Über Dr. Jana Bauer:
Dr. Jana Bauer hat Psychologie studiert und in der Psychologie promoviert. Seit 2011 ist sie als Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln tätig, wo sie in ihrer Arbeit Forschung, Lehre und den Transfer in die Praxis miteinander verbindet. In Ihrer Forschung interessiert sie sich dafür, wie Menschen mit dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen (chronischen Erkrankungen oder Behinderungen) gut ins Arbeitsleben inkludiert werden können und wie man Ressourcen stärken kann, um gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die Arbeit zu verhindern. Gemeinsam mit Prof. Dr. Mathilde Niehaus hat sie das Projekt
Sollten Arbeitnehmer*innen ihre chronische Erkrankung ihrer*ihrem Arbeitgeber*in mitteilen?
In einer idealen Welt wäre die Antwort ja! Leider ist die Welt aber nicht ideal und die Antwort nicht so einfach. Vielen Menschen fällt die Entscheidung, ob sie auf der Arbeit von ihrer Erkrankung erzählen sollen schwer, weil sie Angst haben, dass sie durch die Offenlegung Nachteile haben könnten. Häufige Sorgen sind beispielsweise, dass andere hinter dem Rücken über einen reden, dass man anders behandelt wird oder, dass man sogar den Job verliert. Gleichzeitig bietet ein offener Umgang mit der eigenen Erkrankung viele Chancen: Man muss die Erkrankung nicht mehr geheim halten, Kolleg*innen verstehen einen besser und können einen unterstützen und Arbeitgeber*innen können die Arbeitsbedingungen besser an die Erkrankung anpassen. Ob ein offener Umgang eher positive oder negative Folgen hat, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und ist oft schwer vorhersehbar. Deshalb kann für den einen ein offener Umgang die passende Entscheidung sein, während es sich für eine andere Person richtiger anfühlt, die Erkrankung weiter geheimzuhalten. Im Projekt „Sag ich’s? Chronisch krank im Job.“ haben wir ein Webangebot entwickelt, das Arbeitnehmer*innen mit chronischen Erkrankungen dabei unterstützt, die für sie passende Entscheidung zu treffen. Unter www.sag-ichs.de findet man umfangreiche Informationen und einen Selbst-Test, der mit einer individuellen Auswertung einen Überblick darüber gibt, was in der eigenen Situation für und was gegen einen offenen Umgang spricht.
Wann ist der richtige Zeitpunkt und was sind die wichtigsten Schritte, um eine erfolgreiche Kommunikation mit dem*der Arbeitgeber*in zu gewährleisten?
Auch was den Zeitpunkt einer möglichen Offenlegung betrifft, ist es schwierig pauschale Ratschläge zu geben. Grundsätzlich ist es wichtig, sich frühzeitig aktiv mit der Frage der Offenlegung der eigenen Beeinträchtigung auseinanderzusetzen und sich bewusst für oder gegen einen offenen Umgang zu entscheiden. Denn sonst kann es passieren, dass man durch Veränderungen im Gesundheitszustand oder Veränderungen der Arbeitsbedingungen zu einer Offenlegung gezwungen wird und nicht mehr ausreichend Zeit hat, sich gut darauf vorzubereiten. Zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses kann der Wunsch bestehen, erstmal die eigenen Kompetenzen unter Beweis zu stellen und stabile Beziehungen mit Vorgesetzten und Kolleg*innen aufzubauen, bevor man von der eigenen Erkrankung erzählt. Das kann sinnvoll sein, wenn die beruflichen Rahmenbedingungen gut passen und die gesundheitliche und berufliche Situation sich erstmal vermutlich nicht stark verändern. Für schwerbehinderte oder gleichgestellte Menschen, gilt nach sechs Monaten Beschäftigung zudem ein besonderer Kündigungsschutz. Der*die Arbeitgeber*in kann dann nur mit Zustimmung des zuständigen Integrations- bzw. Inklusionsamtes eine wirksame Kündigung aussprechen (https://sag-ichs.de/gut-zu-wissen/ihre-rechte/ansprueche-und-rechte/besonderer-kuendigungsschutz). Das sind Gründe, die dafür sprechen können, mit einer Offenlegung zu warten. Andererseits kann es passieren, dass Arbeitgeber*innen oder Kolleg*innen sich hintergangen fühlen, wenn sie erst nach einiger Zeit der Zusammenarbeit von der Erkrankung erfahren. Hat man die Entscheidung gefasst, die eigene Erkrankung offenzulegen und steht nicht unter Zeitdruck, macht es auf jeden Fall Sinn, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten: Was möchte ich mit dem Gespräch erreichen? Welche Perspektive hat wohl mein Gegenüber? Wie kann ich gute Rahmenbedingungen für das Gespräch schaffen? Soll vielleicht noch jemand anderes mit dabei sein? Hilfreich kann es auch sein, das Gespräch mit einer vertrauten Person vorab einmal zu üben. Wir haben für die nächsten Schritte nach der Entscheidung einige hilfreiche Informationen zusammengestellt (https://sag-ichs.de/gut-zu-wissen/wie-geht-es-weiter). Hier gibt es unter anderem auch eine Checkliste, mit der man sich auf ein schwieriges Gespräch vorbereiten kann.
Kann die Offenlegung der chronischen Erkrankung negative Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben?
Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber*innen niemandem wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (z. B. chronischen Erkrankung) kündigen. Davor schützt das gesetzliche Diskriminierungs- bzw. Benachteiligungsverbot. Eine Ausnahme besteht dann, wenn aufgrund der Erkrankung die Arbeitsaufgabe nicht mehr erfüllt werden kann. Auch in diesem Fall muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung aber Möglichkeiten der behinderungsgerechten Beschäftigung prüfen (z. B. Anpassung bzw. Ausstattung des Arbeitsplatzes oder Anpassungen der Arbeitsaufgabe). Wichtige Informationen zu Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit der Offenlegung haben wir hier zusammengestellt: https://sag-ichs.de/gut-zu-wissen/ihre-rechte
Sollte über die chronische Erkrankung vertraulich gesprochen werden oder gibt es Vorteile die Kolleg*innen zu informieren?
Die Entscheidung, die eigene Erkrankung im Arbeitskontext offenzulegen ist eigentlich gar nicht eine einzige Entscheidung, sondern eine Vielzahl von Entscheidungen. So kann man z. B. separat darüber entscheiden, ob man der oder dem Vorgesetzten oder einer*einem bestimmten Kolleg*in von der eigenen Erkrankung erzählt. Wenn man sich entscheidet, sich auf der Arbeit nur einzelnen Personen gegenüber zu öffnen, ist es wichtig, dass man in diesem Gespräch auch bespricht, ob bzw. inwiefern diese Information an andere weitergegeben werden darf. Während Vorgesetzte vor allem auch Einfluss auf die eigenen Arbeitsbedingungen haben, kann eine Offenlegung gegenüber Kolleg*innen dazu beitragen, dass man sich im Team entspannter verhalten kann und von den Kolleg*innen mehr Verständnis und Unterstützung erfährt. Der Selbst-Test auf www.sag-ichs.de hilft dabei, die Beziehung zum*zur Vorgesetzten und den Kolleg*innen und die Wahrscheinlichkeit positiver oder negativer Reaktionen besser einzuschätzen.
Welche Rolle spielen Gesundheitsprogramme und -initiativen am Arbeitsplatz für chronisch erkrankte Mitarbeiter*innen?
Die Forschung zeigt, dass die gelebte Kultur in einem Unternehmen ein ganz wichtiger Faktor bei der Offenlegungsentscheidung ist. Haben Beschäftigte das Gefühl, dass das Unternehmen sich ernsthaft für sie und ihre Gesundheit interessiert, dann können sie sich leichter für eine Offenlegung entscheiden. Positive Erfahrungen mit Gesundheitsprogrammen und -initiativen am Arbeitsplatz tragen zu so einer Unternehmenskultur bei. Vielleicht kennt man von diesen Programmen oder Initiativen auch schon relevante Akteur*innen im eigenen Unternehmen, mit denen man vertrauensvoll zu dem Thema in Austausch kommen kann. Eine Übersicht über Ansprechpersonen und Anlaufstellen innerhalb und außerhalb von Unternehmen, die einen bei der Offenlegungs-Entscheidung beraten und unterstützen können, haben wir hier zusammengestellt: https://sag-ichs.de/gut-zu-wissen/beratung-und-unterstuetzung
Letzte Änderung: 23. April 2023
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