Die Geräuschüberempfindlichkeit (lat. Hyperakusis) ist keine eigenständige Erkrankung, sondern lediglich ein Symptom, das aus unterschiedlichsten Gründen entstehen kann.
Eine Hyperakusis liegt vor, wenn Betroffene auf Geräusche von außen mit normaler Lautstärke überempfindlich reagieren, also diese Geräusche als störend und unangenehm empfinden. Diese Überempfindlichkeit kann sich verschieden äußern: Erschrecken, körperliche Erregung (Zunahme des Puls und Blutdrucks, Schweißausbruch…), Zunahme der Muskelspannung (vor allem im Nacken bemerkbar), Abwendung der Schallquelle,…
Eine Geräuschüberempfindlichkeit tritt oft gemeinsam mit einem auf, ist aber weder die Ursache eines Tinnitus, noch ist der Tinnitus der Grund für die Hyperakusis.
Normalerweise werden Geräusche mit einer Lautstärke von unter 70-80 Dezibel (vergleichbar mit leichtem Straßenverkehr) als normal laut empfunden. Die schädigende Schmerzschwelle liegt bei über 120 Dezibel (beispielsweise bei Arbeiten mit Presslufthammer) oder bei über 85 Dezibel (entspricht zirka den Lärm auf einer viel befahrenen Straße), wenn diese Lautstärke über zumindest 8 Stunden gehört wird.
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Geräuschüberempfindlichkeit?
Einer Hyperakusis können einige Ursachen zu Grunde liegen. Oft können behandelnde Ärzte/Innen auf Anhieb jedoch keine Grunderkrankung finden, weswegen eine genaue Beschreibung und Erwähnung zusätzlicher Auffälligkeiten von Patienten/Innen äußerst wichtig sind.
Häufige auslösende Erkrankungen und Faktoren sind:
- Krankheiten im Bereich des Mittel- und Innenohrs Das menschliche Ohr funktioniert, indem der Schall über das äußere Ohr ins Mittelohr und dann ins Innenohr gelangt. Das Mittelohr verstärkt über kleine Knöchelchen (Amboss, Hammer und Steigbügel) die Schallwellen und leitet sie dann ins Innenohr weiter. Im Innenohr befinden sich kleine Sinnes-Härchen (eingebettet in Flüssigkeit), die durch die Schallweiterleitung bei Geräuschwahrnehmung abknicken und dadurch ein Signal, das ins geleitet wird, erzeugen. Eine Schädigung in dieser Region, z.B. der kleinen Knöchelchen, der Sinnes-Härchen oder Störungen der Innenohrflüssigkeit (z.B. bei ) können eine Geräuschüberempfindlichkeit verursachen.
- Störung oder Ausfall von Hirnnerven Der 8. Hirnnerv (lat. Nervus vestibulocochlearis) ist für den Hör- und Gleichgewichtssinn zuständig. Über ihn werden Reize vom Ohr ins Gehirn weitergeleitet. Bei Schädigungen dieses Hirnnervs (z.B. durch ein „Akustikusneurinom“ – eine langsam wachsende Neubildung, die den Nerv abdrückt) kann neben anderen Symptomen, auch eine Geräuschüberempfindlichkeit auftreten. Der 7. Hirnnerv (lat. Nervus facialis) steuert nahezu alle Muskeln im Gesichtsbereich an. Auch im Ohr gibt es einen kleinen Muskel (lat. Musculus stapedius), der bei Tönen über 80 Dezibel durch Anspannung die Mittelohrknöchelchen so versteift, dass die Übertragung des Schalls ans Innenohr als Schutzmechanismus vermindert wird. Bei Störung dieses Muskels (z.B. durch Ausfall des 7. Hirnnervs) werden laute Geräusche deswegen noch lauter wahrgenommen – eine Hyperakusis entsteht.
- Neurologische Erkrankungen des Gehirns Patienten/Innen die an , , Hirntumore oder multipler Sklerose leiden, berichten in einigen Fällen auch über das Symptom der Geräuschüberempfindlichkeit.
- Psychische Erkrankungen Bei Betroffenen mit Angst- und Panikstörungen, Depressionen, emotionaler Überforderung, Neurosen, , posttraumatisches Stresssyndrom und weiteren seelischen Krankheiten, kann eine Geräuschüberempfindlichkeit ein hinweisendes Symptom sein. Bei diesen Patienten ist die Gefahr in einen Teufelskreis zu gelangen besonders groß: Die zu laut wahrgenommenen Geräusche führen zu schreckhaften Reaktionen und zu Angst, deswegen werden laute Geräusche vermieden, was wiederum dazu führt, dass immer leisere Geräusche zur Panik führen. Soziale Kontakte, Kommunikation und Aktivitäten werden dadurch häufig vermieden. Oft wird diese Art der Hyperakusis als die häufigste beschrieben.
- Ursachen „von außen“ Vor allem einige Medikamente können zu Geräuschüberempfindlichkeit führen. Dazu zählen unter anderem Medikamente für psychische Erkrankungen aber auch oder Koffein.
- Erkrankungen durch genetische Defekte Manche genetisch-bedingten Erkrankungen bringen Symptome eines Konzentrationsproblems und Geräuschüberempfindlichkeit mit sich. Hier wäre das Williams-Syndrom, das Cogan-Syndrom oder der Autismus zu erwähnen.
Was sind die Symptome einer Geräuschüberempfindlichkeit?
Symptome einer Geräuschüberempfindlichkeit machen sich hauptsächlich über die Reaktion auf für Betroffene als störend empfundene Geräusche bemerkbar.
Die Reaktionen reichen von Wegwenden von Augen-, Kopf- und Körper von der Reizquelle über Schreckhaftigkeit mit körperlichen Symptomen (Herzjagen, Schweißausbrüche, Unruhe, Mundtrockenheit und Schmerzempfindung im Kopf oder Ohr) bis hin zur chronischen Zunahme der Muskelspannung, die sich vor allem im Nacken bemerkbar macht und nicht selten zu Kopfschmerzen führt. Die Hyperakusis stellt für viele einen psychischen Ausnahmezustand dar!
Je nach Ursache können Begleitsymptome auftreten (z.B. Schwindel, Schwerhörigkeit, Kopfschmerzen,..)
Wie wird die Geräuschüberempfindlichkeit diagnostiziert?
Untersuchungen bei Geräuschüberempfindlichkeit
Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Geräuschüberempfindlichkeit gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte:
Bei der Geräuschüberempfindlichkeit ist eine genaue Anamnese, also die Krankheitsgeschichte, ein wichtiger Punkt, der für die Ursache dieser Missempfindung ausschlaggebend ist. Der Arzt/die Ärztin wird Fragen zu Auftreten, Reaktionen (Schreckhaftigkeit, Herzklopfen), Begleiterscheinungen (Schmerz, Missempfinden) und Entstehungstheorien stellen.
Danach folgt eine Gehörsinn-spezifische Untersuchung. Es wird mit einer sogenannten Reintonaudiometrie das objektive Hörvermögen geprüft, das meist nicht beeinträchtigt ist. Außerdem kann die Lautstärkenschwelle, also die Lautstärke, die ein Unbehagen auslöst, ermittelt werden. Für die meisten Betroffenen einer Hyperakusis werden schon Töne im unteren Lautstärkebereich als störend beschrieben. Mittels Fragebögen kann die subjektive Wahrnehmung der Hyperakusis geprüft werden.
Im weiteren Verlauf wird der Arzt/die Ärztin je nach Zusatz-Symptomen weiterführende Untersuchungen durchführen um die Ursache der Hyperakusis auf den Grund zu gehen. Dazu zählen zum Beispiel die Magnetsresonanztomographie (MRT) des Gehirns oder eine psychiatrische Abklärung.
Therapie bei Geräuschüberempfindlichkeit
Eine Therapie sollte spätestens dann begonnen werden, wenn die überreaktive Geräuschwahrnehmung mit Schreckhaftigkeit und Angst einhergeht um den Teufelskreis von Hyperakusis und sozialer Vermeidung schon am Anfang zu durchbrechen.
Nachdem Hyperakusis keine Erkrankung für sich, sondern ein Symptom verschiedenster Erkrankungen ist, sollte die Behandlung der Grunderkrankung im Fokus liegen (z.B. Hörapparat bei Schwerhörigkeit, psychologische Betreuung…)
Für die Hyperakusis an sich gibt es nach jetzigem Stand der Forschung noch keine wissenschaftlich bewiesene Therapiemöglichkeit, sondern nur Therapieansätze, die in einigen Fällen auf jeden Fall hilfreich sind. Die Gewöhnungstherapie ist ein wichtiger Ansatz: Patienten/Innen müssen zuerst davon überzeugt werden, dass die als unangenehm empfundenen Geräusche keine Gefahr mit sich bringen und, dass eine Vermeidung (vor allem sozialer Kontakte) keine Lösung ist. Viele Patienten/Innen sind mit der Gewissheit, dass die lauten Töne ihrem Gehör oder nicht schaden schon beruhigter.
Dann besteht die Möglichkeit, eine langsame Gewöhnung an die normalen Alltagsgeräusche zu beginnen. Als unterstützende Mittel können kleine Hörgerät-ähnliche Geräte zum Einsatz kommen, mit denen zuerst leise und dann immer lauter werdende Geräusche vorgespielt werden, bis die Patienten/Innen lernen, die unangenehm lauten Geräusche wieder als normal zu empfinden.
Erst kürzlich durchgeführte Studien geben den Hinweis, dass eine kognitive Verhaltenstherapie die bestmöglichsten Verbesserungen einer Geräuschüberempfindlichkeit bringt.
Wie ist die Prognose einer Geräuschüberempfindlichkeit?
Menschen, die von einer Hyperakusis betroffen sind, befinden sich oft in einem emotionalen Ausnahmezustand: Stress sowie seelisches oder psychisches Ungleichgewicht sind häufige Auslöser einer Geräuschüberempfindlichkeit. Bei angemessener psychologischer Therapie ist ein normales Leben ohne Einschränkungen durch die Hyperakusis durchaus führbar.
Sollte die Ursache der Hyperakusis organische Schäden des Innen- oder Mittelohrs oder des Gehrins oder Nerven sein, sind die Prognosen unterschiedlich, können aber bei frühzeitigem Erkennen und ausreichender Therapie in den vielen Fällen gut behandelt werden.
Daher ist bei ersten Anzeichen einer Geräusch-Unverträglichkeit ein Besuch beim Arzt/der Ärztin angebracht.
Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einer Geräuschüberempfindlichkeit
Eine Gewöhnung an die als zu laut wahrgenommenen, aber nicht schädlichen Geräusche ist die bestmöglichste Herangehensweise zur Bekämpfung einer Geräuschüberempfindlichkeit. Beruhigende Techniken, wie Yoga oder Mediation helfen vielen Betroffenen mit dem störenden Faktor der Geräuschüberempfindlichkeit klar zu kommen.
Am wichtigsten ist, sich frühzeitige Hilfe zu suchen, noch bevor man in den Teufelskreis von Geräuschüberempfindlichkeit und –vermeidung kommt.
Empfehlungen zur Nachsorge bei einer Geräuschüberempfindlichkeit
Sowohl die Verhaltenstherapie als auch die Gewöhnungstherapie sind in der Regel sich über Monate erstreckende Behandlungen, weswegen eine regelmäßige Therapiesitzung (zirka für 1 Jahr) unumgänglich ist.
Andere Ursachen der Hyperakusis erfordn auch unterschiedliche Behandlungen und damit unterschiedliche Nachsorgen. Wenn beispielweise eine Bestrahlung oder Operation (z.B. wegen eines seltenen Akustikusneurinoms) erforderlich ist, werden Patienten/Innen danach zu regelmäßigen Nachkontrollen aufgefordert.
Zusammenfassung
Die Geräuschüberempfindlichkeit ist ein Symptom, das durch verschiedene Krankheiten (sowohl Hörschäden, als auch neurologische oder psychische Gründe) verursacht werden kann. Es ist im Grunde harmlos, kann aber bei Betroffenen zu einem Vermeidungsverhalten und damit Verhinderung sozialer Kontakte und Vereinsamung führen. Die Therapie richtet sich grundsätzlich nach der Grunderkrankung, ist allerdings häufig schwierig und noch nicht ausreichend erforscht, wobei laut jetzigem Wissensstand eine kognitive Verhaltenstherapie die bestmögliche Option zur Behandlung einer Hyperakusis ohne organische Schäden darstellt.