Haben Sie einen Pflegegrad-Bescheid bekommen, mit dem Sie völlig unzufrieden sind? Ist das Ergebnis, Ihrer Meinung nach, nicht annähernd der aktuellen Pflegesituation entsprechend?
Dann sollten Sie umgehend Widerspruch einlegen!
Und keine Sorge: Sie sind nicht die erste Person, die einen zu niedrigen oder gar keinen Pflegegrad bekommen hat, der nachträglich doch noch erhöht wurde.
Annähernd 20% aller Anträge auf Pflegegrad werden abgelehnt. Und sogar noch mehr Gutachten führen zu einem ungewollten Ergebnis seitens der Antragsteller.
Daher macht es durchaus Sinn einen Widerspruch gegen Ihren Pflegegrad Bescheid einzulegen.
Die Pflegeversicherung nutzt bei der Vergabe von einem Pflegegrad, das Gutachten, welches zuvor bei Ihnen zuhause durchgeführt wurde, als Grundlage.
Der Gutachter hat die Beeinträchtigung Ihrer Selbstständigkeit und damit das Ausmaß des Pflegebedarfs eingeordnet, indem er sechs Module untersucht hat:
Für jedes dieser Module hat Ihnen der Gutachter Punkte vergeben.
Aus dem Resultat aller zusammengerechneter Punkte ergibt sich dann der Pflegegrad.
Wenn Ihnen ein niedrigerer Pflegegrad zugewiesen wurde, als Sie erwartet hätten, dann liegt das daran, dass Ihnen Punkte für einen höheren Pflegegrad fehlen.
Um Ihre Bewertung besser zu verstehen, sollten Sie einen genauen Blick in Ihr Gutachten werfen. Wenn es dem Pflegegrad-Bescheid nicht beiliegt, sollten Sie ihn so schnell wie möglich bei der zuständigen Pflegekasse anfordern.
Das Gutachten ist im weiteren Verlauf Ihres Pflegegrad-Widerspruchs dringend erforderlich.
Gegen Ihren Pflegegrad-Bescheid können Sie binnen eines Monats Widerspruch einlegen.
Der Pflegegrad-Bescheid muss darauf hinweisen, dass ein Widerspruchsrecht gegeben ist. Fehlt dieser Hinweis, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein ganzes Jahr.
Sie können den Widerspruch nicht per E-mail schicken. Dieser wäre dann unwirksam.
Kernelement Ihres Widerspruchs ist die Begründung. Schließlich behaupten Sie, Ihr Pflegegrad-Bescheid entspricht nicht der tatsächlichen Pflegesituation. Das muss gut begründet werden.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Gründen, die einen Pflegegrad-Widerspruch rechtfertigen:
Sollten Sie Sich bei Ihrem Pflegegrad-Widerspruch auf formale Fehler stützen, sollten Sie wissen, dass diese zwar ein Entkräften des Bescheids zur Folge haben können. Allerdings bekommen Sie kurz darauf einen formell fehlerfreien Bescheid, mit selbem Ergebnis.
Als Fundament für die Begründung dient Ihr Gutachten. Sie müssen das Gutachten Punkt für Punkt durchgehen. Es gilt Stellen im Gutachten zu finden, die die Pflegesituation unzureichend oder falsch veranschaulichen.
Seien Sie dabei akribisch und analysieren Sie jedes einzelne Modul, welches der Gutachter zur Bewertung herangezogen hat.
Sobald etwas nicht mit tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt, zitieren Sie die Stelle aus dem Gutachten in Ihrer Begründung. Dem stellen Sie gegenüber, wie sich der erwähnte Punkt aus Ihrer Sicht darstellt.
Haben Sie das Gutachten vorliegen?
Dann rechnen Sie die Punkte der einzelnen Module zusammen. Kontrollieren Sie, ob sich ein Rechenfehler in den Bescheid der Pflegekasse geschlichen hat, der zu einem niedrigeren Pflegegrad geführt hat.
Wenn Sie Bekannte mit medizinischem, pflegerischem oder rechtlichem Hintergrund haben, kann es nicht schaden, diese um einen Blick auf das Gutachten zu bitten.
Menschen, die beruflich mit der Materie zu tun haben, erspähen möglicherweise Details, die Ihrem Auge verborgen bleiben. Denn es ist wichtig Stellen im Gutachten zu finden, die den Pflegebedarf zu niedrig einschätzen.
Weitere Hilfe beim Pflegerad Widerspruch:
Haben Sie dem Gutachter alle wichtigen Unterlagen, die im Zusammenhang mit Ihrer Pflegebedürftigkeit stehen, am Tag des Gutachtens vorgelegt?
Wenn nicht, wird es höchste Zeit folgende Dokumente als Argumentationshilfe in Ihrer Begründung zu nutzen:
Es kann sein, dass der Gutachter ein Dokument in seiner Bewertung außer Acht gelassen oder nicht entsprechend angerechnet hat.
Ein Beispiel:
Sie haben ein Attest Ihres Psychologen, welches eine Depression beschreibt. Allerdings berücksichtigt der Gutachter Ihre Depression nicht im Modul "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen".
Dann muss dies in der Begründung Ihres Widerspruchs erwähnt werden. Möglicherweise erhöht es Ihre Punktzahl in diesem Modul und Sie können Sich über eine Höherstufung freuen.
Wenn Sie ein Pflegetagebuch (protokollieren aller pflegerischen Unterstützungen) vor dem Gutachten geführt haben, dann vergleichen Sie auch dieses mit dem Gutachten der Pflegekasse.
Auch Gutachter sind nur Menschen, die hin und wieder Fehler machen. Daher ist es nicht unüblich, dass ein erstes Gutachtung fehlerhaft sein kann. Deshalb sollten Sie unbedingt einen Versuch wagen und einen Widerspruch einreichen.
Gerade, wenn zum nächsthöheren Pflegegrad nur ganz wenige Punkte fehlen, lohnt sich ein Versuch. Und wer es nicht einmal versucht, der hat ohnehin schon verloren.
Sollten Sie tatsächlich Stellen im Gutachten finden, die von der konkreten Pflegesituation abweichen, stehen die Chancen für einen erfolgreichen Pflegegrad Widerspruch sehr gut. Das Gleiche gilt für den Fall, wenn Sie nachträglich Zugang zu ärztliche Dokumente erhalten haben, die Ihren Anspruch auf erhöhten Pflegebedarf weiter untermauern.
Theoretisch hat die Pflegekasse bis zu drei Monate Zeit, um einen Pflegegrad Widerspruch zu bearbeiten. Aber in der Regel erhält man binnen 2-3 Wochen Bescheid, ob dem Widerspruch stattgegeben wurde.
Sollte in der Antwort der Pflegekasse vermerkt sein, dass Ihr Pflegegrad rückwirkend geändert wird, werden dementsprechend auch Ihre versäumten Leistungen rückwirkend erstattet.
Das gilt nicht für Fälle, bei denen sich der Pflegegrad auf Grund von einen veränderten Pflegesituation erhöht hat.
Ein erfolgreicher Widerspruch bedeutet meistens auch ein erneutes Gutachten, das sogenannte Wiederholungsgutachten.
Dieses unterscheidet sich kaum von Ihrem ersten Gutachten, außer dass der Gutachter diesmal eventuell intensiver auf die Punkte, die Sie im Pflegegrad Widerspruch bemängelt haben, eingeht.
Auch bei dem Wiederholungsgutachten sollten wieder alle Personen, die an der Pflege beteiligt sind, dabei sein.
Halten Sie alle wichtigen Dokumente und Ihr Pflegetagebuch bereit zum Vorlegen.
Nach einem erfolglosen Widerspruch, haben Sie noch die Möglichkeit, Klage beim Sozialgericht zu erheben.
Allerdings sollte Sie Sich vor der Klage relativ sicher sein, auf der Gewinnerseite zu stehen. Die Klage selbst ist zwar kostenfrei. Allerdings werden wahrscheinlich Anwaltskosten entstehen, die Ihnen nur bei einem Sieg erstattet werden.
Daher empfehlen wir Ihnen vor einer Klage, ihr Gutachten von einem Anwalt für Sozialrecht prüfen zu lassen und seine Erfolgsaussichten zu berücksichtigen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ein unabhängiges Zweitgutachten von einem Pflegesachverständigen einzuholen. Wenn dieses Zweitgutachten von Leistungsansprüchen bzw. einem höheren Pflegegrad in Ihrem Fall ausgeht, lohnt es sich ebenfalls zu klagen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich bezüglich des mir zugewiesenen Pflegegrades 1 gemäß dem Bescheid vom (Datum des Bescheids) an Sie wenden. Nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) und meiner aktuellen Pflegesituation bin ich der Überzeugung, dass meine Pflegesituation eher dem Pflegegrad 2 entspricht. Ich möchte daher hiermit einen Widerspruch gegen die Entscheidung für Pflegegrad 1 einlegen.
Ich bin (Ihr Name und Alter), und leide unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die meine Selbstständigkeit im Alltag erheblich beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungen wurden im MDK-Gutachten meiner Meinung nach nicht ausreichend berücksichtigt. Ich möchte im Folgenden auf eine spezifische Pflegesituation hinweisen, die in meiner Begutachtung möglicherweise nicht ausreichend gewichtet wurde:
Durch meine Arthrose leide ich unter starken Schmerzen. Besonders das Aufstehen und Hinsetzen bereitet mir große Probleme. Zwar kann ich mich innerhalb meiner Wohnräume hin und her bewegen, jedoch erfordert es große Überwindung, aufgrund der Schmerzen.
In dem Gutachten des MDK wird meine Arthrose zwar erwähnt, jedoch nicht entsprechend berücksichtigt. Im Modul "Mobilität" wird nur erwähnt, dass ich mich frei in der Wohnung bewegen kann. Aber nicht, dass es nur unter größten Schmerzen möglich ist.
Auch das Haus verlasse ich ungerne, da ich nie weiß, wann die Schmerzen mich zum Hinsetzen und ausruhen. Das könnte mitten auf der Straße passieren.
Diese Angst wird ebenfalls nicht im Modul "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen" berücksichtigt. Das Haus aufgrund von Schmerzen ungerne verlassen zu wollen, bedeutet meiner Meinung nach eine Beeinträchtigung meiner Selbstständigkeit.
Ferner kann ich mich nicht mehr den Spaziergängen mit meinen Freunden anschließen, zu denen wir vor meiner Erkrankung einmal wöchentlich verabredet waren. Darin sehe ich eine Beeinträchtigung im Pflegen sozialer Kontakte, gemäß dem Modul "Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte".
Dies Beeinträchtigung wurde im Gutachten ebenfalls nicht berücksichtigt.
Ich möchte betonen, dass die genannten Beeinträchtigungen meine Fähigkeit zur Selbstversorgung und meine Lebensqualität erheblich einschränken. Mein Alltag erfordert eine kontinuierliche Unterstützung und Pflegeleistungen, um meine Gesundheit und Wohlbefinden sicherzustellen.
Ich bitte daher höflich darum, meine Pflegesituation erneut zu bewerten und die Notwendigkeit für Pflegegrad 2 unter Berücksichtigung meiner oben geschilderten Umstände zu prüfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Anpassung angemessen und notwendig ist, um eine entsprechende Pflege und Unterstützung in meinem Fall zu gewährleisten.
Bitte informieren Sie mich über den weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens und über jegliche zusätzlich benötigten Informationen oder Unterlagen. Ich stehe zur Verfügung, um eventuelle Fragen zu beantworten oder weitere Informationen bereitzustellen.
Mit freundlichen Grüßen,
(Ihr Name) (Ihre Adresse) (Ihre Kontaktdaten)
Wenn Ihr Pflegegrad Bescheid ergeben hat, dass sie gar keinen oder einen zu niedrigen Pflegegrad bekommen haben, machen Sie sich bestimmt Gedanken darüber, welche Möglichkeiten Ihnen zustehen, das zu ändern.
Hier finden sie einige der häufigsten Fragen zum Thema Pflegegrad Widerspruch und deren Antworten.
Ja, Sie können einen höheren Pflegegrad bekommen. Sollte sich Ihr Pflegebedarf wegen Verschlechterung Ihres Gesundheitszustands seit Ihrem letzten Gutachten erhöht haben, können Sie einen Antrag auf Höherstufung stellen.
Wenn Sie einen Pflegegrad Bescheid erhalten haben, der ihnen einen niedrigen Pflegegrad bewilligt, Sie jedoch der Meinung sind, einen höheren Pflegegrad zu brauchen, können Sie Widerspruch gegen Ihren Pflegegrad Bescheid einlegen.
Sollten Sie gar keinen Anspruch auf Leistungen bewilligt bekommen haben, können Sie auch dagegen Einspruch einlegen.
Eine Beschwerdemöglichkeit gibt es nicht. Jedoch können Sie gegen Ihren Pflegegrad Bescheid direkt bei der zuständigen Pflegekasse Widerspruch einlegen.
Ja, Sie können den Widerspruch selbst verfassen und einreichen. Wenn Sie sich das nicht zutrauen, können Sie aber auch einen Anwalt damit beauftragen. Ein bevollmächtigter Angehöriger kann den Pflegegrad Widerspruch ebenfalls für Sie verfassen und einreichen.
Ja, es gibt eine Frist. Sie müssen den Widerspruch binnen eines Monats ab erhalt Ihres Pflegegrad Bescheids bei der Pflegekasse eingereicht haben.
Eine Ausnahme gilt bei einem formalen Fehler im Pflegegrad Bescheid. Sollte in diesem nicht über die Möglichkeit für einen Widerspruch belehrt werden, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein ganzes Jahr.
Wird Ihr Pflegegrad Widerspruch abgelehnt, haben Sie immer noch die Option vor dem Sozialgericht eine Klage einzureichen.
Das Verfahren an sich ist kostenlos. Aber berücksichtigen Sie, dass Anwaltskosten entstehen könnten.
In Ihrem Pflegegrad Widerspruch deuten Sie auf die Punkte im Gutachten hin, die Ihrer Meinung nach unzureichend dargestellt wurden. Wenn dort z.B. steht "der Antragsteller kann sich frei im Wohnraum bewegen", aber nicht erwähnt wird, dass dies mit starken Schmerzen verbunden ist, können Sie dies in Ihrem Widerspruch ansprechen.
Schreiben Sie alle Stellen aus dem Gutachten, mit dem Sie nicht einverstanden sind, nieder und schildern Sie die Sachlage aus Ihrer Sichtweise.
Sobald die Pflegekasse Ihren Widerspruch bearbeitet hat, wird er entweder direkt abgelehnt, direkt bewilligt oder es wird ein Wiederholungsgutachten beauftragt.
Prinzipiell hat die zuständige Pflegekasse bis zu drei Monate Zeit, sich um Ihren Widerspruch zu kümmern. Aber meistens erhalten Versicherte, die einen Widerspruch gegen Ihren Pflegegrad Bescheid eingereicht haben, innerhalb weniger Wochen eine Antwort.
Wird Ihr Pflegegrad aufgrund eines erfolgreichen Widerspruchs erhöht, bekommen Sie alle versäumten Leistungen rückwirkend erstattet.
Nein, der Widerspruch gegen den Pflegegrad Bescheid darf nicht per Email eingereicht werden. Er muss als Brief an die Pflegekasse geschickt werden.
Verwenden Sie hierbei am besten ein Einschreiben.
Letzte Änderung: 5. Oktober 2023
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