Geschrieben von Leyla Al-Sayegh (Medizinstudentin im 11. Semester)
Die Spondylolisthesis wird salopp gesagt auch „Wirbelgleiten” genannt und beschreibt eine Verschiebung oder ein Abgleiten eines Wirbels nach vorne (lat. ventral – „Ventrolisthesis“) oder seltener nach hinten (lat. dorsal – „Retrolisthesis“).
Meistens ist die Lendenwirbelsäule, also Wirbeln im Bereich des Kreuzes, betroffen. Nach Wachstumsabschluss sind etwa 6% der Bevölkerung betroffen.
Die Wirbelsäule reicht vom Schädelknochen bis zum Kreuzbein des Beckens. Sie besteht aus 24 einzelnen Wirbeln, die durch 23 Bandscheiben verbunden werden, weswegen sie eigentlich keine starre „Säule“, sondern eher eine „Gelenkskette“ darstellt. Diese Wirbel lassen sich nochmals in 7 Halswirbel, 12 Brustwirbel und 5 Lendenwirbel einteilen.
Am unteren Ende schließen die Sakralwirbel an, die allerdings im Laufe der Entwicklung miteinander verschmolzen sind und deswegen in Summe als „Kreuzbein“ bezeichnet werden. Die einzelnen Wirbel liegen exakt so aufeinander, dass einerseits jeder Wirbel mit seinem Nachbarwirbel darüber und darunter schön abschließt, also eine Reihe bildet und die Wirbelsäule andererseits insgesamt von der Seite gesehen eine doppel-S-förmige Form annimmt: Im Bereich der Halswirbel und der Lendenwirbel zeigt die Wirbelsäule eine Krümmung nach vorne (lat. „Lordose“), die Brustwirbelsäule und auch das Kreuzbein sind hingegen nach hinten gekrümmt (lat. „Kyphose“).
Die Aufgabe der Wirbelsäule besteht zum einen in der Stabilisierung des gesamten Rumpfs und zum anderen in der Ermöglichung der ausgiebigen Bewegung im Oberkörper. Darüber hinaus bildet sie einen knöchernen Schutz für den Rückenmarkskanal (die zentrale Leitungsbahn der Körpernerven).
Ein einzelner Wirbel besteht vereinfacht gesagt aus einem Wirbelkörper, einem daran nach dorsal („hinten“) anschließenden Wirbelbogen und 3 sogenannten Fortsätzen, die je nach Region mehr oder weniger ausgeprägt sind und als Ansatz von Rippen, Muskeln oder Bändern dienen.
Das Wirbelgleiten, die Spondylolisthesis, entsteht meistens im Rahmen einer „Spondylolyse“. Die Spondylolyse bezeichnet eine Spaltbildung am Wirbelbogen eines Wirbels, wodurch der Wirbel sozusagen in 2 Teile (Wirbelkörper mit kurzem Beginn des Wirbelbogens und Wirbelbogen) geteilt wird. Diese Spondylolyse ist niemals angeboren.
Allerdings wird die Spaltbildung am häufigsten bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren beobachtet, weswegen angenommen wird, dass PatientenInnen, die eine Spondylolyse entwickeln, schon von Geburt an (durch anatomische Gegebenheiten) ein erhöhtes Risiko dazu haben.
Im Endeffekt kommt es allerdings erst durch mechanische Überbeanspruchung (z.B. durch häufiges Trampolinspringen, Turnen, Delfinschwimmen in der Kindheit) zu Fehlbelastungen und Umbauprozessen, die die Trennung des Wirbelkörpers zum Wirbelbogen verursachen. Die Spondylolyse kann ein- oder beidseitig sein, tritt meistens nach dem 10. Lebensjahr auf und wird in fast allen Fällen an den untersten 2 Lendenwirbel beobachtet. Je jünger das Kind bei der Entwicklung der Spaltbildung ist, desto schlimmer ist die Ausprägung der Spondylolisthesis, des Wirbelgleitens.
Die häufigere Unterform der Spondylolisthesis, die „Antheroslisthesis“, entsteht dann in weiterer Folge und beschreibt ein Abgleiten des Wirbelkörpers nach vorne während der Wirbelbogen auf seinem Platz gehalten wird. Durch eine Spondylolyse im Kindesalter kommt es so gut wie nie zu der ohnehin selteneren „Retrolisthesis“ – einem Abgleiten des Wirbelkörpers nach hinten im Gegensatz zum darunterliegenden Wirbel.
Es kann selten auch andere Gründe für ein Wirbelgleiten geben: Durch altersbedingte Abbauprozesse am Wirbel, den Bandscheiben und den Wirbelgelenken, können ebenfalls Verschiebungen entstehen. Dabei wird keine echte Spondylolyse beobachtet, weswegen ein Abgleiten nach vorne dann auch als „Pseudospondylolisthesis“ bezeichnet wird.
Hierbei sind vor allem PatientenInnen nach dem 50. Lebensjahr betroffen. Im Rahmen dieser altersbedingten Form des Wirbelgleitens werden in manchen Fällen auch „Retrolisthesen“ beobachtet. Selten können auch Brüche, Tumore, Entzündungen oder vorangegangene Operationen an der Wirbelsäule zu einer Spondylolisthesis führen.
Im Kindesalter macht die Spondylolyse oft keine Beschwerden, da der Prozess langsam voranschreitet und die um die geschädigte Wirbelsäule liegende Strukturen so ausreichend Zeit für Anpassungen haben. In einigen Fällen könnten aber auch schon Kinder beziehungsweise Jugendliche über Kreuzschmerzen klagen, die dann meistens durch eine Reizung der Bandscheibe verursacht werden.
Die Schmerzen verschlimmern sich in der Regel beim Zurückbiegen der Wirbelsäule oder beim Drücken auf die entsprechende Stelle. Falls die Bandscheibe massiven Veränderungen ausgesetzt ist, kann es neben denr
Es wird oft berichtet, dass die Schmerzen beim Liegen, Sitzen und Vorbeugen der Wirbelsäule besser werden. Eine Rückbeugung der Wirbelsäule, langes Stehen oder Gehen verschlimmern die Symptome hingegen.
Neben den Schmerzen erkennt man eine Spondylolisthese bei Kindern an der Körperhaltung: Durch das Vorrutschen des Wirbels wird das Becken nach vorne gekippt und die Wirbelsäule kann nicht mehr gerade gehalten werden – ein Hohlkreuz entsteht. In schwereren Fällen kann die Wirbelverschiebung beim Tasten als Stufenbildung gespürt werden („Sprungschanzenphänomen“).
Beim Erwachsenen resultiert eine Hypermobilität, also eine vermehrte Bewegungsmöglichkeit im betroffenen Bereich. Diese Gegebenheit führt häufig zu Kreuzschmerzen, die durch Schmerzen, Gefühlsveränderungen oder Schwächegefühl in den Beinen begleitet werden können.
Bei anhaltenden Rückenschmerzen, vor allem in Kombination mit einem Hohlkreuz, steht die mögliche Diagnose einer Spondylolisthese im Raum. Um eine optimale Therapie durchführen zu können, sollte bei Symptomen ein OrthopädeIn aufgesucht werden.
Oft sind Spondylolyse und Spondylolisthese Zufallsbefunde, die im Rahme einer Röntgenuntersuchung (die wegen anderer Ursachen durchgeführt wird) auffallen. Wenn keine Beschwerden verursacht werden, muss aber auch keine weitere Abklärung oder Therapie erfolgen – wichtig ist dann nur zu wissen, dass durch wiederholtes Ausüben von die Wirbelsäule stark beanspruchenden Übungen (Trampolinspringen, Bodenturnen,…) Symptome durchaus noch eintreten können.
Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Spondylolisthesis gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte:
Zu Beginn findet zumeist ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) statt. Im Zuge dieses Gesprächs sollten alle bei dem Patienten vorliegenden Krankheitszeichen so genau wie möglich beschrieben werden. Dabei werden Informationen über die Symptome (Art, Dauer, Verbesserung, Verschlechterung, auslösende Faktoren,…), Vorerkrankungen oder –operationen, Erkrankungen oder ähnliche Symptome in der Familie, über das soziale, familiäre und eventuell berufliche Umfeld erhoben.
Im Anschluss folgt eine ausführliche körperliche Untersuchung, wobei sowohl auf die natürliche Haltung (Hohlkreuz, Beckenkippen?) und Bewegungsabläufe (zum Beispiel beim Entkleiden) geachtet wird, als auch spezielle Untersuchungsmethoden durchgeführt werden. Der Arzt/die Ärztin wird beispielsweise die Wirbelsäule abtasten, um das Sprungchancenphänomen (also die Abstufung der Wirbelsäule) oder eine Schiefstellung oder Verdrehung der Wirbelsäule erkennen zu können.
PatientenInnen könnten überdies aufgefordert werden spezielle Bewegungsabläufe (z.B. Vor- und Zurückneigen des Oberkörpers) oder Kraftübungen (beispielsweise in Rückenlage die Beine vom Untergrund heben) vorzuzeigen und die Schmerzlinderung/-verschlechterung daraufhin bekannt zu geben.
Schon nach dem ersten Gespräch und der Untersuchung kann der Verdacht auf eine Spondylolisthese gestellt werden.
Zur Absicherung muss eine Röntgenaufnahme durchgeführt werden. Durch das Röntgenbild in Seitaufnahme kann eine Klassifizierung (nach Meyerding) der Spondylolisthese erfolgen:
Falls die Kreuzschmerzen stärker werden oder Gefühlsveränderungen, Schmerzen oder eine Schwäche in den Beinen auffallen, müssen zur weiteren Abklärung eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Computertomographie (CT) des Lendenwirbelbereichs durchgeführt werden, um die Ursache oder Komplikationen (z.B.
Auch eine sogenannte Skelettszintigraphie kann in manchen Fällen – vor allem bei Verdacht auf neu aufgetretene Spondylolyse – von Vorteil für die weiteren Therapiemaßnahmen sein. Dabei wird nach ausgiebiger Aufklärung und unter Einwilligung eine radioaktive Substanz in die Vene gespritzt. Nach einer gewissen Zeit (meistens wenigen Stunden) wird dann am ruhig liegenden PatientenIn ein Bild mit einer speziellen Kamera aufgenommen.
Durch die vorher verabreichte Substanz kann dann beurteilt werden, wie viel Energie bestimmte Körperteile verbrauchen – im Falle einer gerade entwickelten Spondylolyse würde sich genau dort viel Aktivitätsenergie zeigen, da der Körper versucht, den gerade entwickelten Bruch wieder zu heilen. Während der Durchführung kann eine Sedierung der PatientenIn nötig sein, wenn eine ruhige Lage nicht gewährleistet ist (häufig bei kleinen Kindern).
Wenn die Diagnose einer Spondylolisthese oder auch der Spondylolyse durch einen Zufallsbefund (z.B. in einem Röntgenbild) erkannt wird, aber keine Beschwerden bestehen, muss keine Therapie durchgeführt werden.
Bewegungsmuster oder Sportarten, bei denen es immer wieder zum Zurückneigen des Oberkörpers kommt (z.B. Turnen, Trampolinspringen, Delphinschwimmen,…) sollten allerdings weitgehend vermieden werden.
Sollte die Spondylolisthese allerdings durch Rückenschmerzen oder Beschwerden in den Beinen aufgefallen sein, wird in erstem Schritt eine konservative Basistherapie (wie auch bei akuten Bandscheiben-Problemen) empfohlen:
Im Weiteren werden Physiotherapie und Trainingstherapie (insbesondere Aufbau der Rücken-, Bauch- und Rumpfmuskulatur zur Stabilisierung) empfohlen.
Erst bei fortgeschrittenem Befund (massive Schmerzen, massive Ausstrahlungen in die Beine, Meyerding Grad 3-5) und Ausbleiben eines Erfolgs durch konservative Maßnahmen (Schmerzmittel, richtige Lagerung, Training) kann an eine Operation der Wirbelsäule gedacht werden: Bei Kindern sollte ein Fortschreiten des Wirbelgleitens verhindert werden, bei Erwachsenen steht die Symptomlinderung bei starken Schmerzen im Vordergrund. Eine Rückführung des abgeglittenen Wirbels mit anschließender Stabilisierung der betroffenen Wirbelsäulengelenke („Spondylodese“) wird durchgeführt. Dabei wird durch einen Schnitt am Rücken die Wirbelsäule freigelegt und entweder kleine Knochenstücke oder Schrauben und Platten aus Titan oder Kunststoff so an der Wirbelsäule angebracht, dass diese versteift wird. Auch andere operative Verfahren kommen nach Ermessen des OperateurIn, Grad der Spondylolisthese, Symptomatik und Alter des/ der Betroffenen in Frage.
Häufig werden Spondylolisthesen zufällig gefunden, machen keine Beschwerden und bedürfen daher auch keiner Therapie.
Sollten Symptome schon aufgetreten sein, gibt es einige günstige und auch ungünstige Faktoren, die die Prognose, die Schmerzentwicklung und die Therapieoptionen beeinflussen.
Günstige Faktoren:
Ungünstige Faktoren:
Mit einem Auftreten von 6% in der Allgemeinbevölkerung nach Wachstumsabschluss ist die Spondylolisthese kein seltenes Erscheinungsbild. Deswegen sollte ein größeres Bewusstsein herrschen, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen, die gerne Übungen machen, welche immer wieder zur Rückneigung der Wirbelsäule führen, ein erhöhtes Risiko der Spondylolisthese-Entwicklung besteht.
Das heißt nicht, dass diese Kinder und Jugendlichen keine Sportarten, die den Rücken beanspruchen, ausführen sollen – es sollte bei Auftreten von Schmerzen allerdings an die Möglichkeit der Spondylolisthese gedacht und eventuell Röntgenkontrollen angeschlossen werden.
Sollte tatsächlich eine Spondylolyse diagnostiziert werden, wird empfohlen, Bewegungen und Sportarten mit Rückwärtsneigung zu unterlassen, da diese ein Fortschreiten der Spondylolisthese fördern könnten.
Frisch aufgetretene Spondylolysen können sogar noch durch Ruhigstellung mit Gipsverband oder Korsett wieder vollkommen ausheilen. Diese werden vor allem durch eine Knochenszintigraphie diagnostiziert.
Bei Auftreten von Kreuzschmerzen können generell einige Basismaßnahmen getroffen werden, die zur Besserung der Symptome führen:
Als kreuzschmerzlindernde Heilpflanzen werden Tollkirschen und Hagebutten häufig erwähnt. Diese können ergänzend unter genau empfohlener Zubereitung und nach Absprache mit Arzt/Ärztin oder ApothekerIn eingenommen werden.
Kinder, bei denen eine Spondylolisthese bekannt ist, sollten immer wieder Röntgen-Kontrollen zum Abschätzen des Fortschreitens durchführen lassen. Bei ausgewachsenen Wirbelsäulen ändert sich der Grad des Wirbelgleitens in der Regel nicht, eine Verschlechterung der Symptomatik kann dennoch durch Schädigungen der Bandscheiben oder Reizung von Nerven auffallen.
Bei neu aufgetretenen Symptomen oder Verschlimmerung der Schmerzen sollte deswegen immer ein Arzt aufgesucht werden, um Komplikationen (z.B. Bandscheibenvorfälle) frühzeitig erkennen und behandeln zu können.
Physiotherapeutische oder trainingstherapeutische Maßnahmen zur Muskelstärkung werden ein Leben lang empfohlen.
Falls eine Operation durchgeführt wurde, sollten in regelmäßigen Abständen unter Absprache mit dem behandelten Arzt/ Ärztin Kontrollen durchgeführt werden.
Die Spondylolisthese beschreibt ein Wirbelgleiten (hauptsächlich nach vorne) und wird meistens durch eine Spaltbildung im Wirbelbogen ausgelöst, das durch die Wirbel belastende Übungen (z.B. ständige Rückneigung des Rumpfes beim Turnen, Trampolinspringen,…) verursacht wird – aber auch Unfälle, Tumore, Entzündungen oder vorangegangene Operationen sowie altersbedingte Wirbelveränderungen („Pseudospondylolisthese“) können zum Wirbelgleiten führen.
Oft macht die Spondylolisthese keinerlei Beschwerden, häufige Symptome sind jedoch Kreuzschmerzen sowie Schmerzen, Gefühlsänderungen oder Schwächegefühl in den Beinen. Die Diagnose wird bei Symptomen durch die Anamneseerhebung, klinische Untersuchung und eine Röntgenaufnahme (manchmal dann auch zufällig bei Symptomlosigkeit) gestellt und therapiert wird die Spondylolisthese in erster Linie konservativ (Wärme, Schmerzmittel, Lagerung, Trainings- und Physiotherapie) und nur im äußersten Notfall operativ (durch Rückführung und Versteifung des abgerutschten Wirbelsegments).
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Geschrieben von
Leyla Al-Sayegh
Medizinisch geprüft am
3. Aug. 2022
Erkrankung zusammengefasst
Wirbelgleiten, Gleitwirbel
Begriffe
Bandscheibenvorfall
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