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Reaktive Arthritis

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Reaktiven Arthritis?

Beim Vorliegen dieser Infektion ist es also erschwert bzw. schmerzhaft zu sehen, zu urinieren oder aber einen Baum hochzuklettern. Die Ursache der Symptomatik ist eine Entzündung der Gelenke (Arthritis), der Harnröhre (Urethritis) sowie der Bindehaut (Konjunktivitis). „Cant’see, can’t pee, can’t climb a tree.” Dieser Merkspruch steht daher für die typische Trias der reaktiven Arthritis.

Darüber hinaus kann die Haut betroffen sein. Da oftmals ebenso die Wirbelsäule reaktiv als Spondylarthritis verändert sein kann, zählt die reaktive Arthritis zu dem Formenkreis der Spondylarthritiden.

Wissenswert

Doch wie entstehen diese Komplikationen? Die Reaktive Arthritis ist eine Folgeerkrankung, die circa zwei bis sechs Wochen nach einer Ansteckung mit gastrointestinalen oder urogenitalen Bakterien auftreten kann. Doch nicht jede urogenitale oder gastrointestinale Infektion führt zu den Hauptsymptomen.

Sie tritt lediglich in ein bis drei Prozent der Fälle auf. Die Bakterien lösen eine autoimmunologische Kreuzreaktion aus. Eine genetische Prädisposition mit Assoziation zu HLA-B27 liegt vor. HLA-B27 ist ein Eiweiß der Human-Leukozyten-Antigene, also auf der Oberfläche fast aller Körperzellen.

Diese Oberflächenantigene sind wesentliche Regulatoren des Immunsystems. Es wird vermutet, dass Bakterien ähnliche Oberflächenstrukturen wie die Human-Leukozyten-Antigene zur Tarnung enthalten.

Dieses Phänomen wird als molekulares mimikry bezeichnet und kann die Manifestation dieser Hauptsymptome bedingen. Patienten mit rheumatoider Arthritis, die dieses Merkmal aufweisen, zeigen einen längeren und komplikationsreicheren Verlauf.

Das urethro-okulo-synoviale Syndrom betrifft vor allem junge Männer. In Deutschland sind circa 30 bis 40 pro 100.000 Erwachsene betroffen. „Urethro“ steht für Urethra, also die medizinische Bezeichnung der Harnröhre, „okulo“ für Auge und „synovial“ für die Gelenkinnenschicht. Für den Ausbruch des Syndroms sind vor allem die sexuell übertragbaren Infektionen relevant. Typische Erreger sind Gonokokken, Chlamydien oder Ureaplasmen.

Daher ist beispielsweise die Gonorrhö, auch Tripper genannt, eine sehr gefürchtete Infektion. 25 Prozent der infizierten Männer und 50 Prozent der infizierten Frauen sind asymptomatische Überträger der Infektion.  

Das bedeutet, dass man solch eine Infektion nicht primär erkennen kann, sodass in jedem Fall ein geschützter Sexualverkehr empfohlen wird. Eine Enteritis, die durch Shigellen, Yersinien, Salmonellen oder Campylobacter ausgelöst wird, weist ebenso ein Risiko des molekularen Mimikrys auf. In den meisten Fällen heilt die Erkrankung spontan aus. Es können jedoch auch Langzeitfolgen über mehrere Jahrzehnte resultieren.

Die Bezeichnung „Morbus Reiter“ sollte heutzutage als Synonym der reaktiven Arthritis nicht verwendet werden, da die Folgeerkrankung wurde nach dem deutschen Bakteriolgen Hans Reiter benannt wurde. Dieser war während der Zeit des Nationalsozialismus an der Planung verschiedener Experimente im Konzentrationslager Buchenwald beteiligt

Was sind die Symptome einer Reaktive Arthritis?

Symptome im Überblick

Wie bereits der Einleitung zu entnehmen ist, beginnen die Symptome meist zwei bis sechs Wochen nach der Ansteckung. Dies wird als Latenzphase bezeichnet.

Eine Gelenkentzündung kann mit einem Schmerz und einer Überwärmung im betroffenen Gelenk auffallen. Die Schmerzsymptomatik führt zum Schonverhalten. Meistens sind nur ein Gelenk oder wenige Gelenke betroffen. Liegt eine Beteiligung mehrerer Gelenke vor, so ist diese asymmetrisch.

Das bedeutet, dass zum Beispiel das linke Knie und das rechte Sprunggelenk Beschwerden verursachen. Ferner können die Arthritiden wandern, also mehrere Gelenke nacheinander betreffen.

Die sterile Urethritis, also der Entzündung der Harnröhre ohne Erregerbefall, kann ein Brennen beim Wasserlosen und einen vermehrten Harndrang verursachen. Ein Ausfluss der Harnröhre bzw. der Scheide ist ebenso hinweisend.

Neben der Urethritis kann die Bindehaut oder gar die Regenbogenhaut betroffen sein. Diese Augenentzündung kann ein.-oder beidseitig vorliegen. Typischerweise sind die Augen gerötet und brennen. Die Patienten meiden eine direkte Lichteinstrahlung. In seltenen Fällen und bei schweren Verlaufsformen kann die reaktive Arthritis zu einer Erblindung führen.

Gelegentlich kann die reaktive Arthritis Veränderungen der Haut und Schleimhaut hervorrufen. Diese Hautbeteiligung wird als Keratoma blenhorrhagicum bezeichnet.

Dies sind übermäßige Verhornungen der Handinnenflächen und Fußsohlen. Zudem kann sich die reaktive Arthritis in Form einer psoriasiformen Dermatitis äußern. Damit sind schuppenähnliche Veränderungen gemeint. Diese können ebenso die Eichel betreffen, sodass eine Balanitis circinata vorliegt.

In 30 Prozent der Fälle berichten die Patienten von morgendlichen Kreuzschmerzen, die morgens am stärksten sind und sich bei Bewegung verbessern.

Diese Symptomatik ist hinweisend auf eine Sakroillitis. Nicht nur Gelenke, auch Sehnen bzw. Sehnenansätze können betroffen sein. Diese Komplikation wird als Enthesiopathie bezeichnet.

In seltenen Fällen kann eine Karditis, eine Entzündung des Herzens oder Pleuritis, eine Entzündung der Lungenblätter, vorliegen.

Neben diesen charakteristischen Symptomen können ebenso unspezifische Begleitsymptome auftreten. Allgemeinsymptome sind Fieber , Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und Muskelschmerzen.

Wie wird die Reaktive Arthritis diagnostiziert?

Jede Diagnosestellung erfolgt in einer typischen Reihenfolge. Sie beginnt mit der Anamnese, gefolgt von der körperlichen Untersuchung und weiterer Diagnostik.

Hinweis

Eine typisches Fallbeispiel ist ein junger Mann, der plötzlich Gelenkbeschwerden entwickelt. Es wird gefragt, ob sie ein Brennen beim Wasserlassen , einen starken Harndrang, Probleme bei Sehen oder Rückenschmerzen haben.

Ferner wird erfragt, ob in den letzten Wochen bereits eine urogenitale oder gastrointestinale Infektion vorlag. Anschließend folgt eine allumfassende, körperliche Untersuchung. Nicht nur die Gelenkbeschwerden werden orthopädisch untersucht. Es ist wichtig, den Allgemeinzustand des Patienten mithilfe der Erhebung der Vitalparameter zu erheben. Zum Ausschluss einer Augenbeteiligung wird eine ophthalmologische Untersuchung veranlasst.

Achtung

Im Fall der reaktiven Arthritis sollte ein Erregernachweis veranlasst werden.

Da die reaktive Arthritis eine Form der Entzündung darstellt, wird das Maß der Entzündung mithilfe von Entzündungsparametern festgestellt. Dafür wird die Blutsenkungsgeschwindigkeit (kurz BSG) und das C-reaktive Protein (kurz CRP) bestimmt. Diese beiden Parameter sind in einem Fall der Entzündung stark erhöht.

Um eine Prognose zu ermitteln, muss die Assoziation zur HLA-B27 Positivität untersucht werden. Für den Erregernachweis wird eine Stuhl.-oder Urinkultur bestimmt. Ferner kann ein Urethralabstrich zur Erregerdiagnostik erfolgen.  

Für diesen Nachweis werden weitere Fachrichtungen, wie ein Gynäkologe oder ein Urologe herangezogen. Da die Infektion bereits mehrere Wochen zurückliegen kann, ist ein direkter Erregernachweis oft nicht möglich. Daher ist indirekte Methode, die Serologie, indiziert. Dies ist eine Antikörperdiagnostik im Blut. Nach einer Infektion kann man diese typischerweise nachweisen.

Differentialdiagnostisch müssen Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises ausgeschlossen werden. Dies erfolgt mithilfe einer Bestimmung des Rheumafaktors und weiterer, spezifischer Antikörper, wie antinukleäre Antikörper (kurz ANA).

Für die Beurteilung des Gelenkschadens können verschiedene Verfahren angewandt werden. Meist wird zunächst ein Ultraschall durchgeführt. Bei einer Spondylarthritis ist jedoch direkt eine Magnetresonanztomographie (kurz MRT) indiziert.

Ferner kann ein szintigraphischer Nachweis der Entzündungsaktivität erfolgen. Die bildmorphologische Diagnostik eines Röntgenbildes ist keine Standardmethode, da ein Gelenkschaden meistens erst nach sechs Monaten zu diagnostizieren sind.

Gelegentlich kann ebenso eine Punktion des Gelenks notwendig sein, wenn die Beschwerden persistieren oder eine Antibiotikagabe nicht ausreichend ist. Mithilfe der Entnahme der Gelenksflüssigkeit können weitere Erreger oder andere Einlagerungen, wie Kristalle beim Vorliegen einer Chondrokalzinose, bestimmt werden.

Insgesamt richtet sich die Therapie immer nach den Symptomen. Berichtet das Patient also von Herzbeschwerden, sollte ein Elektrokardiogramm (kurz EKG) zum Ausschluss von Herzrhythmusstörungen geschrieben werden.

Liegt weiter eine Unsicherheit vor, ob das Herz ebenso betroffen ist, sollte eine Echokardiographie erfolgen. Mit diesem Verfahren kann das Herz sonographisch, also ultraschallgestützt, dargestellt und Pathologien gefunden werden.

Therapie bei Reaktiver Arthritis

Die Therapie besteht aus mehreren Säulen. Liegt ein akuter Infekt vor, sollte dieser behandelt werden. Die zweite Säule stellt die symptomatische Therapie dar. Bei einem hoch akuten oder chronischen Verlauf erfolgt eine Basistherapie.

Die Therapie differenziert sich ebenso nach dem Auslöser der Erkrankung. Bei persistierender Infektion mit Chlamydien oder Ureaplasmen ist eine antibiotische Therapie mit Doxycyclin oder Makroliden indiziert.

Liegt hingegen Gonorrhöe vor, sollten Cephalosporine als antibiotische Gabe gegeben werden. Um eine Reinfektion zu vermeiden, sollte der Geschlechtspartner unbedingt mitbehandelt werden. Bei einer reaktiven Arthritis nach einer gastrointestinalen Infektion ist eine antibiotische Therapie in der Regel nicht notwendig.

Für die Behandlung der Symptome sind vor allem die nicht steroidalen Antirheumatika, wie Ibuprofen von Bedeutung. Ferner kann eine physikalische Form der Therapie, die Kälteanwendung zur Schmerzreduktion ausprobiert werden.

Bei hoch akuten Verläufen sollte die Therapie mit Glucocorticoiden erweitert werden. Bei der chronischen Form kommt eine weitere Form der Basistherapie in Frage: Die Sulfasalazin-Gabe. Sulfasalazin wirkt als Immunmodulator und weist dadurch eine entzündungshemmende Funktion auf.

Wie ist die Prognose einer Reaktiven Arthritis?

Hinweis

In etwa 80 Prozent der Fälle heilt die Erkrankung spontan innerhalb eines Jahres aus.

Das Rückfallrisiko nach Gelenkentzündung beträgt 50 Prozent. Die rückfallbedingte Verlaufsdauer ist im Mittel drei Jahre. Ein Übergang in eine Erkrankung des rheumatologischen Formenkreises ist jedoch möglich. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei dem Vorliegen einer HLA-B27 Positivität erhöht.

Wie kann man einer Reaktiven Arthritis vorbeugen?

Die Vorbeugung der reaktiven Arthritis besteht in der Vermeidung der Infektionen. Da vor allem urogenitale Infektionen zur Entstehung der Folgeerkrankung führen, sollte ein geschützter Geschlechtsverkehr erfolgen.

Das gründliche Abwaschen von Obst und Gemüse ist ebenso wichtig wie ein kritischer Blick auf den Verzehr von rohem Fleisch, um das gastrointestinale Infektionsrisiko zu reduzieren. Eine ausreichende Handhygiene ist ebenso ein elementarer Bestandteil zur Verhinderung einer Ansteckung.

Empfehlungen zur Nachsorge bei einer Reaktiven Arthritis

Da die reaktive Arthritis meistens folgenlos ausheilt, ist eine Nachsorge in den wenigsten Fällen indiziert. Bei akuten oder gar chronischen Verläufen gilt es, bei der Nachsorge die Komplikationen der Folgeerkrankung zu beobachten. Liegt ein chronischer Übergang vor, stehen physiotherapeutische Maßnahmen im Vordergrund der Nachsorge.

Ferner sollte die medikamentöse Therapie überwacht und individuell angepasst werden. Zur Beurteilung einer Entzündung werden bei komplizierten Verläufen alle sechs Monate die Entzündungsparameter kontrolliert.

Zusammenfassung

Die reaktive Arthritis ist eine Folgeerkrankung der Gelenke nach einer urogenitalen oder gastrointestinalen Infektion, die in der Regel in etwa drei Prozent der Fälle und nach circa zwei bis sechs Wochen auftritt. Neben den Gelenkbeschwerden kann eine Entzündung der Augen sowie der Harnröhre und weiterer Organe vorliegen. Meistens heilt die Erkrankung spontan aus.

Häufig gestellte Patientenfragen, beantwortet

Urogenitale Infektionen, die durch Bakterien wie Gonokokken, Chlamydien oder Ureaplasmen ausgelöst werden, können sekundär zu Gelenkschmerzen führen.

Die reaktive Arthritis ist eine Erkrankung, die zu primär zu Gelenkentzündungen führt. Diese manifestieren sich häufig als Entzündung an den Knien oder den Sprunggelenken. Weitere, charakteristische Symptome sind Entzündungen der Bindehaut und der Harnröhre. Jedoch können auch Hautbeteiligungen in Form einer vermehrten Schuppung bzw. Verhornung vorliegen. Die Begleitsymptome sind sehr unspezifisch. Zu diesen Allgemeinsymptom gehören Fieber, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen.

Nein, die reaktive Arthritis ist eine Gelenkentzündung, die reaktiv, also in Folge einer Infektion auftreten kann. Typische Erreger sind beispielsweise Chlamydien oder Gonokokken, die bei einem ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden können. Aber auch Magen-Darm-Infektionen mit Salmonellen oder Yersien können ein molekulares mimikry verursachen. Dies ist keine primäre Autoimmunerkrankung, sondern eine Oberflächenstruktur der Bakterien, die ähnlich zu unseren Körperzellen erscheinen. Dies führt zur Entzündung der Organe ohne Erregernachweis.

Das Reitersyndrom ist eine alte Bezeichnung für die reaktive Arthritis. Aufgrund der Namensgebung nach Hans Reiter, einem Funktionär zur Zeit des Nationalsozialismus, sollte dies nicht mehr als synonym verwendet werden.

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Reaktive Arthritis einfach erklärt

Morbus Reiter

Häufigkeit

  • Inzidenz: 3.5 pro 100.000 Männern
  • vor allem junge weiße Männer betroffen
  • Altersgipfel: 20 bis 30 Jahre

Risikofaktoren

  • genetische Vorbelastung
  • HLA-B27
  • entzündlich-rheumatische Erkrankungen

Ursachen

  • Enterobakterien
  • Chlamydien

Symptome

  • Gelenkschmerzen
  • Schwellung
  • Überwärmung
  • Rote und stechende Augen
  • Sehstörung
  • Lichtempfindlichkeit
  • Hautveränderungen
  • Speichelfluss erhöht
  • Ablagerungen auf der Zunge

Komplikationen

  • Konjunktivitis
  • Iritis
  • Keratitis

Diagnose

  • Anamnese
    • Haben sie Schmerzen in den Gelenken?
    • Sind ihre Gelenke geschwollen?
    • Sind ihre Gelenke wärmer als die umgebende Haut?
    • Sind ihre Augen gerötet?
    • Leiden sie an Lichtscheuheit?
    • Haben sie Sehstörungen?
    • Leiden sie an auffälligen Hautveränderungen?
    • Leiden sie an verstärktem Speichelfluss?
    • Haben sie Ablagerungen auf der Zunge?
  • Abstrich
    • Erregernachweis
  • Laboruntersuchung
    • Stuhl- oder Urinprobe: Erregernachweis
    • Blutuntersuchung: Leukozyten, CRP, BSG, Nachweis von HLA-B27
  • MRT
    • Ermittlung der Ausprägung der Gelenkschäden
  • Knochenszintigrafie
    • Ermittlung der Ausprägung der Gelenkschäden
  • Punktion
    • Synoviaanalyse

Laborwerte

  • CRP Erhöht
  • BSG Erhöht
  • Leukozyten Erhöht

Therapie

  • Medikamente
  • Physiotherapie

Prognose

  • Heilt i.d.R. nach sechs bis zwölf Monaten aus

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