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Tourette-Syndrom

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren eines Tourette-Syndroms?

Das Gilles de la Tourette-Syndrom (Tourette-Syndrom) definiert sich als eine chronische Tic - Erkrankung. Sie ist klinisch durch das Auftreten, häufiger, nicht rhythmischer, multipler motorischer oder vokaler Tics gekennzeichnet und mit Verhaltensauffälligkeiten assoziiert. Die Krankheit ist meist genetisch bedingt. Es ist verbreitet unter 1:100-300 bei Kindern und Jugendlichen, vier Mal häufiger bei den Männern und erscheint erst im 7. Lebensjahr, wobei sie in der Pubertät oft besonders stark ausgeprägt ist und danach ein Leben lang fortbesteht. Jedoch in 90 Prozent der Fälle setzen vor dem elften Lebensjahr die Symptome des Tourette-Syndroms ein.

Wissenswert

Mithilfe der Tourette-Syndrom-Schweregradskala (TSSS) teilen sich die Tics in:

  • geringere - von den anderen nicht bemerkt;
  • mäßige - fallen auch Außenstehenden auf und erschweren allgemeine Aufgaben;
  • schwere - soziale Kontakte massiv stören und die Leistungsfähigkeit vermindern;

Das Tourette-Syndrom zählt zu den neuropsychiatrischen Erkrankungen. Die Intelligenz ist beim Tourette-Syndrom jedoch nicht beeinträchtigt. Wie das Tourette-Syndrom entsteht, ist noch unbekannt. Unter den häufigsten Ursachen gehören die genetische Veränderungen und die Umweltbedingungen, die zu einer erhöhten Zahl der Dopamin Rezeptoren im Gehirn führen. 

Andere mögliche Ursachen sind Infektionserkrankungen( mit Streptokokken) aber z.B. auch bestimmte Risikofaktoren während der Schwangerschaft - Rauchen, Alkoholkonsum, Drogen und psychosozialer Stress in der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit und Sauerstoffmangel bei der Geburt. So ist das Tourette-Risiko für Kinder, deren Eltern das Syndrom haben, zehn- bis hundertmal höher als für Kinder ohne Tourette-Syndrom in der Verwandtschaft.

Was sind die Symptome eines Tourette-Syndroms?

Die Tics beginnen häufig mit einfachen motorischen Tics im Gesicht und Kopf - Stirnrunzeln, Augenblinzeln, Grimassen, Naserümpfen oder Kopfwerfen; und vokalen Tics - Räuspern, Schniefen, Schreien, Spucken, Bellen, Imitation von Geräuschen u.a.. Später entwickeln sich komplexen motorischen Tics: mit scheinbar absichtlichen/zweckgerichteten Bewegungen - z.B. Springen, Körperverdrehungen, das Wiederholen eigener auch anderer Handlungen und Bewegungen, und komplexe vokale Tics: Fäkalsprache zu verwenden, gehörte Sätze oder Worte reflexartig zu wiederholen.

Wissenswert

70-80% der Betroffene weisen auch Zwangsstörungen, gesteigerte Impulsivität, aggressives Verhalten, Aufmerksamkeitsstörungen/Hyperaktivität, selbstverletzendes Verhalten, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen auf. Die ersten Tourette-Tics zeigen sich meist schon bei Kindern in jungem Lebensalter. Die Anzeichen einer Tic-Störung sind plötzliches und rasches Zwinkern, Verziehen des Mundwinkels, plötzliches Mundöffnen und plötzliche Muskelzuckungen an den Extremitäten.

Menschen mit Tourette-Syndrom können ihre Tics bis zu einem gewissen Grad kontrollieren. Sie spüren, wenn der nächste Tic ankommen wird und können ihn eine Zeit lang hinausschieben. Die meisten Tics erscheinen mehrmals jeden Tag und auch vor allem in Stresssituationen, bei Ärger, Freude, innerer Anspannung , wann auch die Symptomatik sich verstärkt oder mildert. Nachts sind solche Erscheinungen meistens nicht zu beobachten und verschwinden somit vollkommen.

Bei vielen Patienten wird das Tourette-Syndrom auch von anderen Krankheiten begleitet:

  • Restless-Legs-Syndrom
  • Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS ) oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS)
  • Asperger-Syndrom
  • Depressionen
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsschwierigkeiten, Lernschwierigkeiten
  • Hypersexualität
  • Aggressives Verhalten gegen sich selbst (Autoaggression)

Im Kindes- und Jugendalter sind die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in etwa 50 bis 75 Prozent der Patienten und Zwangserkrankung bei 30 bis 65 Prozent die häufigsten Begleiterkrankungen. Bei Erwachsenen stellen Zwangssymptome und Depression vermutlich die häufigsten Komorbiditäten dar. Neuere Untersuchungen zur Lebensqualität von Erwachsenen mit Tourette-Syndrom haben gezeigt, dass nicht etwa die Tics, sondern depressive Symptome und Zwänge meist die stärkste Beeinträchtigung hervorrufen.

Wie wird das Tourette-Syndrom diagnostiziert?

Das Tourette-Syndrom kann ausschließlich durch Beobachtung diagnostiziert werden. Die Diagnose wurde anhand der auftretenden Symptome(Art, Häufigkeit, Intensität, Verteilung), der vorherrschenden Tics und des Erkrankungsverlaufs gestellt. Der Arzt beginnt üblicherweise mit einem sehr detaillierten Gespräch. Auch weitere Einflussfaktoren, Vorgefühl und Unterdrückbarkeit werden berücksichtigt, um andere Erkrankungen als Ursache auszuschließen - Epilepsie oder das Restless-Legs-Syndrom (unkontrollierter Bewegungsdrang in den Beinen).

Die weitere Blutuntersuchungen geben wichtiges Info zu den Leber-, Nieren- oder Schilddrüsenwerten. Um den Schweregrad einer Tic-Störung zu erfassen, können Fragebogen und Schätzskalen eingesetzt werden, welche die Eltern oder die Angehörige über einen mehrwöchigen Zeitraum zuhause ausfüllen können. International wird hierfür die „Yale Global Tic Schweregradskala“ (YGTSS) eingesetzt.

Hinweis

Die Diagnostische Kriterien sind:

  • Beginn vor dem 18. Lebensjahr
  • multiple motorische und mindestens ein vokaler Tic
  • Erkrankungsdauer > 1 Jahr
  • Fluktuationen der Tics im Verlauf
  • Ausschluss anderer Erkrankungen

Therapie bei Tourette-Syndrom

Das Tourette-Syndrom kann nicht vollständig geheilt werden, aber die Symptomen lassen sich durch eine medikamentöse und psychotherapeutische Therapie behandeln. Bei stark ausgeprägten Tics - von Schmerzen, emotionale und soziale Schwierigkeiten und Schlafprobleme begleitet,  werden Neuroleptika ( z.B. Sulpirid, Tiaprid, Pimozide und Haloperidol) verschrieben, die meist am Botenstoff Dopamin im Gehirn ansetzen und das dortige Informationssystem hemmen. Für die Therapie wird die Dosis langsam über mehrere Wochen gesteigert.

Hinweis

Etwa 50 Prozent Symptomlinderung können durch Verhaltenstherapie erreicht werden. Die am wirksamsten verhaltenstherapeutische Behandlungen sind das „Habit Reversal Training“ (HRT) und das „Exposure and Response Prevention Training“ (ERPT).

Das Ziel dieser Therapie ist die Selbstwahrnehmung und sie besteht aus drei Phasen:

  • Entspannungs- und Wahrnehmungstraining,
  • Erlernen eines alternativen Verhaltens - eine motorische Gegenantwort auf die ersten Tic-Anzeichen
  • Übertragen dieses Verhaltens in Alltagssituationen.

Es ist auch eine Psychoedukation für diesen Fall sinnvoll. Bei dieser Edukation erhalten die Patienten und ihre Familien pädagogische Unterstützung und zwar Hilfe bei Fragen und Problemen im Umgang mit der Erkrankung und weitere Aufklärungen für das alltägliche Leben. Dazu werden auch verschiedene Entspannungstechniken erklärt, die schnell die Patienten zur Ruhe bringen können - yum Beispiel Muskelentspannungen.

Weitere Therapiemöglichkeiten sind:

  • Biofeedback - die Patienten erhalten akustischen oder optischen Signalen aus dem Körperinneren
  • Tiefe Hirnstimulation („Hirnschrittmacher“) und andere 
  • operative Eingriffe – nur in sehr schweren Fällen, wenn nichts anders hilft. Dazu wird ihnen ein Hirnschrittmacher unter die Bauchhaut gepflanzt, der über Elektroden das Gehirn elektronisch stimuliert. Es ist noch unklar, welcher Hirnregion bei welchem Patienten stimuliert werden muss. Der Behandlungserfolg ist daher sehr unterschiedlich
  • Teilnahme an Selbsthilfegruppen

Wie ist die Prognose eines Tourette-Syndroms?

Tourette kann man nicht heilen, aber die Prognosen sind günstig. Bei zwei Dritteln der Kinder bessern sich die Symptome im Laufe der Zeit deutlich oder verschwinden sogar ganz. Die stärkste Ausprägung der Tics besteht im Mittel zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr. Im weiteren Verlauf kommt es bei mehr als 95% der Patienten zu einer spontanen Besserung, so dass der Verlauf einer Tic-Störung – und auch des Tourette-Syndroms - überwiegend gutartig ist.

Hinweis

Schwere Verläufe mit extrem starken Tics sind selten. Ab einem Alter von 18. Jahren sind die Tics bei den meisten soweit zurückgegangen, dass sie nicht mehr stören. Für das übrige Drittel ist die Prognose allerdings weniger günstig. Bei einigen von ihnen werden die Symptome im Erwachsenenalter sogar ausgeprägter. Der Verlust an Lebensqualität ist bei ihnen besonders groß.

Wie kann man einem Tourette-Syndrom vorbeugen?

Da die genaue medizinische Ursachen des Tourette-Syndroms noch nicht geklärt sind, ist eine gezielte Vorbeugung der Erkrankung nicht möglich.

Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einem Tourette-Syndrom

Behandlung mit Attention Training Technik (ATT) von Dr. med. Daniel Alvarez-Fischer, Zentrum für Integrative Psychiatrie Lübeck

Neueste Forschung hat gezeigt, dass Aufmerksamkeitsprozessen Einfluß auf die Tics haben. Dabei scheint in der Tat die unbewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf Tics und nicht eine Selbstaufmerksamkeit wichtig zu sein. So wird die Anzahl von Tics erhöht, wenn sich Patienten „ticcend” in einem Spiegel sehen, nicht aber, wenn sie vor einer eigenen Videoaufnahme sitzen, auf der sie „nicht ticcend” zu sehen sind.

Auch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf komplizierte Aufgaben reduziert die Anzahl von Tics – ein Phänomen, das viele Patienten sehr gut beschreiben können. Diese Erfahrungen von Patienten und die dieses Phänomen beschreibenden Studien haben uns zu einem neuen verhaltenstherapeutischen Ansatz geführt, der die Lenkung von Aufmerksamkeitsprozessen nutzt. Wir haben eine etablierte Therapieform – die Attention Training Technik (ATT) als Teil der Metacognitiven Therapie – adaptiert und an einer kleinen Fallserie evaluiert. Die von Wells entwickelte ATT basiert auf dem Training, die Aufmerksamkeit bewusst (wieder) weg von unangenehmen oder störenden Prozessen zu richten. ATT wurde erfolgreich eingesetzt, um Symptome bei Depressionen, Panikstörungen und sozialer Angst zu reduzieren.

Wissenswert

Nach der Studie wurde erfunden, dass sich die Schwere und Häufigkeit der Tics nach der Behandlung signifikant um rund 60 Prozent verbesserte, jedoch in der Phase nach den Übungen wieder etwas verschlechterte. Die Lebensqualität verbesserte sich bei allen Patienten unmittelbar nach der Behandlung ebenfalls um etwa 40 Prozent, während weder der Drang zu ticcen noch die Gedanken an Tics verändert waren.

Empfehlungen zur Nachsorge bei einem Tourette-Syndrom

Die Betroffene mit dem Tourette-Syndrom müssen ihren ganzen Leben mit den Tics zurechtkommen, deswegen sind eine langfristige, ärztliche Hilfe und die Unterstützung von Eltern, Freunden, Lehrern oder im Beruf aus großer Bedeutung. Viele Kinder haben Schwierigkeiten mit dem Lernen in der Schule wegen der leichten Ablenkbarkeit und der Hyperaktivität und brauchen weitere Assistenz. Regelmäßige Besuche beim Psychologen sind auch sinnvoll, da die Patienten dort lernen, ihre Impulse zu kontrollieren. Die Betroffene können aber einem normalen Beruf ergreifen und ein positives Umfeld schaffen, wo ihre Selbstvertrauen gefördert ist. 

Zusammenfassung

Das Tourette-Syndrom (TS) ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die aus komplexe vokale und multiple motorische Tics kombiniert besteht. Weltweit leiden ca. 0,5-1% der Bevölkerung an einem Tourette-Syndrom. Tics können weder geheilt noch ursächlich behandelt werden. Bei einer Linderung um 50 Prozent spricht man bereits von einem Therapieerfolg.

Häufig gestellte Patientenfragen, beantwortet

Das Tourette-Syndrom kann erst im 7. Lebensjahr erscheinen, wobei sie in der Pubertät oft besonders stark ausgeprägt ist und danach ein Leben lang fortbesteht. Jedoch in 90 Prozent der Fälle setzen vor dem elften Lebensjahr die Symptome des Tourette-Syndroms ein.

Bei Tourette gibt es Störungen im Botenstoffwechsel des Gehirns und insbesondere bei der Neurotransmitter Dopamin - die Zahl der Dopamin Rezeptoren im Gehirn der Patienten mit Tourette-Syndrom ist erhöht. Dopamin ist im Gehirn für das Weiterleiten von Informationen wichtig, aber auch die Serotonin-, Noradrenalin-, Glutamin- und Opioid Haushalt spielen wichtige Rollen und haben eine Auswirkung. Die Störungen befinden sich in den sogenannten Hirnarealen in den tieferen Strukturen beider Gehirnhälften. Die Hirnarealen haben die Aufgabe, die Impulse zu filtrieren - welche in Handlungen umsetzt werden und welche nicht.

Die Anzeichen eines Tourette-Syndroms sind die Tic-Störung, die am häufigsten mit plötzliches und rasches Zwinkern, Verziehen des Mundwinkels, plötzliches Mundöffnen und plötzliche Muskelzuckungen an den Extremitäten beginnen.

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Tourette-Syndrom einfach erklärt

Ticstörung, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom

Betroffene

Organe(e):

Gehirn

Häufigkeit

  • Männer > Frauen
  • ungefähr 800.000 Betroffene in Deutschland

Risikofaktoren

  • genetische Veranlagung
  • Nikotinabusus in der Schwangerschaft
  • Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
  • Drogenmissbrauch in der Schwangerschaft

Ursachen

  • weitestgehend unbekannt
  • komplexe neuronale Entwicklungsstörung

Differenzial Diagnose

  • Hirntumore
  • Ballismus

Prognose

  • häufig Chronifizierung

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