenziell fremden Zelle und detektiert, ob darauf Hinweismarker sind, die anzeigen, dass die Zelle eine normale Körperzelle ist oder eine Fremde Zelle.

 

Tumorzellen und das Immunsystem

Tumorzellen haben eine Art gefälschten Ausweis, mit dem sie der T-Zelle zeigen, dass sie körpereigene Zellen sind. Dieser gefälschte Ausweis ist das sogenannte PD-L1.

Durch eine Bindung des PD-L1 der Krebszelle mit dem PD-1 der T-Zelle zeigt die Tumorzelle dem Immunsystem fälschlicherweise an, dass es sich um eine normale Zelle handelt. Das Prinzip der Immuntherapie besteht darin, dass sie diese Verbindung blockiert. Es gibt Medikamente, die das PD-L1 auf der Krebszelle blockieren können und andererseits gibt es Medikamente, die das PD-L1 auf der T-Zelle blockieren können.

In beiden Fällen kann es nicht mehr zu einer Verbindung von PD-1 und PD-L1 kommen, womit die T-Zelle nicht mehr durch den falschen Ausweis der Tumorzelle betrogen werden kann und damit kommt es zu einem Angriff auf die Tumorzelle.

Bei der Immuntherapie werden entweder der PD-1 oder der PD-L1-Rezeptor blockiert. Dadurch kann die Krebszelle der Immunzelle nicht mehr signalisieren, dass sie körpereigen ist, und wird somit von der Immunzelle angegriffen.

 

Einsatz der Immuntherapie

Die Immuntherapie wurde zunächst vor allem bei den Patienten mit Lungenkrebs angewendet, bei denen der Tumor bereits gestreut hatte. Mit einer zunehmenden Tumorgröße wächst eine Krebserkrankung in das körpereigene Blutsystem und Krebszellen werden von dem Blutsystem in andere Organe transportiert.

Innerhalb dieser Organe bilden sich aus diesen Zellen neue Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen. Man spricht dann von dem Stadium 4 beim Lungenkrebs. In diesem Stadium wurde die Immuntherapie zunächst bei Lungenkrebs angewendet.

Historisch gesehen wurde im Stadium 4 eine alleinige Chemotherapie durchgeführt. Durch eine Chemotherapie ist es nahezu unmöglich, dass eine Krebserkrankung in diesem Stadium langfristig kontrolliert werden kann. In Kombination mit einer Immuntherapie werden nun erstmalig Langzeitüberlebende beobachtet.

Es gibt dafür gute Daten, insbesondere aus der amerikanischen Keynote-Trial. Hier wurde eine Kombination aus Chemotherapie und Immuntherapie bei Patienten mit metastasierten Lungenkrebs mit einer reinen Chemotherapie verglichen. Die Überlebenswahrscheinlichkeit bzw. die Länge des Überlebens war signifikant besser bei den Patienten, bei denen auch eine Immuntherapie verwendet wurde.

Durch die Erfolge der Immuntherapie in der metastasierten Situation gab es natürlich eine hohe Motivation, die Therapie auch Patienten in niedrigeren Tumorstadien anzubieten. So hat sich eine Zulassung für immer niedrigere Tumorstadien durchgesetzt.

Im Stadium 3 wird die Immuntherapie nach Radiochemotherapie nach den Ergebnissen der berühmten PACIFIC-Studie durchgeführt. Das bedeutet, dass nach Abschluss der standardmäßigen Strahlentherapie und Chemotherapie noch eine längere Zeit eine Immuntherapie gegeben wird. Dies kann signifikant das Überleben der Betroffenen verlängern.

Im Rahmen der sogenannten IMPOWER-Studie wurde Atezolizumab, ein weiteres Immuntherapeutikum, bei Patienten in niedrigem Stadium führt -auch hier zu einer Verbesserung des Überlebens führen. Insgesamt stellt die Immuntherapie eine der größten und vielversprechendsten Modalitäten in der modernen Krebstherapie dar.

Es ist im Moment Bestandteil der Forschung, die Patienten zu identifizieren, die am ehesten von der Therapie profitieren würden. Es gibt heute bereits Anzeichen im Blut und Anzeichen an der Gewebeprobe, die für einen Ansprechenden sprechen würden. Dies muss jedoch auf weitere Marker ausgeweitet werden.

 

Wer ist für eine Immuntherapie geeignet?

Nun gab es viele Diskussionen, ob es Patienten gibt, bei denen eine Immuntherapie alleine ausreichend sein könnte bzw. zu vergleichbaren Ergebnissen führen könnte und andererseits auch Patienten geben könnte, bei denen eine Immuntherapie nicht sinnvoll ist.

Da die Wirksamkeit der Immuntherapie vor allem durch die Blockade zwischen PD-1 und PD-L1 entsteht, ist es natürlich von großer Bedeutung, wie hoch die Dichte an PD-L1-Rezeptoren auf der Tumorzelle ist.

Mit Hilfe der modernen Pathologie können Gewebsproben des individuellen Patienten so präzise untersucht werden, dass man diese Dichte abschätzen kann.

Dementsprechend ist die Immuntherapie wirksamer bei Patienten mit einer hohen Dichte und weniger wirksam bei Patienten mit einer sehr niedrigen Dichte.

Lange Zeit ist man daher davon ausgegangen, dass Patienten mit einer Dichte über 90% eine alleinige Immuntherapie vertretbar wäre und bei Patienten mit weniger als 1% eine Immuntherapie wirkungslos sei.

Es gibt jedoch Hinweise dafür, dass eine Chemotherapie die Zellen verändern kann und damit für eine Immuntherapie empfindlicher machen kann. Auch wenn dieses in einer wichtigen Grundlagenstudie nicht bestätigt werden konnte, gibt es hierfür gute Hinweise.

Daher hat sich die kombinierte Chemo-Immuntherapie beim Lungenkrebs etabliert.

Kommt es trotz Therapie zu einem Rezidiv, ist eine Immuntherapie mit einer gemeinsamen Strahlentherapie eine gute Therapiealternative. Hierfür gibt es eine sehr interessante Auswertung, die sogenannte Theeen-Studie.

Dabei wurden Patienten mit einem Rezidiv mit Immuntherapie mit oder ohne Bestrahlung behandelt. Bei den Patienten, die auch eine Bestrahlung hatten, schien es so, als wäre die Immuntherapie noch effektiver. Verantwortlich dafür zu sein, könnte der sogenannte abskopale Effekt. Das bedeutet, dass eine Immuntherapie unter Verwendung der Strahlentherapie noch effektiver ist.

Durch eine Strahlentherapie werden Tumoranteile getötet. Das hat zur Konsequenz, dass abgestorbene Tumoranteile ins Blutsystem gelangen. Damit ist die Chance, dass die Immuntherapie mit einzelnen Bestandteilen des Tumors reagiert, deutlich höher. Die Bestrahlung könnte damit in Kombination mit der Immuntherapie eine Wirkung haben, die einer Impfung ähnlich ist.

Die Studie hat allerdings auch große Schwächen. Die Signifikanz, die durch die Autoren berichtet wurde, ist nicht im Rahmen der rein prospektiv randomisierten Studie entstanden. Sondern erst dadurch, dass monozentrische Daten des MD-Anderson (großes amerikanisches Krebszentrum) in der Studie hinzugefügten.

 

Nebenwirkungen der Immuntherapie

Eine Immuntherapie führt nun dazu, dass das Immunsystem hoch reguliert wird. Ein hyperaktives Immunsystem kann auch zu Schädigungen von gesunden Körperzellen führen. Eine der bestbeschriebensten Nebenwirkungen ist eine Veränderung der Haut. Es kann dazu vorkommen, dass die Haut der Patienten nach Einnahme der Immuntherapie feuerrot anläuft.

Weitere Nebenwirkungen inkludieren fast den gesamten Körper. So sind verschiedenste Entzündungen möglich. Von Gehirn über Organe im Bauch über Lunge und über Knochen. Aber auch spezifische Symptome, insbesondere an endokrinen Organen, wie der Hypophyse, der Schilddrüse und der Bauchspeicheldrüse.

Es kann zu Beschwerden bei Atmung kommen und es kann zu Blutveränderungen oder Nierenproblemen kommen.

Interessanterweise ist eine schwerwiegende Nebenwirkung durch Immuntherapie ein Ausdruck dafür, dass das Immunsystem angeschaltet wurde. Es konnte daher beobachtet werden, dass bei Patienten mit schwerer Hautkomplikation durch Immuntherapie die Immuntherapie wirksamer zu sein scheint.

 

Anwendung der Immuntherapie

Die Immuntherapie wird in einer Infusion über eine Vene dem Körper zugeführt. In der Regel wird zusätzlich noch Flüssigkeit in die Vene gegeben. Insgesamt dauert die Behandlung etwa ein bis zwei Stunden.

Die Behandlung kann in der Regel ambulant durchgeführt werden. Das bedeutet, dass nach der Behandlung der Patient wieder nach Hause gehen kann.

 

Zusammenfassung

Die Immuntherapie ist eine der vielversprechendsten modernen Behandlungsmethoden im Kampf gegen Lungenkrebs.

Durch diese moderne Therapie konnte das Überleben der betroffenen Patientinnen und Patienten in einigen Risikostufen dramatisch verbessert werden.

Ursprünglich wurde die Immuntherapie bei Patienten mit metastasiertem Lungenkrebs angewendet, wobei durch die Kombination von Immun- und Chemotherapie signifikante Überlebensvorteile erzielt wurden.

Letzte Änderung: 9. September 2023

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