Partnerschaften mit ADHS als Begleitung erfordern von beiden Seiten ein Mehr an Aufmerksamkeit und Selbstreflexion als in anderen Beziehungen. Natürlich sind gerade das die Fähigkeiten, über die ein ADHS-Betroffener eben nicht verfügt.
Daher ist es eine Sache des Übens und des großen Einsatzes von Geduld und Verständnis. Kompromissbereitschaft und selbst gegebene Regeln helfen, die Beziehung zu gestalten, Harmonie zu erhalten und den Alltag zu meistern.
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Nicht allen Paaren ist klar, dass Probleme, die sie miteinander erleben, ihren Ursprung in einer ADHS haben – wobei bei einigen nur einer, bei anderen beide Partner erkrankt sein können.
Nicht jeder Erwachsene besitzt eine ADHS-Diagnose, weiß also davon, und/oder hat dies seinem Partner mitgeteilt. So bleibt bei manchen Paaren die Grundlage ihrer Probleme, also die Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung, unerkannt.
ADHS äußert sich in Stressresistenz, Unordnung, Selbstzweifeln, gestörten sozialen Interaktionen und emotionaler Labilität. All dies sind Komponenten, die für eine Beziehung eine große Belastung darstellen. Nicht jeder, der in einer Beziehung mit einem ADHS-ler lebt, bringt das Verständnis und die Geduld auf, auf die Besonderheiten des Gegenübers einzugehen und diese zu tolerieren.
Während sich manche Paare im Schatten einer ADHS-Erkrankung schnell voneinander trennen, gelingt es anderen, eine lang andauernde Beziehung oder Ehe zu führen. Worin liegt ihr Geheimnis? Experten betonen drei wichtige Grundpfeiler einer gelungenen Verbindung.
1) Kommunikation ist in der Beziehung essentiell. Beide Seiten müssen ihre Emotionen, Erwartungen und Befürchtungen deutlich machen. Nicht nur einmal. Dies fördert Klarheit, Verständnis und die Bereitschaft, die andere Seite, so wie sie ist, zu erkennen und anzunehmen.
2) Nichts geht ohne die Kompromissbereitschaft beider Seiten. Der ADHS-Betroffene muss Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, der Partner sollte Geduld haben, Verständnis aufbringen und die Überlegungen des Anderen nachempfinden.
3) Stimmungsschwankungen bestimmen das Leben bei ADHS-lern. Hier helfen eine Gesprächs-Struktur und gemeinsame Strategien zur Problembewältigung. Routine stärkt das Bindungsgefühl.
ADHS-Betroffene scheinen häufig in ihrer Entwicklung festgefahren, haben ein Reifungsdefizit. Sie gleichen gelegentlich trotzigen Dreijährigen, die jetzt und sofort etwas haben wollen. Dazu kommt ein Trotzreflex – Kritik wird nicht angenommen.
Begleitet wird dieses Verhalten von einer Maßlosigkeit, die dem Gefühl von Zufriedenheit und Glück im Wege steht. Immer sind es die anderen, die mehr bekommen oder es sich nehmen. ADHS-ler leben in der steten Annahme, übervorteilt und vernachlässigt zu sein.
Diese Einstellung kann sich von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter ziehen. Wenn Eifersucht auf diesen Nährboden fällt, kann sie dort gut gedeihen, zumal, wenn sie sich noch mit Selbstzweifeln an der eigenen Person verbindet.
Treue und Beständigkeit zählen nicht zu den herausragenden Merkmalen einer ADHS-beeinflussten Person. Dabei agieren die wenigsten ADHS-Betroffenen mit Vorsatz. Sie sind nur oft nicht in der Lage, Verantwortung für ihr Handeln zu tragen, ihre Stimmungsschwankungen zu kontrollieren, keinen Reiz in immer wieder Neuem zu sehen und eigene dissoziale Verhaltensweisen zu erkennen. Bei ihren Partnern kann somit der Eindruck entstehen, das Verhalten habe einen böswilligen Ursprung.
ADHS-ler selbst gelten als dünnhäutig und verletzlich. Während sie selbst Probleme haben, die Reaktionen oder Gefühle anderer richtig zu deuten oder gar vorherzusehen und daher nicht adäquat auf das Gegenüber eingehen können, haben sie für sich selbst eine hohe emotionale Empfindlichkeit.
Das heißt, sie überinterpretieren und vermuten Ablehnung, Missachtung und Kränkung dort, wo sie gar nicht vorhanden ist. Zudem schwanken sie immer wieder zwischen Selbstüberschätzung und Selbstzweifel. Dies steht wiederum dem Glauben an die Treue des Partners im Wege. Denn wer seinen Wert für jemand anderen nicht einschätzen kann, dem fällt es schwer zu bestimmen, was dieser in ihm sieht und wieviel ihm an der Beziehung liegen mag.
Bei einigen ADHS-Betroffenen kann sich das Bedürfnis nach Sex zur Sucht entwickeln (Hypersexualität), die nur noch schwer kontrolliert werden kann. Sexuelle Abenteuer oder riskante Praktiken werden gesucht, ohne sich zu schützen oder vorab die Folgen zu bedenken.
Im Gegenteil: In der Sexualität werden Risiko und Rausch gesucht. Menschen mit ADHS sind häufig Pornofilmkonsumenten und Kunden von Prostituierten.
Abgesehen von den finanziellen Auswirkungen eines solchen Verhaltens ist es wenig beziehungsfreundlich. Je nach Absprache oder Erwartungen, auf der die Verbindung von Partnern beruht, kann dies belasten oder destabilisieren. Damit muss diese "Untreue" nicht bedeuten, dass dem Partner keine Gefühle mehr entgegengebracht werden.
ADHS-Betroffene neigen dazu, in sicheren, stabilen und harmonischen Beziehungen schnell Langeweile zu empfinden und suchen daher den Kick in Seitensprüngen. Es geht ihnen um den Reiz des Verbotenen, das Erobern und das Überschreiten von Grenzen.
Auf der anderen Seite können ADHS-Betroffene auch völlig das Interesse an Sex verlieren. Vor allem Frauen beklagen die Tatsache, dass sie sich beim Sex nicht wirklich konzentrieren können, sich von Geräuschen und Gedanken ablenken lassen.
Wenn es, trotz aller Bemühungen, zu einer Trennung gekommen ist, fällt es Menschen mit ADHS mindestens genauso schwer wie nicht von der Krankheit Betroffenen, diese zu verarbeiten. Erklärungen, Argumente und Betrachtungsweisen, die sie nicht teilen, erreichen sie nicht. Ihre Sicht der Dinge zählt.
Auch in Diskussionen über Treue oder Untreue in der Beziehung oder in der Frage nach Gründen für verschiedene Verläufe, die eine Trennung erklären können, sind sie mit Argumenten oder Beteuerungen oft nur schwer zu erreichen und erweisen sich häufig als stur, trotzig und verbohrt. Manche flüchten sich in exzessive Aktivitäten, andere ziehen sich völlig in eine Starre zurück.
Der oft nicht nachvollziehbare Wechsel von Stimmungen und Ideen bei einem ADHS-Betroffenen kann seine Umwelt faszinieren, seine Phantasie und Kreativität sind mitunter überbordend – allerdings kann dies auch auf Unverständnis stoßen und zur Erschöpfung des Gegenübers führen.
Partnerschaften erfordern ein hohes Maß an Geduld und Kompromissbereitschaft. Hilfreich sind da dynamische Regeln, die dem Alltag viel Konfliktpotential nehmen.
In dieser Frage unterscheiden sich Paare mit einer ADHS-Belastung nicht von denen ohne eine Störung. Immer dann, wenn die Beziehung als problembeladen empfunden wird, aber durchaus wert, sie weiterzuführen, sollte die Expertise und die Hilfe von Experten gesucht werden.
Als mittelbar Betroffene sollten Partner versuchen, so viel Geduld und Verständnis aufzubringen, wie ihnen möglich ist. Sie sollen bereit sein, sich mit
Hilfreich ist die Verabredung von Gesten oder Signalwörtern, die dem anderen aufzeigen, was gerade geschieht und dass es bemerkt worden ist. Wohltuend ist in der Kommunikation ein verbindlicher, nicht verletzender Humor.
Letzte Änderung: 14. Januar 2024
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