Experteninterview mit Dr. Alexander Hilpert
Über Dr. Alexander Hilpert:
Dr. Alexander Philipp Hilpert ist ein international anerkannter Experte in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie. Nach dem Studium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sammelte er umfassende internationale Erfahrungen, unter anderem am Groote Schuur Hospital der Universität von Kapstadt, Südafrika, und an der Division of Plastic Surgery der University of California, San Diego, USA. Seine Facharztausbildung im Bereich der Plastischen-, Rekonstruktiven- und Handchirurgie absolvierte er an in Köln und Bonn. Heute leitet Dr. Hilpert die Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie der Kaiserberg Klinik in Duisburg und gilt als einer der führenden Experten mit einem breiten Spektrum an ästhetischen und handchirurgischen Eingriffen.
Wie hat sich die Nachfrage nach ästhetischen Eingriffen in den letzten Jahren entwickelt?
Tendenziell ist die Nachfrage nach ästhetisch-plastischen Behandlungen und Operationen in den letzten Jahren gestiegen. Während der Coronapandemie gab es einen regelrechten Pik bei der minimal-invasiven Faltenbehandlung mit Fillern, aber auch mit Botulinumtoxin.
Obwohl Wachstum innerhalb einer Branche begrüßenswert ist, bringt es auch immer Herausforderungen mit sich.
Die steigende Nachfrage sorgt dafür, dass das auch das Angebot für ästhetische Behandlungen stetig zunimmt. Leider bedeutet das aber für viele Patient*innen, dass sich mehr und mehr nicht ausreichend ausgebildete Ärzt*innen der Ästhetischen Medizin widmen. In der DGÄPC Statistik beobachten wir seit zwei Jahren einen deutlichen Rückgang an Filler- und Botulinumbehandlungen in den fachärztlich geführten Praxen und Kliniken, während sich in der Außenwahrnehmung immer mehr Menschen minimal-invasiv behandeln lassen.
Ein deutliches Indiz dafür, dass die preissensible Zielgruppe für diese Art der Behandlung zu Beautyketten oder ähnlichem abwandert.
Welche Voraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht gegeben sein, damit ein ästhetischer chirurgischer Eingriff durchgeführt werden kann?
Das fängt zunächst bei der Ausbildung des Arztes an und hört dann bei den Vorstellungen des Patienten auf. Was viele nach wie vor nicht wissen: Jeder ausgebildete Arzt kann sich „Schönheitschirurg“ nennen, egal ob dieser Zahnarzt, Facharzt für Gynäkologe oder Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ist. Lediglich der Titel „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie“ ist geschützt. „Bezeichnungen wie „Kosmetischer Chirurg“, „Schönheitschirurg“ oder „Ästhetischer Chirurg“ sind keine geschützten Titel und können folglich von jedem Arzt geführt werden – fernab jeglicher Qualifikation und Erfahrung.
Was zunächst sehr vertrauenserweckend und aus Marketingsicht auch anziehend klingt, sagt nichts über die Qualifikation sowie die Aus- bzw. Weiterbildung des Arztes aus. Deshalb gehören für mich ästhetisch-plastische Operationen ausschließlich in die Hände von Fachärtz*innen für Plastisch und Ästhetische Chirurgie oder Ärzt*innen mit der Zusatzweiterbildung für „Plastische Operationen“.
Abhängig von der gewünschten Behandlungsregion, können aber auch folgende Fachärzte für einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff qualifiziert sein: Fachärzte*innen für Chirurgie mit dem Teilgebiet „Plastische Chirurgie“, Fachärzte*innen für Haut- und Geschlechtskrankheiten (Dermatologie) und Fachärzte*innen und für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie).
Eine weitere Voraussetzung für die Durchführung von ästhetisch-plastischen Eingriffen ist der Wunsch des Patienten. Ist dieser rational nachvollziehbar oder kommt der/die Patient*in mit einem nicht zu erreichenden Schönheitsideal? Hier sollte man als Arzt immer auch an seinen hyppokratischen Eid und die damit verbundene Berufsethik denken.
Wie stark beeinflussen soziale Medien die Entscheidungen Ihrer Patienten für oder gegen einen Eingriff?
Der Einfluss durch die Sozialen Medien ist enorm und hat in den letzten Jahren stark zugenommen – in den meisten Fällen werden sie dadurch animiert, sich für eine Behandlung zu interessieren oder diese auch durchführen zu lassen. Das bestätigen ebenfalls die Zahlen der DGÄPC Statistik.*
Die letzten Jahre machten deutlich: auch wenn zahlreiche Influencer*innen sich mittlerweile für Hashtags wie „Bodypositivity“ und „No Filter“ stark machen und nach einem reflektiertem Umgang mit dem Selbstbild suchen, stieg der Einfluss der Sozialen Medien die vergangenen drei Jahre enorm an. Die DGÄPC setzt sich schon seit über zwei Jahren verstärkt für eine Kennzeichnungspflicht von bearbeitetem Bildmaterial in den Sozialen Medien ein.
Zwar profitieren wir als Fachärzte natürlich davon, dass Menschen mit Fehlbildungen uns ihr Vertrauen schenken oder auch das ein oder andere an sich optimieren möchten, aber es gibt ganz klare ethische Grenzen in der Behandlung, die leider nicht alle Kolleg*innen berücksichtigen. Um unser Vorhaben weiter voranzubringen, werden wir gemeinsam mit den anderen beiden großen Fachgesellschaften, der DGPRÄC (Deutsche Gesellschaft für Plastische, rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie) und der VDÄPC (Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen), Anfang kommenden Jahres eine offizielle Petition an den deutschen Bundestag richten.
Mit der Petition wird gefordert, in Deutschland eine Kennzeichnungspflicht für digital bearbeitetes und KI-generiertes Bildmaterial -ähnlich wie in Norwegen, Israel und Frankreich, gesetzlich zu regeln.
*** Während im Jahr 2020 lediglich 2,3 % der Befragten und 2021 4,0 % der Befragten angaben, dass Posts in den Sozialen Medien den Wunsch nach persönlicher Veränderung verstärken, sind es 2022 insgesamt 10,6 % aller Befragten. Das erste Mal gaben mit 0,7 % in diesem Jahr auch männliche Umfrageteilnehmer an, sich davon beeinflussen zu lassen. Stärkste Beeinflussung bei der jungen Zielgruppe. Bei der jungen Zielgruppe unter 30 fand eine Steigerung von 2021 mit 9,0 % auf 20,9 % statt. Immerhin machen sich 40,4 % der jüngeren Patient*innen auf den Weg zu einem langjährig ausgebildeten und qualifizierten Facharzt. (Quelle DGÄPC Statistik 2022)
Gibt es Möglichkeiten zur flächendeckenden Qualitätssicherung in der ästhetischen und plastischen Chirurgie? Wie wird diese umgesetzt?
Durch eine fehlende klare rechtliche Grundlage bzw. Regelung, haben wir als Fachgesellschaft nur die Möglichkeit, nicht müde zu werden und immer wieder darüber aufzuklären. Das funktioniert natürlich auch nur mit medialer Unterstützung.
Wir sind politisch hier sehr aktiv, ob das nun die Kennzeichnungspflicht ist, oder Patienten-Checklisten, die wir zum Download zur Verfügung stellen oder auch unsere Patientenumfrage, die wir bereits im 15. Jahr veröffentlichen. All das hilft uns, die breite Öffentlichkeit für wichtige Themen im Sinne des Patientenschutzes zu sensibilisieren.
In der jüngsten Statistik, die gerade eben erschienen ist, haben wir unter anderem abgefragt, ob die Patient*innen den Unterschied zwischen einem Facharzt und einem Schönheitschirurgen kennen. Fakt ist, dass über 50 Prozent der jungen Zielgruppe unter 30 hier noch völlig im Dunkeln tappen. Das ist für uns schon eine alarmierende Zahl.
Es gibt eine Diskussion über die "Normalisierung" bestimmter ästhetischer Standards durch die plastische Chirurgie. Glauben Sie, dass Ihre Branche dazu beiträgt, bestimmte Schönheitsideale zu fördern oder zu zementieren?
Ich unterscheide hier gerne „die Branche“ von den „Fachärzt*innen für Plastische und Ästhetische Chirurgie“. Die Branche trägt in jedem Fall dazu bei, Trends zu setzen, die es in der Praxis eigtl. gar nicht gibt wie z.B. „Barbie-Botox“. Gerade die Beautyketten, die häufig junge Ärzt*innen mit mangelnder Erfahrung und nicht vorhandenem Facharzttitel oder sogar Heilpraktiker*innen anstellen, sind darauf angewiesen durch Social Ads und Specials auf sich aufmerksam zu machen und somit überwiegend junges Publikum anzulocken.
Da geht es um Trends, wie man auszusehen hat und natürlich um den Preis für die Behandlung. Das Heilmittelwerbegesetz verbietet uns niedergelassenen Ärzten z.B. plakativ für unsere Dienstleistung zu werben. Beautyketten sind meist als GmbH firmiert und befinden sich dadurch in einer Grauzone.
Dennoch finde ich, es sollte sich niemand dafür rechtfertigen müssen, warum er sich mit einer angeborenen Anomalie oder dem Älterwerden nicht wohlfühlt. Aber es gibt ganz klare Grenzen für mich als behandelnden Arzt.
Wie gehen Sie mit dem Thema "Körperdysmorphie" um? Wo ziehen Sie die Grenze zwischen einem berechtigten Wunsch nach Veränderung und einer Grenze dessen, was vertretbar ist?
Manchmal erkennt man einen dysmorphen Patienten sofort, manchmal benötigt man seine Erfahrung, da es nicht gleich erkennbar ist. Zunächst ist es immer wichtig, den Menschen, der einem gegenübersitzt und einem sein Vertrauen schenkt, immer ernst zu nehmen. Denn auch ein dysmorpher Patient hat Probleme, nur sind diese eben anders gelagert, als dieser vielleicht weiß.
Deshalb sollte man versuchen, diese Patienten dazu zu bewegen, sich an anderer Stelle Hilfe zu suchen und ihnen klar machen, dass eine Behandlung ihres äußeren Problems, sie im inneren nie zufrieden stellen wird. Da ist Fingerspitzengefühl, aber auch Ehrlichkeit gefragt. Für mich als Arzt sind Wünsche dann nachvollziehbar, wenn ich sie selbst auch sehen kann. Das kann vieles sein: eine tiefe Glabellafalte, eine stark erschlaffte Brust, Reiterhosen, alterungsbedingtes Absacken der Gesichtsstrukturen.
Es kann allerdings nicht sein, dass eine Anfang 20-Järhige Frau mit einem digital bearbeiteten Bild von sich zu mir kommt und sagt: genauso möchte ich aussehen - keine Poren, Russian Lips und schmales Näschen – nur so als Beispiel. Man sollte zudem aus meiner Sicht durch eine Behandlung niemals seinen eigenen Typ optisch verlassen.