Über Dorothea Metzen:
Dorothea Metzen ist Doktorandin am Lehrstuhl für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Sie beschäftigt sich mit den neuronalen und genetischen Grundlagen von Intelligenz.
Wie stark beeinflusst die Genetik tatsächlich unsere Intelligenz?
In der Intelligenzforschung schauen wir immer auf Intelligenzunterschiede zwischen Menschen. Grob gesagt sind etwa die Hälfte der Intelligenzunterschiede zwischen Menschen genetischen Ursprungs. Das hat sich vor allem in Zwillingsstudien gezeigt. Eineiige Zwillinge, die genetisch identisch sind, sind sich in ihrer Intelligenz viel ähnlicher als zweieiige Zwillinge, die nur 50% geteiltes Erbgut ihrer Eltern erhalten haben. Wie sehr Gene unsere Intelligenz beeinflussen ist allerdings auch vom Alter abhängig. In der Kindheit erklären Gene 30% der Intelligenzunterschiede, im hohen Alter 80%. Das heißt der Einfluss unserer Gene auf unsere Intelligenz wird mit fortschreitendem Lebensalter immer größer.
Gibt es bestimmte Gene, die direkt mit der Intelligenz in Verbindung gebracht werden können?
Intelligenz ist eine polygene Eigenschaft, das heißt dass es nicht nur ein paar Gene gibt, die unsere Intelligenz beeinflussen, sondern dass hunderte oder sogar tausende Gene unsere Intelligenz beeinflussen. Ein einzelnes Gen hat dabei nur einen ganz kleinen Effekt auf Intelligenz, aber zusammen machen diese Gene dann einen großen Effekt aus. Studien finden immer mehr Gene, die Intelligenz beeinflussen. Sie haben gezeigt, dass diese Gene häufig für bestimmte Eigenschaften des Gehirns zuständig sind. Sie sind zum Beispiel wichtig für die Bildung von Neuronen oder die Bildung von Verbindungen zwischen Neuronen, sogenannte Synapsen. Das zeigt uns, dass der Effekt, den Gene auf unsere Intelligenz haben, vermutlich zustande kommt, weil Gene die Entwicklung und Struktur unseres Gehirns beeinflussen.
Welche Rolle spielen Umweltfaktoren im Vergleich zur Genetik bei der Entwicklung der Intelligenz?
Da Gene ungefähr 50% der Intelligenzunterschiede erklären macht Umwelt die anderen 50% aus. Allerdings sind Gene und Umwelt nicht komplett getrennt voneinander zu betrachten, denn an vielen Stellen interagieren sie miteinander. Stellen wir uns zum Beispiel zwei hochintelligente Menschen vor, die ein Baby bekommen. Dieses Baby wird höchstwahrscheinlich viele Genvariationen erben, die mit einer hohen Intelligenz zusammenhängen. Das Baby wird aber vermutlich auch in eine einkommensstarke Familie geboren, denn Intelligenz und Einkommen hängen positiv miteinander zusammen. Das heißt die Gene der Eltern haben nicht nur Einfluss auf das Erbgut des Kindes, sondern auch auf die Umwelt, in der es aufwachsen wird. Das intelligente Kind wird später vermutlich auch selbst ein Umfeld suchen, welches es herausfordert. Damit haben die Gene des Kindes dann einen Einfluss auf seine Umwelt. Gene und Umwelt zu trennen ist also häufig nicht so einfach und viele ihrer Interaktionen sind noch nicht entschlüsselt.
Ist es denkbar, mit genetische Therapien oder Technologien die Intelligenz zu verbessern?
Das ist deutlich mehr fiction als science. Um einen tatsächlich spürbaren Einfluss auf Intelligenz zu haben, müssten hunderte oder tausende Gene beeinflusst werden. Viele Gene, die mit Intelligenz zusammenhängen, sind schon bei der sehr frühen Entwicklung während der Schwangerschaft am Werk. Das heißt selbst wenn solche Technologien existieren würden, müssten sie wohl vor einer künstlichen Befruchtung stattfinden. Zwar ist es theoretisch möglich, genetisches Material mit Technologien wie CRISPR zu verändern, allerdings ist eine polygene Eigenschaft wie Intelligenz einfach zu komplex dafür.
Letzte Änderung: 25. September 2023
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