Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Hirnleistung im Zuge des Alterns nachlässt. Man wird zunehmend vergesslicher, kann sich Dinge nicht mehr so schnell merken und beginnt Erinnerungen durcheinander zu bringen. Tatsächlich lässt sich auch wissenschaftlich belegen, dass das Gehirn einen Alterungsprozess durchläuft. Wie weitreichend dieser ist, kann aber oftmals von uns selbst beeinflusst werden.
Im Laufe des Lebens verändern sich viele Bereiche des Körpers, zum Beispiel hinterlassen Verletzungen Narben auf unserer Haut. Das Gleiche gilt auch für das Gehirn.
Die Zeit kann tiefe Spuren in den einzelnen Hirnstrukturen hinterlassen, die sich im Alter auch auf das Gedächtnis auswirken können.
Am besten lassen sich diese Veränderungen im Bereich der grauen Substanz nachweisen. Die graue Substanz des Gehirns besteht aus den Zellkörpern und den Synapsen, also den Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen.
Beim Heranwachsen, vor allem bis zum 12. Lebensjahr nimmt die graue Substanz im Gehirn deutlich zu. Im Grunde werden dabei viel zuviel Synapsen gebildet. Zu dieser Zeit ist das Gedächtnis besonders gut. Das verdeutlicht sich auch darin, dass Kinder enorm schnell und gut lernen können.
Nach dem 12. Lebensjahr beginnt die graue Substanz jedoch damit, sich zurückzubilden. Wie schnell das vonstatten geht, kann von Mensch zu Mensch recht unterschiedlich sein.
Darüber hinaus nimmt die graue Substanz auch nicht in allen Bereichen des Gehirns in gleichem Maße ab. Besonders betroffen ist das sogenannte Stirnhirn, beziehungsweise der präfrontale Kortex. Der präfrontale Kortex empfängt sensorische Signale aus dem Körper.
Seine Funktion steht in Zusammenhang mit der Integration von Gedächtnisinhalten und deren emotionaler Bewertung. Bei der Hirnentwicklung stellt der präfrontale Kotrex jenen Bereich dar, der als letztes, nämlich erst im Alter von ungefähr 20 Jahren, voll ausgebildet ist. Dennoch macht sich genau dort der Alterungsprozess besonders früh durch einen Verlust der grauen Substanz bemerkbar.
Außerdem beginnt auch der Scheitellappen schon frühzeitig damit zu schrumpfen. In diesem Bereich liegt auch der Hippocampus, der für das Langzeitgedächtnis von essenzieller Bedeutung ist. Aus eben diesem Grund kann das episodische Gedächtnis im Alter besonders schnell beeinträchtigt sein.
Das episodische Gedächtnis ist eine Untereinheit des Langzeitgedächtniss. Auf Grund seiner exakten Funktion wird es auch als autobiografisches Gedächtnis bezeichnet. Es speichert Ereignisse ab, die uns selbst unmittelbar betroffen haben. Es speichert also die Langzeiterinnerungen an unser Leben.
Die weiße Substanz, die aus Nervenfasern besteht, verhält sich während des Alterns etwas anders. Durch die weiße Substanz, beziehungsweise durch deren Nervenfasern, werden die einzelnen Hirnregionen miteinander verknüpft. Aus diesem Grund sind sie dazu in der Lage miteinander zu kommunizieren und zu interagieren.
Während der Kindheit nimmt die weiße Substanz kontinuierlich an Volumen zu und auch im Erwachsenenalter kann eine Zunahme der Nervenfasern des Gehirns beobachtet werden. Erst ab einem Alter von ungefähr 40 bis 50 Jahren bilden sich Teile der weißen Substanz des Gehirns wieder zurück. Dies kann negative Auswirkungen auf die allgemeine Geschwindigkeit, mit der wir geistige Aufgaben verarbeiten und lösen können, haben.
Die Verarbeitungsgeschwindigkeit lässt, obwohl in diesem Alter die Masse der weißen Substanz noch weiter ansteigt, schon mit circa 20 bis 30 Jahren nach. Das zeigt sich vor allem dadurch, dass die Zusammenarbeit einzelner Hirnareale weniger zügig vonstatten geht.
Was genau der Grund für den Verlust an grauer und weißer Hirnsubstanz und damit letztendlich auch an unseren Gedächtnisleistungen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Früher ging man davon aus dass der Verlust der Nervenzellen innerhalb er grauen Substanz der Hauptgrund dafür ist. Mittlerweile glaubt man hingegen, dass ganz andere Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Rückbildung der Hirnmasse spielen.
Zum Beispiel lässt sich nachweisen, dass sich die Dichte der Synapsen mit steigendem Alter deutlich abnimmt. In diesem Zusammenhang konnte vor allem ein Verlust sogenannter dendritischer Dornen, also Ausstülpungen von Nervenfortsätzen, nachgewiesen werden.
Im Falle der weißen Substanz gibt es hingegen ganz andere Gründe für den Verlust von Gehirnvolumen und Gedächtnisleistung. Mittlerweile konnte wissenschaftlich belegt werden, dass die Anzahl jener Nervenfasern, die mit einer Myelinscheide umhüllt sind, stark abnimmt.
Studien zufolge lässt sich bei Frauen im Alter von circa 20 Jahren eine Gesamtlänge der myelenisierten Nervenfasern von ungefähr 149.000 km nachweisen. Bei Frauen, die das 80. Lebensjahr überschritten haben, nimmt deren Länge auf nahezu 82.000km ab. Diese Abnahme hat ein enormes Ausmaß. Bei Männern kann sogar ein noch weitreichender Verlust dieser Nervenfasern verzeichnet werden.
Das bedeutet aber nicht, dass man die Gedächtnisleistung im Alter nicht erhalten kann. Menschen, die normal altern, können die Leistung der für das Gedächtnis relevanten Hirnareale zum Teil kompensieren.
Das zeigt vor allem die Tatsache, dass zwar die geistige Verarbeitungsgeschwindigkeit bei alten Menschen abgenommen hat, sie aber dennoch annähernd so produktiv sind wie junge Erwachsene. In diesem Fall wird die Verarbeitungsgeschwindigkeit durch Erfahrungen, die sie im Laufe ihres Lebens sammeln konnten, kompensiert.
Letzte Änderung: 28. Oktober 2022
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