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Das Besondere an HPV-positiven Oropharynxkarzinomen

Orlando_Guntinas_Lichius

Interview mit Univ.-Prof. Dr. med. Orlando Guntinas-Lichius

Über Univ.-Prof. Dr. med. Orlando Guntinas-Lichius:

Univ.-Prof. Dr. med. Orlando Guntinas-Lichius ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde des Universitätsklinikums Jena. Er hat sein Studium der Humanmedizin in Köln von 1987-1993 absolviert. Er hat 1994 promoviert über experimentelle Untersuchungen zur Hypoglossus-Facialis-Nervennaht.

Von 1993 war er zunächst Arzt im Praktikum in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität zu Köln und anschließend dort Assistenzarzt. 1998 erhielt er die Anerkennung der Gebietsbezeichnung Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Die Habilitation für das Fach Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde erfolgte 2001 ebenfalls in Köln. Seit 2006 ist er W3-Professur für HNO-Heilkunde an der Universität Jena. Herr Prof. Guntinas-Lichius ist seit 2009 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Er war von 2010 bis 2021 Prodekan für Lehre der Medizinischen Fakultät in Jena.

Er ist Mitglied des Präsidiums der Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie und war von 2022 bis 2023 Präsident der Gesellschaft.

Seine aktuellen wissenschaftlichen Schwerpunkte sind: Neue diagnostische Verfahren und klinische Prüfungen zur multimodalen Therapie von Kopf-Hals-Tumoren, neue Verfahren zur Behandlung der Fazialisparese, HNO-Versorgungsforschung und postoperativer Schmerz nach HNO-Operationen.

Was unterscheidet HPV-positive HNO-Tumore von Tumoren anderer Genese?

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In HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren lässt sich in den Tumorzellen das HPV-Virus nachweisen. In den meisten Fällen ist dies der HPV-Typ 16. Die molekularen Veränderungen auf dem Weg von der gesunden Zelle hin zum bösartigen Tumor unterscheiden sich von HPV-negativen Tumoren. Die wichtigsten Risikofaktoren sind hier das Rauchen und starker Alkoholkonsum. Es gibt aber auch HPV-positive Tumoren bei Rauchern. In diesen Tumoren findet man Mechanismen, die für HPV-positive Tumoren aber auch für Tumoren unter langjährigem Zigarettenkonsum typisch sind. HPV-positive Tumoren kommen überwiegend im Mundrachen (Oropharynx( vor, und dort vor allem in der Gaumentonsille. HPV-negative Tumoren können in allen Lokalisation der Kopf-Hals-Region auftreten. So sind zum Beispiel Tumoren in der Mundhöhle oder im Kehlkopf fast immer HPV-negativ.

Wann ist eine operative Behandlung, wann eine Radio-Chemotherapie aus Ihrer Sicht indiziert?

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Im Moment unterscheidet sich weltweit die Behandlung von HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren nicht von der Behandlung der HPV-negativen Tumoren. Generell gilt: HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren haben eine bessere Prognose als HPV-negative Kopf-Hals-Tumoren. Das gilt für Operation, Bestrahlung, Chemotherapie und eine Kombination dieser Therapieverfahren. Aufgrund der besseren Prognose laufen weltweit Studien, die untersuchen, ob HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren wegen der besseren Prognose nicht weniger aggressiv behandelt werden können. Insbesondere Kombinationstherapien sind für die Patienten sehr belastend und bringen selbst Langzeitschäden mit sich. So wird zum Beispiel untersucht, ob man bei einer Strahlentherapie eine geringere Dosis einsetzen kann. Bislang konnte dies nicht nachgewiesen werden, also spielt der HPV-Status für die Therapieentscheidung im Alltag noch keine Rolle. Daher spielt auch der HPV-Status für die Beantwortung Ihrer Frage keine Rolle.

Welche operative Behandlungsoption hat sich aus Ihrer Sicht als vielversprechend erwiesen?

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Wenn der Tumor als operabel eingeschätzt wird, also wenn eine vollständige Tumorentfernung gelingen kann, ist zu entscheiden, ob der Tumor über den Mund oder von außen über den Hals operiert werden muss. Häufig ist die Operation über den Mund möglich. Über den Mund kommen drei Verfahren in Frage: die Entfernung mit Kaltinstrumenten, die Laserchirurgie und die robotische Chirurgie. Am weitesten verbreitet ist in Deutschland sicher die Laserchirurgie. Die robotische Chirurgie ist nicht weit verbreitet, da sie nicht zu besseren Ergebnissen führt. Die Operation über den Mund ist weniger belastend für den Patienten und birgt weniger Risiken als die Operation von außen. Bei sehr großen Tumoren und der Notwendigkeit der Kontrolle über die großen Hals-Gefäße und/oder die Notwendigkeit einer Deckung des Defekts im Mundrachen mit einem Transplantat ist eine Operation von außen angezeigt.

Macht es Sinn, eine HPV-Impfung nach der Diagnose eines HPV-positiven Oropharynxkarzinoms noch durchzuführen?

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Diese Frage wird derzeit intensiv untersucht, ist aber noch nicht beantwortet. Die Impfung bei Gesunden beugt einer Erkrankung mit einem HPV-positiven Oropharynxkarzinom vor. Die Impfung kann hier Krebs verhindern. Ob eine Impfung auch nach der Tumorerkrankung sinnvoll ist, also als so genannte Sekundärprophylaxe, ist selbst für den Gebärmutterhalskrebs nicht eindeutig geklärt. Gebärmutterhalskrebs ist der Krebs, bei dem die meiste Erfahrung mit der Rolle von HPV vorliegt.

Wie sieht die Nachsorge nach einer Operation bei HPV-positiven Oropharynxkarzinomen aus?

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Auch hier unterscheidet sich die Nachsorge nicht von der bei HPV-negativen Tumoren. Aber bald wird es möglicherweise einen Unterschied geben. Bei Tumorpatienten findet man Tumorzellen oder Tumorzellbestandteil auch im Blut oder im Speichel. So lässt sich in diesen Flüssigkeiten auch DNA des HPV-Virus nachweisen. Dies könnte sich für Test seiner Früherkennung eines erneuten Auftretens des Tumors eignen. Den eindeutigen Beleg und Testverfahren gibt es bislang nicht.

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