Geschrieben von Dr. med. Jasmin Pilatzek (Ärztin)
Neurodermitis: Wer hat es nicht schon in seinen Bekanntenkreisen gehört? Neurodermitis wird ebenso als atopische Diathese bzw. atopisches Ekzem bezeichnet. Sie ist die häufigste chronische Hauterkrankung der Bevölkerung im Kleinkindesalter. Meist beginnen die Symptome bereits in einem Alter zwischen drei bis sechs Monaten.
Im Erwachsenenalter kann sich der Formenkreis des atopischen Ekzems ändern: Das bedeutet, dass es in einem
Die Pathogenese der Erkrankung ist noch nicht ausreichend geklärt: Dennoch wurden Gene gefunden, die zu einer familiären Häufung dieser Erkrankung führen. Bei Erkrankung beider Eltern beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Ausprägung der atopischen Diathese 60-70 Prozent.
Die identifizierten Gene führen nicht direkt zu der Erkrankung. Sie führen aber zu einer gestörten Hautbarriere, sodass die Patienten anfälliger sind. Die Haut trocknet schneller aus. Dadurch ist sie sensibler für äußere Reize. Bei bestimmten Triggerfaktoren kann die Erkrankung ausbrechen. Weiterhin wird ein „Hygienekonzept“ diskutiert.
Hierbei heißt es, dass das Immunsystem nicht mit genügend äußerlichen Reizen konfrontiert wurde. Darunter zählen Tierstoffe, Schmutz bzw. Staub im Haushalt etc. Die Folge ist, dass das „ungelernte“ Immunsystem überschießend auf diverse Triggerfaktoren reagiert.
Triggerfaktoren sind beispielsweise irritierende Stoffe auf der
Die Hauptmanifestation der Neurodermitis ist die juckende Hautreizung. Die Haut ist dabei sehr empfindlich, sodass sie sich entzündlich verändert. Die entzündlichen Stellen beginnen im Säuglingsalter charakteristischerweise im Gesicht. Weiterhin kann ein
Dabei handelt es sich um flächige, gelbliche Schuppen im Gesicht und auf der behaarten Kopfhaut. Der Begriff „Milchschorf“ entstand wegen der Ähnlichkeit zu einem Bild verbrannter Milch. Im Kleinkindesalter sind die typischen Stellen an den Streckseiten der Extremitäten. Nach der Abheilung erscheint die Haut hyperpigmentiert, also flächig dunkler.
Wie bereits erwähnt, kann die atopische Dermatitis ebenso folgenlos ausheilen. Typisch sind dabei erkrankte Kinder, die zur Einschulung bzw. zu Beginn der Pubertät keine Symptome mehr zeigen. Im fortgeschrittenen Alter, circa ab 18 Jahren, sind die Prädilektionsstellen die Beugeseiten der Extremitäten, sowie Hals und Dekolleté. Insgesamt verläuft die Erkrankung schubweise.
Es kann es zu einer feinen Schuppung des gesamten Körpers oder der Finger- und Zehenkuppen kommen. Weiterhin verändert sich die betroffene Haut: Sie wird gröber, es entstehen sogenannte Lichen. Dieser Begriff steht für verbreitere Hautfalten.
Aufgrund des Juckreizes neigen die Patienten, diesen mit Kratzen zu unterbinden. Die Nägel der Patienten erscheinen glänzend. Das Kratzen führt jedoch zu einer Verstärkung der Entzündung und des Immunsystems. Eine sogenannte Sensibilisierung des Immunsystems ist die Konsequenz: Es reagiert nun auf Umweltstoffe überempfindlich, also allergisch. Das bedeutet, dass harmlose Umweltfaktoren zu einer chronischen, allergischen Überreaktion führen.
Die Patienten erfüllen bestimmte Stigmata. Diese Stigmata können Hinweise auf eine Erkrankung des atopischen Formenkreises sein. Darunter zählen das „Hertoghe-Zeichen“ und die „Dennie-Morgan Falte.“ Unter diesen Zeichen versteht man zum einen die laterale Ausdünnung der Augenbrauen sowie eine doppelte Unterlidfalte.
Ferner ist eine Gesichtsblässe mit halonierten Augen ein weiteres, charakteristisches Symptom der Atopie. Ebenso wird von einem weißen Dermografimus gesprochen: Es handelt sich hierbei um ein Abblassen der
Aufgrund der gestörten Hautbarriere können sich ebenso Bakterien und Pilze besser ansiedeln, sodass eine erhöhte Infektneigung resultiert. Dies unterhält die Entzündung und die ständige Reaktivierung des Immunsystems.
Die atopische Dermatitis ist eine Blickdiagnose: Trockene, juckende und gereizte Hautveränderungen an den Prädilektionsstellen. Wie bei jeder ärztlichen Untersuchung erfolgt zunächst die Anamnese. Hierbei werden nach vorangegangenen Ekzemen, nach einer Neigung zu Hautinfektionen, möglichen Triggerfaktoren sowie weiteren Formenerkrankungen, wie Asthma und chronischer Schnupfen gefragt. Ebenso ist die Familienanamnese, also die Krankheiten, die bei Angehörigen auftraten, zur Diagnoseeinordnung relevant.
Nach der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Hier kann der Hautzustand beurteilt und Proben bei Hautinfektionen genommen werden. Zur Einschätzung der Beschwerden im Alltag wird der SCORAD-Score angewandt. Folgende Parameter dienen dieser Einschätzung: Ausmaß des körperlichen Befalls, Intensität des Juckreizes und subjektive Symptome wie Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen etc.
Insgesamt unterscheidet man die extrinsische von der intrinsischen Form der atopischen Diathese. Extrinsisch bedeutet hierbei die Bildung von Antikörpern, speziell Ig-E., also der allergischen Unterform. Dies ist mit 70-80 Prozent der Fälle die häufigste Form.
Diese Form wird nochmals in zwei Unterformen differenziert. Primär die Typ-1, sowie sekundär die Typ-2-Reaktion. Typ I ist hierbei eine sofort vermittelte Allergieform, die durch Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaaren und Nahrungsmittel ausgelöst wird.
Die Typ-4 Reaktionen wird durch Duft- und Kontaktstoffe verursacht. Die Diagnostik der allergischen Form erfolgt über die Bestimmung der Ig-E Antikörper bzw. spezifischer Allergentests. In der laborchemischen Blutuntersuchung fällt eine Erhöhung der eosinophilen Blutkörperchen, also eine Eosinophilie auf. Zur Testung von Nahrungsmittelallergien kann ein Provokationstest in Erwägung gezogen werden.
Die Ursachen der intrinsischen, also nicht allergischen Form, sind beispielsweise Kälteexposition, häufiges Waschen, hormonelle Veränderungen sowie psychische Belastungsstörungen. Hier kann keine spezifische Allergiediagnostik erfolgen.
Bei nicht eindeutigen Hautbefunden bzw. nicht übereinstimmender Anamnese kann eine histologische Probe entnommen werden. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen indiziert und dient dem Ausschluss bösartiger Hauterkrankungen.
Für die Therapie stehen mehrere Ansätze infrage. Eine wesentliche Rolle sind die Allgemeinmaßnahmen. Hiermit ist primär die Vermeidung diverser Triggerfaktoren gemeint, wie extreme Kälteexposition, ständiges Waschen oder mechanische Hautirritationen. Bei bekannter Allergenkonstellation sollten diese eliminiert bzw. eine Immuntherapie begonnen werden. Weiterhin werden eine Neurodermitisschulung und psychologische Begleitmaßnahmen empfohlen.
Auch in den schubfreien Intervallen ist eine tägliche Basispflege der Haut notwendig. Das Ziel ist, den Flüssigkeitsverlust über die Barrierestörung der Haut zu reduzieren. Hierfür werden verschiedene Cremes mit Harnstoff, Paraffin sowie Glycerin angewandt. Ebenso können sie als Badezusätze oder als fettfeuchte Umschläge verwendet werden.
Weiterhin ist eine wesentliche Säule der Therapie Kortison. Kortison kann entweder lokal auf der Hand aufgetragen oder aber oral eingenommen werden. Es gibt vier Wirksamkeitsstufen. Die sind in aufsteigender Reifenfolge folgende Wirkstoffe: Hydrocortison, Betamethason, Mometason und Clobestasol.
Als Nachteil hervorzuheben, ist der Aspekt, dass es bei der Anwendung zu einer Hautatrophie und weiteren Nebenwirkungen kommen kann. Dennoch sind sie vor allem in einem Schub ein effektiver Bestandteil dieser Therapie. Hierfür beginnt man mit einer niedrigen Stufe.
Die weitere Eskalation der Therapie stellt die Anwendung von Immunsuppressiva dar, wie beispielsweise Calcineurininhibitoren. Typische Vertreter der lokalen Immunsuppression sind Pimecrolismus sowie Tacrolismus.
Zwar weisen sie nicht den Nachteil der Hautatrophie auf, dennoch gibt es keine Langzeiterfahrungen. Eine Kontraindikation ist ein Alter unter 2 Jahren. Ferner können Immunsuppressiva systemisch verabreicht werden. Dupilumab ist beispielsweise eine neue Antikörper-Therapie, die bisher jedoch nicht in den Leitlinien erfasst wurde.
Supportiv können Medikamente gegen den
Die letzte Säule der Therapie ist die Phototherapie. Das UV-Licht bestimmter Wellenlängen (UV-A und UV-B) wirken dabei antientzündlich. Sie dürfen jedoch nicht mit einer Immunsuppression kombiniert werden. Ein weiterer Nachteil ist die Möglichkeit der Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms, also ein Hautkrebs.
In Allgemeinen ist die Prognose der Neurodermitis gut. In 60 Prozent der Fälle sind die Patienten im Erwachsenenalter beschwerde- bzw. symptomfrei. Dennoch ist sie abhängig von den Komplikationen und der Konsequenz der Therapie. Die Infektion der Hautveränderungen mit Bakterien, Viren oder Pilzen bestimmen den Schweregrad der Komplikationen.
Wie bereits bei der Therapie erwähnt, gibt es seit 2017 einen neuen Antikörper, der zur Anwendung bei Neurodermitis kommt. Dies ist bisher jedoch kein fester Bestandteil der Leitlinien-Therapie. Dennoch wird dieser als weitere Wahl bei der Behandlung mittel bis schwere Formen in Betracht gezogen.
Es ist eine subkutane Anwendung. Das bedeutet, dass sich die Patienten selbst alle zwei Wochen ins Fettgewebe spritzen, um eine Hemmung der Entzündungsreaktion zu erreichen.
Leider sind Kinder, als auch Erwachsene, öfter davon abgeneigt, tägliche Cremes bzw. Tabletten zu verwenden. Dies führt zu einem großen Interesse alternativer Medizin. Insgesamt ist dies jedoch keine evidenzbasierte Medizin, sodass es keine primäre Anwendung findet, aber komplementär bzw. unterstützend eingesetzt werden kann.
Neurodermitis, auch atopisches Ekzem bzw. Diathese, ist die häufigste chronische Hauterkrankung im Kindesalter. Hauptmanifestation ist der stark juckende
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Geschrieben von
Dr. med. Jasmin Pilatzek
Medizinisch geprüft am
14. Nov. 2022
Die Neurodermitis manifestiert sich meistens in einem Alter zwischen drei bis sechs Monaten. Im Säuglingsalter können jedoch schon Symptome wie Milchschorf und ein Hautbefall der Wangen auffällig sein.
Ja, der Formenkreis der atopischen Diathese ist sehr vielfältig. Entweder findet ein Etagenwechsel, also die Verschiebung der Erkrankung oder aber eine Ausheilung statt. Unter dem Etagenwechsel versteht man die Transformation der Neurodermitis in Asthma bronchiale, Schnupfen oder chronische Bindehautentzündung.
Es fehlt bei der Erkrankung kein Vitamin. Lediglich wird bei der Phototherapie die Synthese des Vitamin D's weiterhin verstärkt. Dies fördert die antientzündliche Wirkung der Therapie, erlaubt aber nicht die Schlussfolgerung, dass ein Mangel existent ist.
Wie bereits bei den Therapien erwähnt, gibt es mehrere Säulen der Therapie. Neben der Basispflege, wie mit harnstoffhaltigen Cremes, ist vor allem die Anwendung kortisonhaltiger Cremes eine sehr effektive Therapie.
Ja, aufgrund eines hormonellen Ungleichgewichtes, kann Neurodermitis ausgelöst werden. Dennoch ist die Pathogenese multifaktoriell und nicht ausschließlich aufgrund dysbalancierter Hormone zu erklären.
Grundsätzlich darf man bei der Erkrankung der Neurodermititis alles essen, sofern man nicht an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit leidet, die die Neurodermitis unterhält.
Hier können Provokationstests bzw. spezifische Allergentestungen erfolgen, um die Nahrungsmittel, die zur Allergie führen, zu identifizieren.
Meistens sind die Patienten im Erwachsenenalter geheilt. Dies erfordert zunächst die Krankheitseinsicht und die darauffolgende konsequente Anwendung der erwähnten Therapie.
Erkrankung zusammengefasst
atopisches Ekzem, atopische Dermatitis
Begriffe
Asthma Bronchiale
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