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Molekulare Arthrose-Therapie

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Interview mit Prof. Dr. Henning Madry

Über Prof. Dr. Henning Madry:

Prof. Dr. Henning Madry ist ein Orthopädischer Chirurg und renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der experimentellen Orthopädie und der Arthroseforschung. Als Universitätsprofessor an der Universität des Saarlandes zählt er zu den weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet. Seine Arbeit ist international anerkannt und wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt. Prof. Dr. Henning Madry ist ein internationaler Pionier in der Entwicklung von molekularen Therapien zur Behandlung von Knorpeldefekten und Arthrose. Unter seiner Leitung wurde der Lehrstuhl für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung an der Universität des Saarlandes gegründet, der als erster Lehrstuhl seiner Art in Deutschland gilt. Zusammen mit seinem Team arbeitet er daran, geschädigtem Gelenkknorpel und anderen Geweben durch regenerative Therapien ihre ursprüngliche Funktionalität zurückzugeben.

Welche vielversprechenden experimentellen Ansätze verfolgen Sie zur Behandlung von Arthrose und wo sehen Sie Hürden in der klinischen Umsetzbarkeit?

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Bei der Arthrose handelt es sich um eine Gelenkerkrankung, bei der es durch ein Missverhältnis zwischen der Belastung und der Belastbarkeit des Gelenkknorpels zu einer fortschreitenden Zerstörung des gesamten Gelenkes kommt. Im Zentrum steht der progressive Verlust des Gelenkknorpels. Vielversprechende Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass körpereigene Wachstumsfaktoren in der Lage sind, die Knorpelbildung zu stimulieren. Da diese Wachstumsfaktoren jedoch nur wenige Stunden im Gelenk wirken, gehen wir in meiner Arbeitsgruppe noch einen Schritt weiter. Wir schleusen in den Knorpel das genetische Material ein, damit er in der Lage ist, diese Wachstumsfaktoren selbst zu produzieren. Hierbei verwenden wir Technologien, die auch bei der Corona-Impfung angewendet wurden. Die Anwendung dieses Gentransfers im Rahmen der klinischen Routine ist allerdings noch nicht erreicht. Um eine ausreichende Menge eines Medikamentes, das diese Wachstumsfaktoren oder das genetische Material enthält, in das von Arthrose zerstörte Gelenke anzuliefern, erscheint die lokale Applikation durch eine Injektion in das Gelenk am sinnvollsten. Somit ist kein operativer Eingriff erforderlich, und systemische Nebenwirkungen werden minimiert. Auch der optimale Zeitpunkt ist noch nicht klar definiert. Eine Anwendung bei Patientinnen und Patienten in frühen oder mittleren Stadien der Arthrose scheint besonders vielversprechend zu sein, da hier noch ausreichend Knorpel vorhanden ist. Momentan werden diese Verfahren allerdings noch nicht in der klinischen Routine eingesetzt. Es gibt jedoch u.a. in den USA Studien, in denen Patientinnen und Patienten mit entsprechender Therapie in klinischen Studien unter sehr stark kontrollierten Bedingungen behandelt werden.

Es gibt Wissenschaftler, die eine Arthrose als systemische entzündliche Erkrankung verstehen- Ist unter diesem Aspekt Ihr Therapieansatz eine kausale Therapie?

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Sicherlich hat die Arthrose eine entzündliche Komponente und weist auch Charakteristika einer systemischen Erkrankung auf. Die primäre Ursache der Erkrankung ist allerdings das lokale Mißverhältnis zwischen Belastung und Widerstandsfähigkeit, welches zur Zerstörung von Knorpel, Knochen und arthrotischen Veränderungen der Synovialis und, im Kniegelenk, den Menisken führt, woraus auch eine systemische Entzündung resultiert. Daher erscheint eine lokale Therapie des Gelenkknorpels ein auf jedem Fall kausaler Therapieansatz zu sein, obwohl auch andere Faktoren wie Gelenkstabilität und Belastung im weitesten Sinne mit berücksichtigt werden müssen.

Ist die Arthrose eine Erkrankung des höheren Erwachsenenalters?

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Prinzipiell leiden mehr Patienten des höheren Alters an Arthrose, auch wenn die Arthrose auch viele junge Patienten betrifft. Eine Schwierigkeit bei der Arthrose ist jedoch, dass der ursächliche Prozess, nämlich die Gelenkzerstörung, sehr häufig bereits viele Jahre früher beginnt, bevor sich die Erkrankung durch Symptome bemerkbar macht. Das bedeutet, dass auch wenn die Folgen einer Arthrose erst in höherem Alter auftreten, die Erkrankung bereits im jungen Erwachsenen-Alter begonnen haben und langsam fortgeschritten sein kann. Wenn bei einer Person ein höheres Risiko für eine Arthrose vorliegt, bietet es sich an, möglichst frühzeitig die Gelenke zu schonen. Dazu gehört es, Kontaktsportarten zu vermeiden, Übergewicht zu bekämpfen und die Berufswahl an das gelenkspezifische Arthrose-Risiko anzupassen. Es gibt allerdings auch viele ältere Patientinnen und Patienten, die keine Arthrose haben oder deren Arthrose zumeist klinisch relativ stumm verläuft und sie dadurch im Alltag nicht massiv limitiert sind.

Gibt es aus Ihrer Sicht Biomarker, die eine Arthrose vorhersagen können?

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Da die Arthrose durch asymptomatische Phasen gekennzeichnet ist, wäre ein Biomarker, der das individuelle Risiko oder den Beginn einer Arthrose prädiktiv darstellt, absolut wünschenswert. Daher sind Biomarker der Arthrose ist wesentlicher ein Bestandteil der aktuellen Forschung. Leider gibt es noch keinen Parameter oder Test, der sich durchgesetzt hat und in der klinischen Routine anwendbar ist.

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