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VR in der Medizin: Revolutioniertes Lernen und Training

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Interview mit Dr. Miriam Mulders

Über Dr. Miriam Mulders:

Dr. Miriam Mulders arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leitung des Teams "Bildungstechnologien" am Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement (Prof. Kerres) der Universität Duisburg-Essen. Sie befasst sich in ihrer Forschung mit den Potentialen und Herausforderungen von Virtual und Augmented Reality für Lehren und Lernen.

Wie funktioniert eine VR-Brille?

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Wenn der Begriff „VR-Brille“ oder „Virtual-Reality Brille“ fällt, können ganz unterschiedliche Gerätschaften gemeint sein. Einige haben sicherlich die Brillen aus Pappkarton zum Selbst-Zusammenstecken vor Augen, in die man das eigene Smartphone schiebt und ein 360 Grad Bild oder Video betrachten kann, indem man nach oben, nach unten, nach rechts oder links schaut. Andere wiederum werden mit einer „VR-Brille“ eher Head Head-Mounted Displays assoziieren. Das sind technisch hochentwickelte Endgeräte von bekannten Herstellern wie Meta oder HTC, die es Nutzenden ermöglichen, in eine virtuelle Welt einzutauchen, diese frei zu explorieren und mit dieser zu interagieren. Head-Mounted Displays umschließen meist Augen und Ohren. Sie erfüllen das gesamte Sichtfeld und blenden Umweltreize aus der Realität weitgehend aus. Auditive Inhalte der VR werden über integrierte Kopfhörer vermittelt. Die Displays präsentieren jedem Auge ein Bild aus einem leicht unterschiedlichen Blickwinkel. Dies ahmt die natürliche menschliche visuelle Wahrnehmung nach, sodass der stereoskopische Eindruck einer computergenerierten virtuellen Welt entsteht. Die Sensoren der Head-Mounted Displays berücksichtigen Kopfbewegungen und ermöglichen Perspektivwechsel und Bewegungen im Raum. Kombiniert wird dies oft mit Datenhandschuhen, Körperanzügen und Controllern, über deren Funktionalitäten navigiert, selektiert und interagiert wird.

Welche spezifischen Kompetenzen können mithilfe von VR-Brillen besser entwickelt werden?

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VR-Technologien wird ein großes Potenzial zur Gestaltung von Lehr- und Lernszenarien zugesprochen. Es gilt jedoch zu beachten, dass auch wenn die Technologie fasziniert, ihr Einsatz nicht technologiegetrieben geschehen, sondern vielmehr von einem Bildungsproblem in der Praxis ausgehen sollte. Wie können VR-Technologien aber nun konkret und möglicherweise eher als andere mediale Darstellungsformen Kompetenzen vermitteln? In Explorationswelten können authentische und realistische Lernerfahrungen selbstgesteuert, aktiv und häufig spielerisch gesammelt werden. Objekte und Räume, welche für die menschliche Wahrnehmung zu groß oder zu klein oder generell nicht oder kaum zugänglich sind, werden durch VR-Technologien erkundbar. Geografische und zeitliche Barrieren können überwunden werden. Historische Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Planeten, Museen oder auch Teile des menschlichen Körpers können exploriert werden. In Trainingswelten können prozedurales Wissen erworben werden und psychomotorische Fertigkeiten wiederholt trainiert werden, deren Üben in der Realität nicht oder nur selten möglich, zu gefährlich oder zu teuer ist. So können beispielsweise Verhaltensweisen im Brandfall oder medizinische Behandlungsverfahren in VR beliebig oft geübt werden. Dann gibt es noch Experimentierwelten, in denen physikalische Grenzen überwunden und Lernszenarien geschaffen werden, welche in der Realität unmöglich sind. Lernenden wird so ein multiperspektivischer Blick auf naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten (z.B. Schwerkraft) ermöglicht. Experimente können gefahrenlos durchgeführt werden. Fehler dürfen geschehen und sind lernförderlich. Die bisherigen Beispiele haben eher aufgezeigt, wie VR dabei unterstützen kann, komplexe Wissensstrukturen oder prozedurale Fertigkeiten zu vermitteln. In VR-Welten können Lernende aber auch emotional angesprochen werden. Einige VR-Anwendungen bilden die sonst weit entfernten und abstrakt erscheinenden Lebenswirklichkeiten anderer Personen (z.B. von Flüchtlingen, Personen anderer Hautfarben) ab und fordern dazu auf, deren Perspektiven einzunehmen, empathisch die Situation dieser Personen mitzufühlen und eigene Einstellungen zu überdenken.

Gibt es Best-Practice-Beispiele, die den Nutzen und die Chancen von VR-Brillen in der praxisorientierten Ausbildung verdeutlichen?

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Ein Beispiel ist das Projekt „HandLeVR – Handlungsorientiertes Lernen in der VR-Lackierwerkstatt“. Hier lernen angehende Fahrzeuglackierer:innen das Applizieren von Lack auf verschiedenen Werkstücken in VR. In ihrem Ausbildungsalltag sind Übungsgelegenheiten selten, da jeder Übungsgang mit finanziellen und personellen Aufwänden und Umweltschädigungen verbunden ist. Feedback findet selten statt. Die VR-Lackierwerkstatt bietet den Auszubildenden zahllose Übungsgelegenheiten, um Routinen, die viel Übung erfordern, zu festigen. Dabei werden Head-Mounted Displays und im 3D-Druck hergestellte Lackierpistolen genutzt. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von VR in der praxisorientierten Ausbildung ist das Projekt „MARLA – Masters of Malfunction“. In „MARLA“ wird VR in der beruflichen Ausbildung im Bereich Metall- und Elektrotechnik eingesetzt, um Problemlösestrategien bei der Reparatur von Windkraftanlagen zu schulen. Auch hier bietet VR den Vorteil, dass Lernende den witterungsbedingten sowie vielfältigen mechanischen und elektrischen Gefahren bei der Reparatur einer solchen Windkraftanlage nicht ausgesetzt sind, sondern sich im geschützten Raum ausprobieren können.

Wie können VR-Brillen im Medizinstudium genutzt werden, um praktische Fähigkeiten, wie beispielsweise chirurgische Techniken, zu trainieren und zu verbessern?

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Auch im Bereich der Medizin gibt es einige Forschungsprojekte und auch kommerzielle Anbieter, die sich die Möglichkeiten von VR zu Nutzen machen. Zu den zuvor genannten Explorationswelten zählt beispielsweise auch die Anwendung „The Body VR“, die die Nutzenden mit auf eine Reise durch den menschlichen Körper nimmt und über den Blutkreislauf, Sauerstofftransport usw. informiert. Neben solchen Anwendungen, die in medizinischen Berufen die menschliche Physiologie und selbst kleinste Zellstrukturen erfahrbar machen, gibt es auch solche Anwendungen, die praktische Fertigkeiten angehender Mediziner:innen im Umgang mit Patienten oder medizinischen Geräten schulen. So gibt es mittlerweile hochentwickelte VR-Simulationen, mit denen chirurgisch unerfahrene Medizinstudierende, Verfahren wie die Laparoskopie vor Operationen in der Realität virtuell und mit Feedback trainieren können. Auch die Projekte „Heb@AR“ und DiViFaG“ nutzen VR- und auch AR-Technologien, um in den Studiengängen Hebammenkunde und Pflegewissenschaften motorische Fertigkeiten, wie beispielweise die Reanimation von Neugeborenen, zu vermitteln.

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