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Begleiterkrankungen bei ADHS

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Geschrieben von
Georgia Weigt

Ging man früher auch in Fachkreisen davon aus, dass sich eine ADH-Störung spätestens mit der Pubertät selbst regulieren, bzw. "auswachsen" würde, ist heute relativ unbestritten, dass dies nicht der Fall ist. Stattdessen sind bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen, bei denen schon im frühen Alter eine derartige psychische Störung diagnostiziert wurde, auch im Erwachsenenalter Einschränkungen ihres alltäglichen Lebens erkennbar, die auf der ADHS-Erkrankung zurückzuführen sind.

Zudem kann es zu dem gleichzeitigen Aufreten einer weiteren psychischen Erkrankung kommen, sogenannter Komorbiditäten. Deren Ursachen können, müssen aber nicht zwangsläufig die ADHS-Grunderkrankung sein.

Der Begriff „Komorbidität“ definiert das Auftreten von zwei oder mehr spezifischen/eigenständigen Erkrankungen/Störungsbildern bei einer Person in einem bestimmten Zeitraum.

Welche Begleiterkrankungen treten bei ADHS auf?

Die Liste der Komorbiditäten bei ADH/ADHS ist lang und fällt, je nach Altersstufe der Betroffenen, unterschiedlich aus. Von Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) betroffen sind ca. 75 Prozent der Erkrankten.

Besonders häufig kommt es zur gleichzeitigen Diagnose von Angst- und affektive Störungen, die bei mehr als einem Drittel der Patienten vergeben werden.

Als erwiesen gilt, dass sich, entgegen früherer Annahmen, die Krankheit ADHS nicht "auswächst", also nicht von selbst verschwindet, sondern dass sich ihre Symptome verändern. Dies kann fälschlicherweise wie ein Überwinden der Störung wirken und dementsprechend gedeutet werden.

Diese Veränderung kann als Grund dafür herangezogen werden, dass selbst nach einer diagnostizierten Hyperaktivität oder komplexen Entwicklung- und Wahrnehmungsstörung in der Kindheit die Behandlung selten über die Pubertät hinaus fortgesetzt wird. Diese Tatsache gilt vor allem für Mädchen, die noch immer seltener als Jungen hinsichtlich des Verdachts einer ADH-Störung untersucht werden.

Festzustellen ist: Auch nach der Pubertät bleibt die Grunderkrankung in den meisten Fällen bestehen. Häufig findet jedoch ein sogenannter Symptomshift statt: So lassen die Symptome Hyperaktivität und Impulsivität, die in der Kindheit und frühen Jugend der Patienten auffällig sind, in der Pubertät häufig nach, stattdessen treten Probleme der Selbstorganisation und begleitende affektive Probleme bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen stärker in Erscheinung und beeinflussen die Person und ihren Alltag.

Häufig führt der Wegfall der in der Kindheit beobachteten und dann in den Hintergrund tretender Symptome zu der irreführenden Annahme, die ursprüngliche ADH-Störung sei überwunden.

Dazu kommt, dass Begleiterkrankungen mit ihren Symptomen den Fokus von der Grunderkrankung weg lenken zu Auffälligkeiten, die auf die Komorbidität weisen, nicht jedoch auf eine ADHS-Erkrankung.

Die Folge davon ist, dass Komorbiditäten nicht als Begleiterkrankung erkannt oder begriffen werden, die in einem Bezug zur Grunderkrankung stehen, sondern als eigene Störungsbilder, die den eigentlichen Ursprung der Erkrankung in den Hintergrund treten lassen.

Für die Problematik der Komorbiditäten benutzen Fachleute das Bild des Eisberg-Phänomens: Über der Wasseroberfläche befindet sich die Spitze des Eisbergs, hier die leicht zu erkennende Komorbidiät (zum Beispiel Schlafstörung). Diese könnte nun behandelt werden.

Doch nicht sichtbar, sozusagen unter der Wasserlinie, liegt der Großteil des Eisberges, in diesem Fall eine ADH-Störung, die Anteil an der Schlafproblematik hat und in Bezug zu ihr steht. Wird dies nicht erkannt und entsprechend behandelt, wird sich an der Schlafstörung dauerhaft kaum etwas zum Positiven verändern.

Die Symptome der Komorbiditäten können die Symptome der eigentlichen Grunderkrankung entweder überschneiden und damit überdecken oder so auffällig sein, dass nur sie bemerkt werden.

Das macht die Diagnose schwierig und erfordert Aufmerksamkeit, Kompetenz und Erfahrung seitens der behandelnden medizinischen Fachpersonen.

Begleiterkrankungen Im Kindesalter

13 Prozent aller Kinder und Jugendlichen weltweit leiden an einer psychischen Erkrankung. Von diesen haben rund die Hälfte mehr als eine Diagnose erhalten, so dass man von Komorbidität spricht.

Diese kann den Krankheitsverlauf erschweren; ebenfalls die Behandlung und ihren Erfolg. Wichtig ist, gleich zu Beginn eine gezielte und fachkundige Diagnose mit anschließendem Behandlungsplan, um weder Zeit für eine Therapie zu verlieren, noch in die falsche Richtung zu behandeln, beziehungsweise gar nicht therapeutisch einzugreifen, weil die Situation nicht in Gänze erkannt wurde.

Zu beachten sind dabei auch Komorbiditäten zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen. Zwar gibt es mittlerweile in Wissenschaft und Forschung verschiedene Ansatzpunkte und Erklärungsmodelle zum besseren Verständnis von Komorbidität bei psychischen Störungen im Kinder- und Jugendalter, doch noch immer zu wenige systematische Arbeiten, auf die sich die behandelnden medizinischen Fachpersonen berufen können.

Mögliche Komorbiditäten bei Kindern:

  • Lese- und Rechtschreibstörung
  • Rechenschwäche
  • Koordinationsstörung
  • Wahrnehmungsstörungen
  • Auffällige Fein- und Graphomotorik
  • Sprachentwicklungsverzögerung
  • Schlafprobleme
  • Psychosomatische Störung
  • Kopfschmerz/Migräne
  • Tic-Syndrom

Begleiterkrankungen im Erwachsenenalter

Auch bei Erwachsenen wirken sich Komorbiditäten auf Diagnose, die Wahl der Intervention und Prognose aus. Ebenso wie bei Kindern und Jugendlichen ist mit Sorgfalt und Fachwissen aus verschiedenen Quellen und mit unterschiedlichen Untersuchungsmethoden (Interview, Fragebögen, Einbeziehung der Krankheitsgeschichte, des Familiensystems, des sozialen Umfeldes und genetischer Dispositionen, Ausschluss anderer Störungen und/oder physischer Erkrankungen) festzustellen, ob Komorbiditäten vorliegen und wie weit ihr Einfluss auf die betroffene Person (und letztlich damit auch auf sein soziales Umfeld) reicht.

Mögliche Komorbiditäten bei Erwachsenen:

  • Angststörungen
  • Schlafprobleme
  • Depressionen
  • Zwangsstörungen
  • Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch
  • Essstörungen
  • Suchentwicklung (Nikotinmissbrauch, Kaufsucht, Kleptomanie, Spielsucht, Computersucht, Internetsucht)
  • Lernschwierigkeiten
  • Körperliche Erkrankungen (Bluthochdruck , Diabetes Typ 2, Allergien, Schuppenflechte, Reizdarmsyndrom , Darmerkrankungen, Nahrungsmittelallergien, Fibromyalgie , Migräne , Adipositas )

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