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Tinnitus

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Geschrieben von
Jessica Papic (Ärztin)

Jeder vierte Deutsche ist mindestens einmal im Leben von Tinnitus (aurium), Ohrgeräuschen, Ohrensausen oder Ohrenklingeln betroffen. Betroffene leiden an Ohrengeräuschen, für die man keine Schallquelle feststellen kann.

Daher werden die Ohrgeräusche beim Tinnitus auch als Phantomgeräusche bezeichnet. Es gibt verschiedene Arten an Geräuschen, beispielsweise kommt es zu Knarren, Rauschen, Knistern, Brummen, Zischen oder Klingeln.

Man unterscheidet zwischen dem akuten Tinnitus mit weniger als 3 Monaten Dauer und dem andauernden (chronischen) Beschwerden, die länger als 3 Monate anhalten. Neben den Ohrgeräuschen kann es zur Minderung der Hörleistung kommen (kochleäre Schwerhörigkeit). Außerdem empfinden Betroffene Töne und Geräusche häufig schneller als unangenehm laut (Hyperakusis ).

Um einige Aspekte des Tinnitus besser verstehen zu können, kann es hilfreich sich den Aufbau des Ohrs grob vorstellen zu können. Geräusche und Töne werden mithilfe der Ohrmuschel in den Gehörgang geleitet.

Am Ende des Gehörgangs befindet sich das Trommelfell, das durch gehörte Dinge (akustische Reize) in Schwingung versetzt wird. Hinter dem Trommelfell schließt sich das sogenannte Mittelohr an.

Die Schwingung des Trommelfells wird über eine Kette aus 3 kleinen Knöchelchen an das Schneckenhaus-förmige Innenohr weitergeleitet. Im Innenohr werden die gehörten Eindrücke (auditive Reize) in elektrische Signale übersetzt. Diese Signale können dann über Nervenverbindungen ans Gehirn weitergeleitet und dort weiterverarbeitet werden.

Hinweis

Tinnitus kann eine starke Belastung für die Betroffenen darstellen und schränkt häufig die Lebensqualität stark ein. Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen und Arbeitsunfähigkeit können Folgen einer Tinnituserkrankung sein.

Tinnitus Schweregrade

Der Tinnitus wird in 4 verschiedene Schweregrade eingeteilt:

Schwacher Tinnitus, der noch gut vom Körper ausgeglichen (kompensiert) werden kann, den Betroffenen also nicht weiter stört.

Beschwerden werden noch weitestgehend vom Körper ausgeglichen, in Ruhe beziehungsweise bei Stille fallen die Beschwerden den Betroffenen jedoch deutlich auf.

Beschwerden beeinträchtigen die Patienten andauernd in Berufs- und Privatleben, es kommt zu kognitiven, emotionalen und körperlichen Problemen.

Anhaltende, intensive Beschwerden schränken Betroffene massiv ein, es kommt zu sozialem Rückzug, Arbeitsunfähigkeit und häufig zu ernsthaften psychischen Störungen wie Depressionen oder/und Angst-Störungen.

Ursachen von Tinnitus

Der wohl häufigste Grund für eine Schallleitungsstörung, die mit Tinnitus einhergehen kann, ist ein einfacher Pfropf aus Ohrenschmalz (Cerumen). Manche Menschen neigen vermehrt dazu, solche Cerumen auszubilden, während dies bei anderen Personen sehr selten geschieht.

Wenn die Ohren regelmäßig mit Wattestäbchen gereinigt werden, kann dabei Ohrenschmalz in Richtung Trommelfell geschoben werden. Dort kann es aushärten und den Gehörgang verstopfen. Außerdem können banale Erkältungskrankheiten wie Schnupfen Ohrgeräusche provozieren.

Dies geschieht vor allem dann, wenn die Ohrtrompete oder Tube, also der Verbindungsgang zwischen dem Mittelohr und dem Nasenrachenraum, dicht ist. Wenn die Nase dann mit abschwellendem Nasenspray behandelt wird, bildet sich in der Regel auch der Tinnitus zurück.

Darüber hinaus zählt die Nasennebenhöhlenentzündung zu den häufigsten Ursachen für das Auftreten eines Tinnitus. Die Nasennebenhöhlenentzündung kann nämlich auf das Mittelohr übergehen und dort zu einer Mittelohrentzündung führen.

Die Mittelohrentzündung kann sich dann unter Umständen auch auf das Innenohr ausbreiten und dort entzündliche Prozesse generieren. Entzündungen im Bereich des Innenohrs stehen jedoch häufig auch in Verbindung mit Verletzungen oder Tumoren.

Achtung

Wenn im Innenohr entzündliche Prozesse vorliegen, entwickeln sich bei den Betroffenen neben dem Tinnitus auch starke Ohrenschmerzen, Schwerhörigkeit und ein Schwindelgefühl. Je nach Ausprägung der Entzündung kann es zudem zu Fieber und einem starken Krankheitsgefühl kommen.

Junge Menschen neigen häufig dazu, ihre Ohren hohen Belastungen auszusetzen. Zum Beispiel beim Hören sehr lauter Musik und dem Besuchen von Konzerten wird das Ohr enormen Schallwellen ausgesetzt, die das Hörvermögen langfristig schädigen können.

Infolgedessen entstehen häufig auch Ohrgeräusche in Form eines Tinnitus. Dies gilt auch für sogenannte Knall- und Explosionstraumata. Eine weitere Ursache für die Entstehung eines Tinnitus, die sehr häufig beobachtet werden kann, ist der sogenannte Hörsturz.

Betroffene Patienten leiden dabei an einer plötzlich auftretenden Hörstörung, einem Druckgefühl im Ohr, vermehrter Geräuschempfindlichkeit, Schwindel und Tinnitus. Ein Hörsturz muss umgehend behandelt werden. Außerdem sind solche Ohrengeräusche im Rahmen einer genetisch bedingten Innenohrerkrankung möglich.

Darüber hinaus können Tumorerkrankungen ursächlich sein. In ungefähr einem Prozent der Fälle kann bei Patienten, die an Ohrgeräuschen leiden, ein sogenanntes Akustikusneurinom gefunden werden. Bei einem Akustikusneurinom handelt es sich um einen gutartigen Hörnerv, der im Bereich des Hörnervs entsteht. Oftmals führen auch Veränderungen der Druckverhältnisse im Ohr zu der Entstehung eines Tinnitus.

Derartige Druckveränderungen können zum Beispiel beim Fliegen oder Tauchen auftreten. Die Menière Krankheit, die neben dem Tinnitus auch zu Schwindelattacken und Hörverlust führt, zählt ebenfalls zu den wichtigsten Ursachen für das Auftreten von Ohrgeräuschen.

Bei dieser Erkrankung kommt es auch unklaren Gründen zu Ansammlungen der normalerweise gleichmäßig zirkulierenden Innenohrflüssigkeit. In der medizinischen Fachsprache nennt man das einen Hydrops. Typisch für die Menière Krankheit sind Attacken von Drehschwindel, die häufig mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Betroffen sind in der Regel eher junge Menschen.

Diagnose von Tinnitus

Untersuchungen im Überblick

Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen eines Tinnitus gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte. Zu Beginn findet zumeist ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) statt.

Im Zuge dieses Gesprächs sollten die bei dem Patienten vorliegenden Ohrgeräusche so genau wie möglich beschrieben werden. Darüber hinaus ist es besonders wichtig, auch die möglicherweise vorliegenden Begleitbeschwerden, wie zum Beispiel ein Hörverlust oder Schwindelgefühle, zu benennen.

Im Anschluss ist es die Aufgabe des Arztes zu prüfen, ob diese Beschwerden mit einer der möglichen Ursachen für die Entstehung eines Tinnitus in Zusammenhang stehen können oder ob die Zusammenschau aller vorliegenden Symptome eher auf eine andere Erkrankung hindeutet.

Im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch findet eine orientierende körperliche Untersuchung statt. Wenn der Verdacht auf das Vorliegen eines Tinnitus besteht, liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchung auf den Ohren und der Hörfähigkeit.

Der HNO-Arzt untersucht zum Beispiel den äußeren Gehörgang und das Trommelfell mit einem Ohrmikroskop. Auf diese Weise kann er bestehende Veränderungen besonders schnell erkennen. Auch der Nasen- und Rachenraum wird während der Untersuchung genau inspiziert.

In Fällen, in denen der Betroffene die Ohrgeräusche als pulsierend wahrnimmt, hört der Arzt das Ohr und die Halsschlagader auf der entsprechenden Seite ab.

Darüber hinaus sollte bei jedem Fall von Tinnitus ein sogenanntes Audigramm erstellt werden. Auf diese Weise kann besonders zuverlässig geprüft werden, ob eine Hörminderung vorliegt.

Wann sollte man bei Tinnitus zum Arzt gehen?

Tinnitus sollte möglichst frühzeitig behandelt werden, um zu verhindern, dass die Beschwerden dauerhaft auftreten (chronifizieren). Gab es ein Ereignis, das den Tinnitus erklärt, wie beispielsweise ein lautes Konzert, kann man circa 2 Tage warten, ob es von allein zur Linderung der Beschwerden kommt.

Ohrgeräusche verschwinden häufig von allein wieder. Es gibt aber einige Anzeichen dafür, wenn bei Tinnitus besser ein Arzt hinzugezogen werden sollte, nämlich bei Tinnitus ohne erkennbare Ursache. Das bedeutet, wenn die Ohrgeräusche plötzlich einsetzen, ohne dass das Ohr zuvor Lärm ausgesetzt war.

Auch wenn die Probleme wiederkehrend auftreten, sollte dringend ein Arzt zurate gezogen werden. Häufig halten die Ohrgeräusche über mehrere Tage an, auch dies sollte zu einem Arztbesuch führen.

Behandlungsmöglichkeiten bei Tinnitus

Behandlungsmöglichkeiten im Überblick

Die Aufklärung über die Erkrankung, die Psychoedukation (im Fall des Tinnitus auch Tinnitus-Counselling), ist beim Tinnitus sehr wichtig.

Außerdem sollte unbedingt Gehörschutz in entsprechenden Situationen ist nicht nur bei bereits vorliegender Tinnituserkrankten wichtig. Der Einsatz von Gehörschutz kann (weitere) Schädigungen des Gehörs verhindern.

Ist bei einem individuell-empfundenen (subjektiven) Tinnitus die Ursache bekannt, wird nach Möglichkeit diese Ursache entsprechend behandelt (kausale Tinnitustherapie).

Ist beispielsweise das Innenohr verantwortlich für die Beschwerden, können durchblutungsfördernde Medikamente zum Einsatz kommen. Solche Medikamente sollen dazu beitragen, dass der Bereich der Ohren besser mit Blut und Sauerstoff versorgt wird.

Diese Behandlungsmethode kann aber auch bei Tinnitus unbekannter Ursache ausprobiert werden. Ist ein erhöhter Blutdruck (Hypertonie) für die Ohrgeräusche verantwortlich, versucht man mit blutdrucksenkenden Medikamenten diesen Blutdruck zu senken und so den Tinnitus zu lindern.

Physiotherapeutische Behandlung ist insbesondere sinnvoll, wenn orthopädische Funktionsstörungen wie Fehlstellungen oder Verletzungen der Halswirbelsäule für den Tinnitus verantwortlich sind.

Auch Fehlstellungen und Beschwerden des Gebisses beziehungsweise der Kiefer und Kiefergelenke kann Ohrgeräusche hervorrufen. In diesem Fall ist eine kieferorthopädische Behandlung die Therapie der Wahl.

Auch bei einem messbaren (objektiven) Tinnitus (Ohrgeräusche, die auch von einem Untersucher wahrnehmbar sind) wird ebenfalls möglichst die Ursache - also die körpereigene Schallquelle (z.B. Strömungsgeräusche des Blutes bei Gefäßverengung, Tumor) behandelt.

Dafür kann zum Beispiel ein mikrochirurgischer Eingriff und/oder eine Strahlentherapie notwendig sein.

Da Stress und psychische Erkrankungen die Entstehung eines Tinnitus fördern, aber auch Symptome verschlimmern können, können verschiedene Entspannungs-Techniken gegen die Beschwerden helfen.

Darüber hinaus ist auch bei Tinnitusleiden die Teilnahme an Selbsthilfegruppen vor allem zu Beginn für die meisten Patienten eine große Hilfe. Offizielle Beratungsangebote können beispielsweise unter Deutsche Tinnitus-Liga e.V.

Mitunter kommen auch spezielle Hörtherapien zum Einsatz. Im Rahmen dieser Therapie soll mithilfe verschiedener Hörübungen eine Gewöhnung an den Tinnitus (Tinnitus-Habituation) gefördert werden.

Außerdem wird den Patienten der Umgang mit einem Hörgerät hierdurch erleichtert. Ein Hörgerät erhalten Betroffene, wenn zusätzlich zu den Ohrgeräuschen auch eine Minderung der Hörleistung besteht.

Die Tinnitus-Retraining-Therapie besteht aus Tinnitus-Counselling (Beratung und Aufklärung), Hörtherapie (zum Beispiel Verhaltenstherapie)

Zusammenfassung

Tinnitus ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das auf eine Störung im auditorischen System hinweist. Das typische Symptom ist ein Ohrensausen oder Ohrenrauschen. Ein anhaltender Tinnitus muss daher unbedingt ärztlich untersucht werden.

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