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Zu viel Schlaf: Gibt es körperliche Nebenwirkungen?

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Geschrieben von
Inga Jerrentrup (Ärztin)

Ausreichend und erholsamer Schlaf stellt die Basis für einen energiegeladenen, erfolgreichen Tag dar und ermöglicht es uns, im Alltag Bestleistungen zu erbringen. Im Nachtschlaf regenerieren wir sowohl körperlich als auch physisch und können am nächsten Tag entspannt den alltäglichen Aufgaben entgegenblicken.

Vielen von uns ist bewusst, dass das Verständnis von einer ausreichenden Schlafdauer stark von dem anderer Menschen abweichen kann. Doch wie viel Nachtsschlaf benötigt der Mensch eigentlich? Und mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn wir länger als nötig schlafen?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, beschäftigt sich dieser Artikel zunächst mit den Grundlagen der Schlafregulation sowie den Funktionen unseres Schlafs.

Wie wird unser Schlaf reguliert?

Mechanismen zur Regulation der täglichen Schlafdauer

Laut aktuellem Forschungsstand existieren mehrere Mechanismen, welche zur Regulation der täglichen Schlafdauer beitragen. Es ist davon auszugehen, dass diese Mechanismen zusammenwirken und gemeinsam die Anzahl der geschlafenen Stunden sowie die Uhrzeit, zu der wir einschlafen und auch aufwachen, vorgeben.

Ein wichtiges Molekül in der Regulation der Schlafdauer ist Adenosin. Adenosin ist das Produkt vieler energieverbrauchender Reaktionen, die in unseren Körperzellen stattfinden. Im Rahmen dieser natürlichen Stoffwechselprozesse kommt es somit zu einer Ansammlung von Adenosin in den Zellen.

Je länger unsere Wachphase andauert, desto mehr Adenosin sammelt sich an. Im Zwischenhirn, genauer gesagt im Hypothalamus, der eine wichtige Schaltzentrale vieler Körperfunktionen darstellt, führt ein Anstieg der Adenosin-Konzentration zu zunehmender Müdigkeit und schlussendlich zur Einleitung des Non-REM-Schlafs.

Vielen bekannt sind im Zusammenhang mit dem Thema Schlaf die Begriffe Lerche und Eule. Unter Lerchen versteht man in der Schlafforschung Menschen, denen es leicht fällt, früh aufzustehen und die bereits innerhalb kürzester Zeit leistungsfähig sind. Abends werden Lerchen schneller müde und gehen bereits frühzeitig zu Bett.

Eulen hingegen sind abends häufig lange wach, benötigen dafür morgens lange, um wach zu werden und in den Tag starten zu können. Diesen Ausprägungen liegt unser circadianer Rhythmus zugrunde, der häufig auch als innere Uhr bezeichnet wird.

Der circadiane Rhythmus beschreibt den Zusammenhang vieler unserer Körperfunktionen, jedoch vor allem unseres Schlaf-Wach-Rhythmus, mit der Tageszeit. Dabei ist unser Rhythmus auf eine Periodenlänge von circa 24 Stunden synchronisiert und zunächst ein innerer Prozess, der weitestgehend unabhängig von äußeren Faktoren, wie zum Beispiel der Helligkeit, abläuft.

Auch unsere innere Uhr hat ihren Sitz im Zwischenhirn, genauer gesagt im Hypothalamus. Dort kommt es über eine Verarbeitung der Lichtreize, welche über Nervenzellen der Augen weitergeleitet werden, zu einer Synchronisation unseres körpereigenen Rhythmus, welcher wie oben erwähnt nur circa 24 Stunden beträgt, mit dem Tag-Nacht-Rhythmus.

Hinweis

Im Alltag werden wir uns unseres eigenen circadianen Rhythmus meist nicht bewusst. Erst wenn es zum Beispiel zur Uhrumstellung zwischen Winter- und Sommerzeit kommt oder nach langen Flugreisen mit der Überschreitung verschiedener Zeitzonen, fühlen wir uns häufig matt und abgeschlagen. Dies liegt in der Abweichung von unserem gewöhnten Rhythmus begründet.

Individuelle Schlafdauer

Unser Schlafbedarf ist von zahlreichen Faktoren abhängig:

Zunächst handelt es sich um eine sehr individuelle Größe, die sich von Mensch zu Mensch teils stark unterscheiden kann. So starten manche Menschen bereits nach sechs Stunden Nachtschlaf erholt und ausgeruht in den nächsten Tag. Andere wiederum benötigen dafür neun Stunden.

Wissenswert

Nach anstrengenden körperlichen Tätigkeiten schlafen wir meist länger, was unter anderem an einer stärkeren Ansammlung von Adenosin liegt. Auch andere äußere Faktoren wie zum Beispiel Lichteinflüsse, Stress, Temperatur und unser psychisches Wohlbefinden nehmen Einfluss auf unsere Schlafdauer.

Gibt es eine optimale Schlafdauer?

Die Angaben über die optimale Schlafdauer eines Menschen weichen je nach Quelle voneinander ab: Meist wird eine regelmäßige Schlafdauer von sechs bis neun Stunden empfohlen.

Wissenswert

Amerikanische und chinesische Forscher führten kürzlich eine Studie durch, im Rahmen derer 500.000 Erwachsene im Alter von 38 bis 73 Jahren untersucht wurden. Es konnte gezeigt werden, dass eine optimale geistige Leistungsfähigkeit bei durchschnittlich sieben Stunden Schlaf erreicht wird. Probanden, welche kürzer oder länger als sieben Stunden schliefen, schnitten in Tests bezüglich Aufmerksamkeit, Merkfähigkeut und Problemlösung schlechter ab. Weiterhin kam es mit stärker abweichender Schlafdauer zur Zunahme psychischer Probleme.

Funktionen des Schlafs

Die genauen Funktionen unseres Schlafes sind weiterhin Gegenstand der aktuellen Forschung. Bisher konnten sie nicht abschließend entschlüsselt werden.

Die wichtigste Funktion unseres Schlafes scheint zunächst die köperliche und auch geistige Erholung zu sein. Während wir schlafen, reduziert sich unser Energieverbrauch um circa 10 Prozent, sodass die Energiereserven unserer Zellen in dieser Zeit aufgefüllt werden können.

Auch unser Immunsystem profitiert von den nächtlichen Ruhephasen: Tierversuche ergaben, dass Tiere, welche unter Schlafentzug litten, eine schlechtere Immunabwehr gegenüber Infekten aufwiesen.

Hinweis

Die bisher am besten wissenschaftlich belegte Funktion unseres Schlafes ist die Prägung und Stärkung unseres Gedächtnis.

Während des Schlafens verarbeitet unser Gehirn das, was wir am Tag erlebt haben. Durch die nächtliche Aktivität unseres Gehirns kommt zu einer Verknüpfung von Nervenzellen, die zur Entstehung, Erweiterung und Festigung unseres Gedächtnis nötig sind.

Folgen von zu viel Schlaf

Das Motto "Je mehr - desto besser" scheint auf viele Teilbereiche unseres Lebens anwendbar zu sein. Doch beim Schlaf ist dies nicht zutreffend. Ab einer bestimmten Schlafdauer wachen wir am nächsten Tag abgeschlagen und energielos auf, uns fehlt häufig der Antrieb und die Energie, um leistungsfähig in den Tag zu starten.

Dies liegt daran, dass im Laufe der Nacht der Anteil an Tiefschlafphasen abnimmt. In den Morgenstunden besteht der Nachtschlaf zunehmend aus den sogenannten REM-Schlafphasen, die weniger körperliche Erholung mit sich bringen und von geistiger Erregung mit teils aufregenden Träumen begleitet werden. Somit ist der erholende Effekt des zusätzlichen Schlafes gering.

Wie oben bereits beschrieben, wird unser Schlaf mit Hilfe eines täglichen Rhythmus mit einer Periodenlänge von circa 24 Stunden reguliert. Schlafen wir nun in einer Nacht deutlich mehr als gewohnt, kommt es zu einer Verschiebung dieses Rhythmus, was die Schlafqualität zusätzlich einschränken kann.

Auch ein Anstieg der Körpertemperatur sowie die Erhöhung des Kortisolspiegels in den frühen Morgenstunden führen zu einer Verminderung der Schlafqualität.

Wissenswert

Körperliche Folgen des übermäßigen Schlafes sind eine ausgeprägte Müdigkeit am Folgetag, das Gefühl von Energielosigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Symptome ähneln somit denen des Schlafmangels.

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