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Die toxische Epidemie: Makroplastik-Verschmutzung

Profilbild von Dr. med. Danny  Jazmati Geschrieben von Dr. med. Danny Jazmati
Prof. Dr. Jörg Wolff
Prof. Dr. Jörg Wolff

Interview mit Prof. Dr. Jörg Wolff

Über Prof. Dr. Jörg Wolff:

Prof. Dr. Wolff ist ein weltweit renommierter Experte auf dem Gebiet der physikalischen Ozeanographie. Seine Expertise erstreckt sich auf geophysikalische Strömungsmechanik, Atmosphäre-Ozean-Wechselwirkung und Ozeanzirkulationstheorie und hat bedeutende Beiträge zur numerischen Modellierung und Klimaphysik geleistet. Prof. Wolff ist Professor für Physikalische Ozeanographie (Theorie) an der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg und außerordentlicher Professor an der Shanghai Ocean University in China. Seine Forschung in der Küstenozeanographie und seine praktischen Anwendungen ihn zu einer unschätzbaren Quelle für Umweltfragen.

Welche Auswirkung hat die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll und was bezeichnet man als Makroplastik?

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Zunächst einmal zur Größenklassifizierung. Die Aufteilung in Makro, Meso-, Mikro- und Nanoplastik ist eine willkürliche Klassifizierung. Wissenschaftler:innen brauchen diese Art der Einteilung wenn sie messen, wiegen und zählen wollen und dann zur Einordnung der Beobachtungen mit vergleichbaren Studien. Die Grenze zwischen Makro-(Meso-) und Mikroplastik liegt bei ca. 0.1 bis 0.5 cm. Einfacher ist es vielleicht zu sagen, das alles, was Sie mit bloßem Auge sehen können ist Makroplastik, wenn Sie ein Mikroskop brauchen, dann ist es Mikroplastik. Nanoplastik ist so klein, das es auch Zellwände durchdringen kann. Größere Plastikteile (Joghurtbecher, Einkaufstüten, und jedweder andere Zivilisationsmüll, der zu Teilen aus Kunststoffen besteht) gelangen über viele verschiedene Wege in den Ozean. Aus dem Hinterland der Küsten wird treibender Müll z.B. durch die Flüsse ins Meer transportiert. Fasern von Synthetiktextilien aus Waschmaschinen sowie Partikel aus Kosmetika, die durch Klärwerke nicht herausgefiltert werden können, Folien aus der Landwirtschaft oder in der Sandstrahltechnik des Hoch- und Schiffbaus eingesetzte Mikroplastikteilchen, sowie wilde Mülldeponien sorgen für einen stetigen Strom von Plastik. Winde wehen Plastikpartikel, die durch Reifenabrieb auf unseren Straßen entstehen, ebenfalls in die Flüsse oder direkt ins Meer. Die Strömungen verteilen dann das Plastik über die Ozeane. Auf seinen langen Wegen wird es durch Sonnenstrahlung, Extremtemperaturen (kalt und warm) und Wellenschlag spröde und zerkleinert. Plastik zerfällt also in immer kleinere Teilchen, die auf der mikroskopischen Skala kaum noch von Quarzen (Sand) oder anderen natürlich vorkommenden Materialien unterscheidbar, und somit auch durch Wissenschaftler unter dem Mikroskop kaum zählbar sind. Die kleineren Mikroplastikpartikel sind genauso groß wie das natürliche Futter von in der Wassersäule treibenden Tierchen, dem sogenannten Zooplankton, und werden deshalb auch von diesen Lebewesen mit Nahrung verwechselt und aufgenommen. Vom Zooplankton ernähren sich dann wiederum größere Lebewesen und so wandert das Plastik stetig die Nahrungskette hinauf, bis es als Heilbutt, Hering oder Fischstäbchen dann auf unserem Teller landet. Wenn diese kleinen Plastikstückchen noch weiter zerfallen, spricht man irgendwann von Nanoplastik. In jeder genannten Größenordnung ist Plastik ein großes Problem für die Umwelt. Wenn es nicht für Nahrung gehalten wird, wie von Meeresschildkröten, die transparente Plastiktüten mit Quallen verwechseln, oder von Eissturmvögeln, die sich nur auf See mit Nahrung versorgen und dann alles „bunte“ auffressen und daran verhungern, sorgt Makroplastik durch seine „Langlebigkeit“ und Robustheit für vielfältige, lebensbedrohende Situationen für die Meeresbewohner und –nutzer unter den Tieren. Sixpack-Dosenhalter und verlorengegangene Fischernetze („Geisternetze“) oder sogenannte Dolly Ropes, die von Vögeln für den Nestbau verwendet werden, sind bekannte Beispiele. Mikro- und Nanoplastik haben aufgrund ihrer Größe und chemischen Eigenschaften die Eigenart, Schadstoffe, die ansonsten im Meer leider sowieso vorhanden sind, aber unterhalb der für Menschen bedenklichen Konzentrationen vorliegen, anzuziehen und somit anzureichern. Wenn diese mit Schadstoffen angereicherten Plastikteile in die Nahrungskette gelangen, sind diese hohen Konzentrationen möglicherweise nicht mehr unbedenklich. Von Nanoplastik wird vermutet, dass es sogar Zellwände durchdringen kann, mit bislang unbekannten Auswirkungen auf den Organismus.

können Computersimulationen helfen, die Ausbreitungswege und Verschmutzungsgebiete von treibendem Makroplastik zu untersuchen und welches Potenzial hat ein besseres Verständnis von dessen?

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Computersimulationen von treibendem Plastikmüll sind nützlich, um Ansammlungsgebiete von diesem Müll zu erkennen und dann diese mit den Ursprungsgebieten zu verknüpfen. So hat man unter anderem die großen Müllstrudel in den Ozeanbecken entdeckt bzw. näher beschreiben und verstehen können. An der Universität Oldenburg durfte ich ein größeres Forschungsprojekt zu diesem Thema koordinieren. Das Projekt „Makroplastik in der südlichen Nordsee – Quellen, Wege und Vermeidungsstrategien“ wurde seit 2016 für vier Jahre vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert und sollte fundierte Erkenntnisse zu verschiedenen Aspekten der Belastung der Ozeane mit Plastik liefern, insbesondere mit Makroplastik. Neben hochaufgelösten hydrodynamischen Modellen wurden hier aber auch reale Drifter eingesetzt (Holzscheibchen und auch verschiedene GPS-Drifter). Es war das vermutlich erfolgreichste Citizen-Science Projekt der Universität seit ihrer Gründung vor 50 Jahren. Von über 65.000 Holzdriftern wurden knapp 50% von Strandbesuchern auf unserer Webseite gemeldet. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte die Projektseite unter www.macroplastics.de. Der Vorteil der Kenntnis von den Verursachern des Plastikmülls liegt darin, das man gezielter auf diese Sektoren (z.B. Fischerei, Schifffahrt, Häfen, Offshore Industrie, Schiffbau, Tourismus, Landwirtschaft, etc.) zugehen kann, um gemeinsam Problemlösungen zu finden oder durch Verschärfung von Gesetzen eine sektorspezifische Änderung herbeizuführen.

Gibt es technologische Innovationen, die helfen könnten, die Plastikverschmutzung der Meere einzudämmen?

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Wenn mit „Eindämmen“ die nachträgliche Säuberung der Ozeane von schon vorhandenem Plastikmüll meinen, dann sind die technischen Möglichkeiten sehr begrenzt. Es gibt natürlich sehr medienwirksame Projekte wie das Ocean Clean Up Projekt von Boyan Slat Bislang wurde zwei Prototypen realisiert und in den Pazifik gebracht. Ein drittes System ist zurzeit im Bau und soll 2,5-mal so groß sein wie der 2. Prototyp. Bei einem Einsatz von ca. 10 dieser Großgeräte verspricht man sich davon eiine Befreiung des Great Pacific Garbage Patch von 90% des Makroplastiks innerhalb weniger Jahrzehnte. Das Team von Herrn Slat hat aber auch früh erkannt, dass man der Lage nicht Herr wird, wenn man nicht gleichzeitig die Quellen von Plastikmüll verstopft. Das Team hat 1000 Flüsse auf der Welt identifiziert, die für den größten Teil des landbasierten Eintrags verantwortlich sind. Dort sollen ebenfalls Auffangsysteme installiert werden. Das Problem welches diese System nicht lösen können ist das Mikroplastik. Dieses wird durch diese Systeme nicht gesammelt. Hier gibt es aber auch technische Vorschläge. Diese hier aufzuführen ist mir aber leider nicht möglich.

Ist die Entwicklung biologisch abbaubarer Kunststoffen eine mögliche Lösung?

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Biologisch abbaubare Kunststoffe alleine sind sicher keine Lösung, aber sie können Teil der Lösung sein. Nicht alle Plastikarten lassen sich durch diese Produkte ersetzen zudem wird diesen Produkten nachwievor Plastik beigemischt, um gewissen Eigenschaften zu erhalten (z.B. Temparaturbeständigkeit, Verhinderung von zu früher Löslichkeit, Beständigkeit gegen UV-Strahlung, etc.). Nachdem die abbaubaren Anteile verschwunden sind bleibt eben doch ein Rest an umweltschädlichem Plastik.

Gibt es Überwachungs- und Prüfverfahren, um sicherzustellen, dass plastikverschmutzte Meeresfrüchte nicht auf den Markt gelangen?

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Das ist eine Angelegenheit der zuständigen Lebensmittelkontrollbehörden. Ob diese aber über das hochspezialisierte Gerät und das benötigte Knowhow verfügen entzieht sich meiner Kenntnis.

Letzte Änderung: 25. September 2023

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