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Reizdarmsyndrom

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Geschrieben von
Dr. Moritz Wieser (Arzt)

Das Reizdarmsyndrom ist eine sogenannte funktionelle Störung des Darms mit charakteristischen Symptomen, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken können.

Definitionsgemäß können für die Diagnose Reizdarmsyndrom keine Auffälligkeiten in der Struktur des Darms oder in Laborwerten gefunden werden. Die Häufigkeit des Reizdarmsyndroms wird derzeit weltweit auf 11,2 % geschätzt. Frauen sind insgesamt häufiger betroffen als Männer.

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren eines Reizdarmsyndroms?

Das Reizdarmsyndrom zeigt eine Häufung innerhalb von Familien. Teilweise besteht die Häufung schon über mehrere Generationen. Wenn ein Verwandter an einem Reizdarmsyndrom leidet, ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls zu erkranken, beispielsweise etwa 2-3 Fach erhöht. Am häufigsten sind Frauen in der zweiten und dritten Lebensdekade betroffen, wobei hier das Verhältnis gegenüber Männern etwa 2:1 beträgt. Grundsätzlich ist das Syndrom häufig mit sogenannten somatoformen Störungen (= körperliche Symptome ohne organische Ursache) und psychischen Störungen kombiniert.

Bei Erkrankten bestehen häufig auch andere funktionelle Störungen wie die funktionelle Dyspepsie, das Chronic Fatigue Syndrom oder das Fibromyalgie-Syndrom. Weitere assoziierte Störungen sind Depressionen, Angsterkrankungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Essstörungen. Zudem bestehen bei Reizdarmsyndrom-Patienten auch oft andere Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes, Stressinkontinenz und Allergien. Ursächliche Störungen, die bei der Erkrankung im Vordergrund stehen, sind eine erhöhte Darmbewegung im Sigma (=Abschnitt des Dickdarms), ein Rückfluss von Darmgasen in den Magen und eine krankhafte Transitzeit der Nahrung.

Grundsätzlich geht man beim Reizdarmsyndrom von einer gestörten Darm-Hirn-Achse aus, wobei genauer noch 15 krankheitsrelevante Ursachen unterschieden werden können:

Was sind die Symptome eines Reizdarmsyndroms?

Symptome, die beim Reizdarmsyndrom häufig auftreten sind ein Unbehagen oder Schmerzen im Bauch, eine veränderte Darmfunktion (Durchfälle oder Verstopfungen), starkes Pressen während des Stuhlganges, ein Gefühl der nicht vollständigen Stuhlentleerung, Abgang von Schleim beim Stuhlgang und ein Blähungs- oder Völlegefühl. Zudem können stark hörbare Darmgeräusche bei Betroffenen auftreten. Bei der Stuhlfrequenz unterscheidet man zwischen weniger als 3 Stuhlgänge pro Woche (=Obstipation/Verstopfung) , beziehungsweise über drei Stuhlgänge pro Tag (=Diarrhoe/Durchfall ). Eine weitere Unterscheidung ist zwischen hartem/klumpigem Stuhl und weichem/matschigen Stuhl.

Wie wird das Reizdarmsyndrom diagnostiziert?

Bei der Diagnose durch den Arzt sind besonders der Zeitpunkt und die Art der ersten Symptome wichtig. Zudem können auch die Begleitsymptome sowie verstärkende/erleichternde Faktoren wichtige Hinweise auf die Diagnose liefern. Der Verlauf und die Konsequenzen der Symptome im Alltag spielen auch bei den Behandlungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Viele Ärzte werden zur Diagnosesicherung die sogenannten ROM-III-Kriterien abfragen.

Die Kriterien sind erfüllt, wenn Betroffene wiederkehrende Bauchschmerzen oder ein Unbehagen im Bauch über mindestens 3 Tage im Monat über die letzten 3 Monate mit mindestens 2 der folgenden Kriterien haben:

  • Erleichterung der Beschwerden/Symptome durch Stuhlgang
  • Der Beginn der Beschwerden war mit einer Änderung der Stuhlfrequenz verbunden
  • Der Beginn der Beschwerden war mit einer Änderung der Stuhlkonsistenz verbunden

Die Klassifikation des Reizdarmsyndroms erfolgt danach nach der IBS-Klassifikation (=Irritable Bowel Symptome):

  • IBS-C (=constipation/Verstopfung ): 21 % der Betroffenen, harter/klumpiger Stuhl bei über 25 % der Entleerungen.
  • IBS-D (=diarrhea/Durchfall): 31 % der Betroffenen, weicher/matschiger Stuhl bei über 25 % der Entleerungen.
  • IBS-M (=mixed/kombiniert): 27 % der Betroffenen, harter/klumpiger oder weicher/matschiger Stuhl bei über 25 % der Entleerungen.
  • IBS-U (=unsubtyped/nicht näher eingeteilt): 21 % der Betroffenen, Kriterien werden für IBS-C, IBS-D oder IBS-M nicht erfüllt.

Befunde oder Symptome, die gegen eine funktionelle Störung wie das Reizdarmsyndrom sprechen, sind: Beginn der Symptome nach dem 50. Lebensjahr, Symptome in der Nacht, die den Betroffenen aus dem Schlaf aufwecken, Symptome, die sich mit der Zeit immer mehr verstärken, starker Gewichtsverlust, Fieber , Blut im Stuhl , Blutarmut, Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung und Mitglieder der Familie, die entweder an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, an Darmkrebs oder an einer Glutensensitivität leiden. Diese Symptome oder Gegebenheiten sind eher für chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder von Darmkrebs typisch.

Zur Diagnose eines Reizdarmsyndroms gehört, neben einer Anamnese durch den Arzt, auch eine genaue körperliche Untersuchung inklusive rektaler Abtastung. Bei Frauen empfiehlt sich zudem eine gynäkologische Untersuchung, bei der gynäkologische Gründe für Schmerzen im Unterbauch (beispielsweise Menstruationsbeschwerden) ausgeschlossen werden. In der Labordiagnostik sollte ein Blutbild inklusive verschiedener Marker wie beispielsweise CRP , TSH, Pankreas- und Leberwerte angefertigt werden.

Hinweis

Weitere wichtige Untersuchungen zum Ausschluss anderer Erkrankungen sind der Bauchultraschall, Tests zur Untersuchung auf Laktose- beziehungsweise Fruktoseintoleranz , die Darmspiegelung, die Magenspiegelung , die Magnetresonanztomografie und bei Verstopfung eine anorektale Funktionsdiagnostik. Alle diese Untersuchungen können ein körperliches Problem für die Symptome ausschließen und zur Bestätigung der Diagnose Reizdarmsyndrom führen.

Häufige Differenzialdiagnosen, die im Zuge eines Reizdarmsyndroms unbedingt ausgeschlossen werden sollten, sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Entzündungen des Dickdarms (=Kolitiden), Zöliakie , Divertikulitiden, Darmkrebs und Magenerkrankungen.

Therapie bei Reizdarmsyndrom

Bei der Therapie kann zwischen Allgemeinmaßnahmen und einer Therapie der dominierenden Symptome unterschieden werden. Wichtig dabei ist, dass es zwischen behandelndem Arzt und Betroffenen eine gute sowie stabile Arzt-Patienten-Beziehung gibt.

Betroffenen sollte klar sein, dass die Diagnose im medizinischen Sinn "harmlos" ist, aber trotzdem ernst genommen werden sollte und somit nicht bedeutungslos ist.

Hinweis

Die erste Allgemeinmaßnahme ist eine Eliminierung von auslösenden Faktoren wie beispielsweise Ernährungsumstellungen oder von starkem Stress.

Überwiegen Symptome der Verstopfung, können wasserlösliche Ballaststoffe oder osmotisch wirksame Abführmittel eingesetzt werden. Sind hingegen Durchfall-Symptome das Hauptproblem, können Antidiarrhoika (z.B. Loperamid), wasserlösliche Ballaststoffe, Cholestyramin, Antidepressiva oder Antibiotika helfen. Gegen Schmerzen und Blähungen können eine Vielzahl von verschiedenen Medikamenten eingesetzt werden. Beispielsweise können bei Krämpfen Spasmolytika (=krampflösende Medikamente) wie Mebeverin oder Butylscopolamin eingesetzt werden. Probiotika können ebenfalls schmerzlindernd wirken und helfen auch bei Problemen der Darmpassage.

Medikamente, die ebenfalls gegen Schmerzen und auch psychische Symptome im Rahmen des Reizdarmsyndroms helfen, sind trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin oder Desipramin), Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z.B. Paroxetin, Sertralin oder Citalopram) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (z.B. Venlafaxin oder Duloxetin). Zudem können serotonerge Substanzen wie Alosetron und Tegaserod helfen, welche jedoch in Deutschland nicht zugelassen sind. Als psychotherapeutische Optionen zur Behandlung des Reizdarmsyndroms eignen sich vor allem die Hypnotherapie und die kognitive Verhaltenstherapie.

Wissenswert

Alternative Therapiemethoden, die nicht so gut durch Studien in Bezug auf die Erkrankung erforscht, wurden sind: Meditationen, Selbsthilfegruppen, Akupunktur und die Phytotherapie.

Wie ist die Prognose eines Reizdarmsyndroms?

Die Prognose des Reizdarmsyndroms unterscheidet sich von Betroffenen zu Betroffenem. Wichtig ist es, die Erkrankung ernst zu nehmen und einige Therapieoptionen durchzuprobieren, bis man das Richtige für sich selbst gefunden hat. Da die Erkrankung häufig mit psychischen Störungen kombiniert auftritt, empfiehlt es sich, sich auch diesbezüglich betreuen zu lassen.

7 Jahre nach Erkrankungsbeginn haben in etwa 55 % der Betroffenen noch Reizdarm-Beschwerden. 13 % der Betroffenen werden in diesem Zeitraum beschwerdefrei und 21 % zeigen zumindest eine Symptomlinderung. Generell lässt sich sagen, dass die Prognose des Reizdarmsyndroms auch von der Dauer der Beschwerden abhängig ist. Personen, die schon lange Beschwerden haben, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit für eine Besserung. Dabei ist vorwiegend das allgemeine Stresslevel relevant. Personen mit einem permanenten, gleichbleibenden Lebensstress zeigen eher keine Besserung der Beschwerden, wobei Personen, die ihr Stresslevel reduzieren können, oft eine Linderung der Symptome zeigen.

Wie kann man einem Reizdarmsyndrom vorbeugen?

Derzeit gibt es keine bekannten Maßnahmen zur Vorbeugung eines Reizdarmsyndroms.

Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einem Reizdarmsyndrom

Als Hausmittel sind eine ballaststoffreiche Kost, Wärmeanwendungen bei Bauschmerzen und Fencheltee mit Carminativa (Anis, Kümmel, Pfefferminz) bei Blähungen empfehlenswert.

Empfehlungen zur Nachsorge bei einem Reizdarmsyndrom

Die Nachsorge findet im Regelfall beim behandelnden Internisten oder Allgemeinmediziner in regelmäßigen Abständen oder beim Wiederauftreten von Problemen statt.

Zusammenfassung

Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Erkrankung des Darms und kann durch eine Vielzahl von Symptome zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen. Betroffen haben häufig ein Unbehagen oder Schmerzen im Bauch sowie veränderte Stuhlgewohnheiten in Form von Durchfall oder Verstopfung . Es gibt eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten, wobei eine gute Arzt-Patienten-Beziehung und das Durchprobieren von allen Behandlungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen.

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Reizdarmsyndrom einfach erklärt

Reizdarm

Häufigkeit

  • Prävalenz: 10 bis 20 von 100 Menschen
  • Minfestationsalter: 20 und 30 Jahren
  • Frauen > Männer (2:1)

Risikofaktoren

  • gen. Veranlagung
  • psychische Belastung
  • Stress
  • Ernährungsgewohnheiten
  • Lebensmittelunverträglichkeiten

Ursachen

  • zurückliegende Magen-Darm-Infektion (teils über Jahre)
  • Störung der Darm-Hirn-Achse
  • psychische Einflüsse
  • Motilitätsstörung
  • Erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut
  • Erhöhte Immunaktivität in der Darmschleimhaut
  • Gestörte Darmflora
  • Gestörter Serotoninhaushalt

Symptome

  • Durchfall
  • Verstopfung
  • Bauchschmerzen
  • Blähungen

Komplikationen

  • es gibt keine bekannten Komplikationen

Diagnose

  • Anamnese
    • Leiden sie häufig an Bauchschmerzen?
    • Leiden sie häufig an Durchfall?
    • Haben sie häufig Verstopfungen?
    • Haben sie häufig Blähungen?
  • Körperliche Untersuchung
    • Untersuchung des Abdomens
  • Ultraschalluntersuchung
    • Darstellung der Organe des Abdomens
  • Laboruntersuchung
    • unauffällige Blutwerte
  • Koloskopie
    • unauffälliger Befund bei Koloskopie
  • Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD)
    • unauffälliger Befund bei ÖGD
  • Spezifische Tests
    • Das Reizdarm-Syndrom ist eine Ausschlussdiagnose!
    • Stuhltagebuch über zwei Wochen führen
    • Tests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten (z.B. H2-Atemtest)

Differenzial Diagnose

  • Laktoseintoleranz

Therapie

  • Symptomatische Therapie

Präventionsmaßnahmen

  • gesunder Lebensstil (z.B gesunde Ernährung)
  • Bewegung
  • Stressreduktion

Prognose

  • sehr unterschiedlicher Verlauf
  • bei langem Verlauf eher shclechte Prognose

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