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Sichelzellanämie

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Geschrieben von
Leonard Schwarz

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Sichelzellanämie?

Die Sichelzellkrankheit (auch Sichelzellanämie genannt) ist eine angeborene Erkrankung der roten Blutzellen. Durch eine genetische Mutation kommt es zu veränderten Hämoglobinmolekülen. Hämoglobin ist das Molekül der roten Blutzellen, welches Sauerstoff transportiert. Dadurch kommt es insbesondere bei körperlicher Anstrengung oder Sauerstoffmangel zu Beschwerden. Rote Blutzellen sind normalerweise rund und flach (ähnlich wie das amerikanische Gebäck Donut), bei der Sichelzellkrankheit verändern sie ihre Form und werden länglich, so wie eine Sichel. Durch die veränderte Form können die roten Blutzellen verklumpen und kleine Gefäße verstopfen („vasooklusive Krise“).

Wissenswert

Die Sichelzellkrankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass die Krankheit erst auftritt, wenn ein Kind die veränderten Gene (Mutation) von beiden Eltern erbt. Das Kind ist dann eine homozygoter Genträger. Die Eltern müssen nicht zwangsweise erkrankt sein; wenn sie nur ein verändertes Gen haben, können sie komplett beschwerdefrei sein (heterozygote Genträger). Dementsprechend ist es auch möglich, dass ein erkrankter Elternteil ein gesundes Kind bekommen kann, welches nur ein verändertes Gen erbt und beschwerdefrei lebt.

Was sind die Symptome einer Sichelzellanämie?

Betroffene haben meistens bereits im Kindesalter Beschwerden. Durch die Sichelform der roten Blutzellen kann es zu Gefäßverschlüssen kommen. Versorgten die betroffenen Gefäße vorher Organe mit Sauerstoff, so werden diese nicht mehr ausreichend versorgt und dadurch stark geschädigt, es kommt zum Organinfarkt. Je nach Ausprägung kann es zu kleinen Funktionsausfällen kommen oder das ganze Organ kann zugrunde gehen. Betroffene können starke Schmerzen haben. Weitere Beschwerden sind abhängig vom betroffenen Organ (z.B. Luftnot beim Lungeninfarkt). Am häufigsten sind die Milz , die Nieren und das Herz betroffen. Aber auch Infarkte der Gefäße im Hirn, in den Lungen und in der Leber sind nicht selten.

Bei Sauerstoffmangel (z.B. bei Bewegung oder Stress) kann es zu einer lebensbedrohlichen Komplikation kommen, in welche die roten Blutzellen vermehrt abgebaut werden, man spricht von einer hämolytischen Krise. Betroffene sind schwer krank, haben Fieber , Schüttelfrost und Kreislaufprobleme. Durch den Zerfall der Blutzellen können sich Abbauprodukte in der Haut ansammeln und diese gelblich verfärben (Ikterus).

Achtung

Nicht selten müssen Betroffene intensivmedizinisch behandelt werden. Darüber hinaus kann es durch Gefäßverschlüsse kleinster Gefäße zu unterschiedlichen Krankheitsbildern kommen. Bei Jungen und jungen Männern mit der Sichelzellkrankheit kann es zu einer gefährlichen und schmerzhaften Dauererektion („Priapismus“) kommen. Es handelt sich um einen medizinischen Notfall, welcher sofort behandelt werden muss, um Langzeitschäden zu vermeiden. Bei Schäden von kleinen Gefäßen der Haut , insbesondere an den Unterschenkeln, kann es zu Hautdefekten („Ulkus“) kommen, die nur schlecht abheilen.

Wie wird die Sichelzellanämie diagnostiziert?

Die Diagnose wird durch eine Blutentnahme gesichert. Die veränderten Blutzellen erkennt man unter dem Mikroskop. Außerdem kann man in einem weiteren Verfahren (Hämoglobinelektrophorese) das veränderte Hämoglobinmolekül untersuchen, auch hierfür reicht eine einfache Blutentnahme.

Zukünftig soll die Sichelzellanämie bei allen Neugeborenen im Neugeborenen-Screening untersucht werden. Dadurch können Therapien frühzeitig begonnen und Komplikationen vorgebeugt werden.

Therapie bei Sichelzellanämie

Die Therapie ist sehr vielfältig und besteht auf zwei Pfeilern: die kurzfristige Notfalltherapie und die langfristige Dauertherapie. Im Notfall richtet sich die Therapie nach den Beschwerden der Betroffenen. Bei starken Schmerzkrisen können hochdosiert Schmerzmittel gegeben werden. Bei Fieber und Schüttelfrost muss nach einem Infekt gesucht werden, Betroffene werden mit Antibiotika behandelt. Bei der Sichelzellkrankheit können die Augen, die Lunge , das Herz , die Milz , die Niere , die Knochen und die Leber betroffen sein.

Da Infekte das Auftreten von hämolytischen Krisen erhöhen kann, werden Betroffenen aller Impfungen der aktuellen Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts für Patienten ohne Milzfunktion („Asplenie“) angeraten. Dazu gehören, neben den allgemeinen Impfungen, solche gegen Pneumokokken, Meningokokken und das Influenzavirus. Darüber hinaus wird Kindern mit Sichelzellkrankheit zwischen dem 3. Lebensmonat und dem 5. Lebensjahr eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen, da besonders in diesem Alter Pneumokokkeninfektionen häufig tödlich enden.

Als langfristige Therapie gibt es die Möglichkeit regelmäßiger Transfusionen (i.d.R. monatlich), sowie die Dauerbehandlung mit Hydroxycarbamid. Hydroxycarbamid wirkt über die Steigerung eines anderen Hämoglobinmoleküls (HbF), welches nicht verändert ist. Dieses Hämoglobin kommt natürlicherweise nur bei ungeborenen und neugeborenen Kindern vor. Durch das Medikament kann das Auftreten von Schmerzereignissen und hämolytischer Krisen verringert werden.

Die einzige, langfristige Heilungschance besteht in der Stammzelltransplantation. Diese kann entweder von einem gesunden Geschwisterkind oder von einer Person mit ähnlichem Immunzellmuster gespendet werden.

Wissenswert

In aktuellen Studien werden außerdem an Gentherapien geforscht, welche schon erste Erfolge verzeichnen konnte. In den nächsten Jahren könnte mit einer Zulassung einer Gentherapie gerechnet werden.

Wie ist die Prognose einer Sichelzellanämie?

Unbehandelt verläuft die Sichelzellkrankheit früh tödlich. In gut behandelten Fällen mit wenigen Krisen kann eine annähernd normale Lebenserwartung erreicht werden. Häufig führen die Krisen jedoch zu schweren Komplikationen mit tödlichem Verlauf.

Wie kann man einer Sichelzellanämie vorbeugen?

Die Beschwerden entstehen durch die veränderte Form der roten Blutzellen. Es gibt verschiedene Risikofaktoren, die das Auftreten von akuten Gefäßverschlüssen (vasookklusive Krise) begünstigen. Das Vermeiden solcher Risikosituationen kann das Auftreten gefährlicher Komplikationen verringern. Flüssigkeitsmangel sollte verhindert und mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr (mind. 1,5L täglich), insbesondere bei Sport und Hitze, vorgebeugt werden. Alkoholzufuhr wirkt harntreibend und begünstigt Flüssigkeitsmangel, sollte also vermieden bzw. eingeschränkt werden.

Für Betroffene gilt die Impfempfehlung des Robert Koch-Instituts für Menschen ohne Milzfunktion (Asplenie). Infektionen stellen eine große Gefahr für Betroffene dar und sollten mit allgemeinen Hygienemaßnahmen reduziert werden. Auch sollen Reisen in tropische Regionen vermieden werden.

Eine Ansäuerung des Blutes (Azidose) und Unterkühlung können ebenfalls Auslöser darstellen. Starke körperliche Anstrengungen sollten komplett vermieden und es sollte auf warme Kleidung geachtet werden.

Achtung

Sauerstoffmangel sollte auf jeden Fall vermieden werden. Betroffene sollten auf keinen Fall rauchen. Besondere Vorsicht gilt beim Bergsteigen (>2000m) und bei Langstreckenflügen.

Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einer Sichelzellanämie

Bei der Sichelzellkrankheit handelt es sich um eine komplexe, genetische Erkrankung. Betroffene müssen engmaschig medizinisch betreut werden. Allgemein gibt es keine Empfehlungen für alternative Therapieansätze. Dennoch können nach ärztlicher Rücksprache alternativmedizinische Ansätze als Begleittherapie angesetzt werden.

Empfehlungen zur Nachsorge bei einer Sichelzellanämie

Betroffene sind meistens lebenslänglich an der Sichelzellkrankheit oder an den Folgen davon erkrankt. Sie werden lebenslänglich medizinisch betreut. Darüber hinaus sollten Betroffene und Angehörige gut geschult werden, um gefährliche Situationen im Alltag zu vermeiden und Beschwerden frühzeitig zu erkennen.

Zusammenfassung

Die Sichelzellkrankheit ist eine genetische Mutation der roten Blutzellen. Durch die Mutation kommt es zur Bildung veränderter Hämoglobinmoleküle, dadurch verformen sich die roten Blutzellen und es kommt zu Gefäßverschlüssen und Organinfarkten. Die einzige, heilende Therapie besteht in der Stammzelltransplantation.

Häufig gestellte Patientenfragen, beantwortet

Malaria ist eine Tropenkrankheit, die im Mittelmeerraum und in Afrika von Mücken übertragen wird. Durch den Mückenstich gelangen Parasiten ins Blut, und vermehren in den roten Blutzellen. Menschen mit Sichelzellkrankheit (homozygoter Träger für das veränderte Gen) und solche mit nur einem veränderten Gen (heterozygoter Träger) erkranken wesentlich seltener an Malaria als Menschen ohne dieses veränderte Gen.

Grund dafür ist der veränderte Aufbau der roten Blutzellen, in denen sich die Parasiten nicht ausreichend vermehren können, um die Malaria-Krankheit auszulösen. Da heterozygote Träger meistens beschwerdefrei und zusätzlich besser gegen Malaria geschützt sind haben sie Vorteile gegenüber anderen Populationen, man spricht von Selektionsvorteil.

Durch die verformten, roten Blutzellen kann es zu lebensgefährlichen Organinfarkten und hämolytischen Krisen kommen. Werden diese schweren Komplikationen nicht rechtzeitig versorgt, können sie tödlich verlaufen.

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Sichelzellanämie einfach erklärt

Sichelzellkrankheit, Drepanozytose

Häufigkeit

  • Prävalenz in DE: 3000-5000 Patienten

Risikofaktoren

  • Vererbung von Mutter und/oder Vater

Ursachen

  • Vererbung
  • Defektes Gen das für die Synthese von Hämoglobin verantwortlich ist

Pathophysiologie

  • Vererbung eines defekten Gens > Fehlerhafte Hämoglobinsynthese > falsche Hämoglobinstruktur > starre
  • Vererbung eines defekten Gens > Fehlerhafte Hämoglobinsynthese > falsche Hämoglobinstruktur > Bildung starrer sichelförmiger Erythrozyten

Symptome

  • Schmerzen
  • Anämie
  • Organschäden
  • Infektanfälligkeit
  • Schwellung
  • Geschwüre
  • Sehstörung
  • Gelbsucht (Ikterus)
  • Schlaganfall

Komplikationen

  • akute venöse Obstruktion der Milz
  • Obstruktion der retinalen Gefäße
  • Hämorrhagien
  • proliferative Retinopathie

Diagnose

  • Anamnese
    • Leiden sie Phasenweise unter stärksten Schmerzen?
    • Sind diese Schmerzen vor allem im Bauch, den Knochen und den Gelenken lokalisiert?
    • Wurde bei ihnen eine Blutarmut (Anämie) festgestellt?
    • Leiden sie unter Schäden einzelner Organe? (z.B. der Lunge)
    • Haben sie häufig Infekte?
    • Leiden sie unter Schmerzen, Rötungen und Schwellungen der Hände und Füße?
    • Wurden bei ihnen Geschwüre festgestellt?
    • Leiden sie unter Sehstörungen?
    • Leiden sie unter Gelbsucht?
    • Hatten sie in der Vergangenheit einen/mehrere Schlaganfälle?
    • Haben sie Vorfahren aus West- oder Zentralafrika?
    • Leiden Familienangehörige unter Sichelzellanämie?
  • Laboruntersuchung
    • Blutuntersuchung: mitkoskopische Darstellung der sichelförmigen roten Blutkörperchen
    • molekularbiologischen Untersuchung: Nachweis des mutierten Gens

Therapie

  • Medikamente
  • Konservative Behandlung

Prognose

  • Je früher die Symptome behandelt werden, desto besser ist die Prognose
  • Unbehandelt verläuft die Erkrankung meist tödlich.

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