Die chronische Migräne mit oder auch ohne Aura stellt die häufigste Kopfschmerzform des Erwachsenen dar. Die Erkrankung zeigt sich im Regelfall mit periodisch auftretenden, attackenartigen Kopfschmerzen und zahlreichen Begleitsymptomen.
Die Migräne ist mit etwa 8 Millionen Betroffenen in Deutschland eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Männer sind von der Erkrankung seltener betroffen als Frauen. In der weiblichen Bevölkerung liegt die Prävalenz der Migräne bei 12-15 %, in der männlichen Bevölkerung im Gegensatz dazu nur bei 6-8 %.
Der Manifestationsgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Pathophysiologie der Migräne ist noch nicht eindeutig geklärt.
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Migräne?
Nach derzeitigen Modellen entsteht die Symptomatik der Migräne durch ein vorübergehendes Ausfallen des im Hirnstamm gelegenen Zentrums periaquäduktales Grau (PAG), welches antinozizeptive (schmerzlindernde) Eigenschaften aufweist. Durch die reduzierte Aktivität oder den Ausfall des PAG können Schmerzreize, die ansonsten gefiltert oder inhibiert werden, ins Bewusstsein gelangen.
Durch die fehlende Aktivität des PAG werden schon vor der eigentlichen Schmerzsymptomatik offensichtlich auch Bahnsysteme der serotonergen Bahnen des limbischen Systems aktiviert. Die Aktivierung dieser serotonergen Bahnsysteme erzeugt vermutlich die Vorläufersymptome (Prodromalsymptome) wie Stimmungsveränderungen und Heißhungerattacken.
Die Mechanismen der Aura, welche fakultativ bei Migräne auftritt, sind bereits gut verstanden. Bei der Aura handelt es sich um eine Depolarisationswelle, die im äußersten Teil des Gehirns beginnt (Kortex) und sich in einer Geschwindigkeit von 2-3 mm/min nach frontal (gesichtswärts) bewegt. Die Depolarisationswelle, die Zellen depolarisiert (entladet), hinterlässt daraufhin Zellen, die für einige Minuten nicht erregt werden können und hält sich dabei nicht an die Versorgungsgebiete der hirnversorgenden Gefäße. Bis zu einer vollständigen Wiederherstellung der normalen Hirnfunktion nach einer Aura dauert es im Tiermodell bis zu 3 Stunden.
Was sind die Symptome einer Migräne?
Eine Migräneattacke kann grob in vier verschiedene Phasen eingeteilt werden:
- Eine initiale Vorläuferphase, welche Stimmungsschwankungen oder Heißhunger umfassen kann, und 24-48 Stunden vor der eigentlichen Kopfschmerzphase auftreten kann.
- Eine Auraphase, die entweder visuell, sensibel oder motorisch sein kann und circa 20 - 45 Minuten anhält.
- Der eigentliche Kopfschmerz, klassischerweise heftig und einseitig, mit pulsierendem Charakter.
- Die Phase nach der Migräneattacke (postiktale Phase).
Im Mittelpunkt der Migräne stehen für die meisten Betroffenen jedoch die heftigen, anfallsartigen Kopfschmerzen, die typischerweise mit unangenehmen Begleitsymptomen verknüpft sind. Häufig sind Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit. Bei etwa zwei Drittel der Betroffenen kommt es zu einem pulsierenden, pochenden, halbseitigen Kopfschmerz. Der Kopfschmerz kann allerdings auch beidseitig auftreten, oder während der Episode die Seite wechseln.
Die Migräneepisode dauert definitionsgemäß zwischen 4 und 72 Stunden und häufig treten bis zu 48 Stunden vor der eigentlichen Attacke Vorläuferzeichen (Prodromalzeichen) auf. Die Vorläuferzeichen umfassen Heißhunger, Stimmungsschwankungen, euphorische Gefühle oder vermehrter Harndrang (Polyurie).
Zur Klassifikation der Migräne können zudem noch folgende Arten unterschieden werden: die retinale Migräne, die chronische Migräne, der Status migränosus, Migräne bei Kindern und persistierende Aura ohne Hirninfarkt. Bei der retinalen Migräne entwickeln Betroffene beispielsweise eine monokuläre (einseitige) Visusstörung mit Skotomen oder im schlimmsten Fall sogar eine Blindheit. Diese Störung ist jedoch nur vorübergehend und verschwindet nach einigen Stunden wieder komplett. Die Diagnose muss im migräne-freien Intervall durch einen Ausschluss von anderen möglichen Ursachen für die vorübergehende Blindheit erfolgen.
Wie wird die Migräne diagnostiziert?
Untersuchungen bei Migräne
Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Migräne gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte:
Zu Beginn findet zumeist ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) statt. Im Zuge dieses Gesprächs sollten alle bei dem Patienten vorliegenden Beschwerden so genau wie möglich beschrieben werden. Im Falle der Migräne können das zum Beispiel Kopfschmerzen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sein.
Darüber hinaus ist es besonders wichtig, auch die möglicherweise vorliegenden Begleitbeschwerden zu benennen. Im Anschluss ist es die Aufgabe des Arztes zu prüfen, ob diese Beschwerden mit einer Migräne in Zusammenhang stehen können oder ob die Zusammenschau aller vorliegenden Symptome eher auf eine andere Erkrankung hindeutet. Personen, die an einer Migräne leiden, kämpfen neben den Kopfschmerzen besonders häufig mit .
Im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch findet eine orientierende körperliche Untersuchung statt. Wenn der Verdacht auf das Vorliegen einer Migräne besteht, liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchung im Bereich der Neurologie. Im Zuge der Diagnostik ist es besonders wichtig, die Migräne gegen andere Kopfschmerztypen abzugrenzen. Ähnliche Beschwerden wie bei einer Migräne können zum Beispiel bei Spannungs- und Clusterkopfschmerzen vorliegen.
Darüber hinaus ist es besonders wichtig, andere Erkrankungen als Ursache der bei dem betroffenen Patienten vorliegenden Beschwerden auszuschließen. Dabei spielen vor allem Tumore, Entzündungen oder Verletzungen im Kopfbereich eine entscheidende Rolle.
Wenn die Verdachtsdiagnose auch nach dem Arzt-Patienten-Gespräch und der körperlichen Untersuchung bestehen bleibt, können weitere gezielte diagnostische Maßnahmen angesetzt werden. Die gesamte Zusatzdiagnostik inklusive Bildgebung, Ultraschall, EEG, Labor und neurophysiologischen Untersuchungen dient meist der Ausschlussdiagnostik in Bezug auf andere Erkrankungen. Die neurologische und allgemeinmedizinische Untersuchung sollte unauffällig sein.
Therapie bei Migräne
Die Akutbehandlung der Migräne erfolgt entweder durch Analgetika oder durch spezifische Migränemedikamente. In Deutschland behandeln etwa 80 % der Migränepatienten ihre Kopfschmerzen mit peripher wirksamen Schmerzmitteln wie NSARs. Sollten Betroffene damit eine gute Schmerzreduktion oder sogar eine Schmerzfreiheit erreichen, sind diese Substanzen ausreichend.
Mögliche Präparate sind , , Naproxen, Ketoprofen, Diclofenac, Metamizol oder Paracetamol. Die Wirksamkeit der meisten Analgetika kann eine zusätzliche Gabe von Protiketika/Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon verbessert werden, da diese Substanzen die Resorption deutlich erhöhen. Zudem haben viele Betroffene Symptome wie , auch hier bieten sich diese Präparate an.
Als spezifische Migränemedikamente in der Akutbehandlung werden meist die Triptane eingesetzt, welche anfangs der 90er-Jahre eingeführt wurden. Seit 1993 wurden insgesamt 7 verschiedene Triptane eingeführt (Sumatriptan, Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Almotriptan, Eletriptan und Frovatriptan). Vergleichsstudien zwischen den Triptanen und Ergotaminpräparaten fielen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und des Nebenwirkungsspektrums in allen Fällen zugunsten der Triptane aus.
Die Triptane können dabei in unterschiedlichen Darreichungsformen eingenommen werden (Tablette, Schmelztablette, subkutane Injektion, Nasenspray oder Suppositorium). In Vergleichsstudien zwischen NSARs und Triptanen waren die Triptane dagegen nicht immer überlegen, sie zeigten jedoch häufiger eine konsistentere Wirksamkeit über mehrere Attacken hinweg.
Für Patienten, die besonders unter Übelkeit und Erbrechen leiden, eignen sich subkutane oder intranasale Darreichungsformen. Triptane sollten erst nach einer abgelaufenen Aura eingenommen werden, da die Präparate eine Aura nicht beeinflussen können. Ein triptanspezifisches Problem ist der Wiederauftritt des Kopfschmerzes innerhalb eines Zeitfensters von 2 bis 24 Stunden nach erfolgter Therapie (sogenanntes sekundäres Therapieversagen).
Bei sekundärem Therapieversagen sollte eine zusätzliche Einnahme von Analgetika in ausreichender Dosierung erfolgen, beispielsweise 600-800 mg Ibuprofen. Die Triptane waren ein Zufallsprodukt der kardiovaskulären Forschung.
Häufig muss eine Akuttherapie um eine Prophylaxe ergänzt werden. Mehrere Studien und die klinische Erfahrung befürworten einen Beginn mit einem migräneprophylaktischen Mittel. Ziel ist es, die Einnahme-Frequenz und die Gesamtdosis an Triptanen, NSARs und Analgetika für jeden Patienten auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Folgende Punkte rechtfertigen den Einsatz einer Migräneprophylaxe:
- mehr als zwei Migräneattacken pro Monat.
- Migräneattacken, die länger als 48 Stunden anhalten (prolongierte Attacken).
- Therapieversagen von Akutmedikation.
- komplizierte Migräne.
- sozioökonomische Aspekte wie beispielsweise die Gefährdung des Arbeitsplatzes durch häufige Attacken.
Der Erfolg oder Misserfolg einer prophylaktischen Therapie wird von Betroffenem zu Betroffenem unterschiedlich beurteilt. Der Therapieerfolg kann beispielsweise mithilfe eines Kopfschmerz-Tagebuches objektiviert werden. Bei der medikamentösen Prophylaxe-Therapie unterscheidet man zwischen Mitteln der ersten und Mitteln der zweiten Wahl.
Mittel der ersten Wahl sind beispielsweise die Beta-Blocker Propanolol und Metoprolol, Flunarizin, Valproinsäure und Topiramat. Die Empfehlung für Beta-Blocker beruht auf umfangreiche Studien, die diesen Substanzen bei der Migräneprophylaxe eine hohe Wirksamkeit attestiert haben. Der Einsatz von Valproinsäure erfolgt derzeit noch Off-label. Metoprolol wird typischerweise in einer Dosierung von 50 bis 200 mg pro Tag eingesetzt. Propranolol kommt im Gegensatz dazu in einer Dosierung von 40 bis 240 mg pro Tag zum Einsatz.
Die Mittel der zweiten Wahl sind entweder nicht so wirksam wie die Mittel der ersten Wahl, sind denen unterlegen oder ihre Wirksamkeit ist nicht ausreichend durch Studien belegt. Ein Beispiel ist hier die Acetylsalicylsäure, die in einer Dosis von 300 mg wahrscheinlich eine geringe migräneprophylaktische Wirkung hat. Andere Prophylaxe-Mittel der zweiten Wahl sind Antidepressiva wie Amitriptylin, Gabapentin, Naproxen, Magnesium, Mutterkraut und Pestwurz. Weiters gibt es eine Reihe von nicht-medikamentösen Therapiemöglichkeiten wie Akupunktur, mögliche Therapieversuche mit Homöopathie, Verhaltensmaßnahmen beziehungsweise Änderungen in der Lebensführung, Psychotherapie, Osteopathie und osteokraniale Therapie.
Wie ist die Prognose einer Migräne?
Die Prognose unterscheidet sich von Betroffenem zu Betroffenem, wobei durch eine prophylaktische Therapie die Frequenz der Migräneattacken häufig gesenkt werden kann und somit die Lebensqualität deutlich erhöht wird.
Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einer Migräne
Mögliche Hausmittel sind alle schmerzlindernden Mittel wie Ingwertee oder Kaffee mit Zitrone (Koffein).
Empfehlungen zur Nachsorge bei einer Migräne
Die Nachsorge/Kontrolle beziehungsweise eine Anpassung der Therapie erfolgt beim behandelnden Neurologen.
Zusammenfassung
Die Migräne stellt die häufigste primäre Ursache für Kopfschmerzen im Erwachsenenalter dar. Die Erkrankung tritt attackenförmig auf, wobei dem pulsierenden, meist einseitigen Kopfschmerz eine Aurasymptomatik vorausgehen kann. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit schmerzlindernden Mitteln und gegebenenfalls mit einer Prophylaxetherapie.