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Nesselsucht

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Geschrieben von
Dr. Moritz Wieser (Arzt)

Die Nesselsucht oder auch Urtikaria ist eine häufige Intoleranzreaktion der Haut , die durch sogenannte Quaddel (Urtica) gekennzeichnet ist. Die Quaddel sind lokale, flüchtige Ödeme, welche durch eine kurzfristig erhöhte Gefäßdurchlässigkeit nach Histaminfreisetzung aus Mastzellen entstehen.

Urtikaria ist weltweit eines der häufigsten dermatologischen Krankheitsbilder und jeder Vierte erleidet innerhalb seines Lebens wenigstens eine Episode. Das akute und episodische Auftreten der Urtikaria ist 5- bis 10-Mal häufiger als die chronisch-rezidivierende Form.

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Nesselsucht?

Die Ursache von Urtikaria liegt in aktivierten und degranulierten Mastzellen. Sie führen über Mastzellmediatoren wie Histamin, Kallikrein und Eicosanoiden zu einer Gefäßerweiterung und erhöhten Durchlässigkeit in der oberen Dermis und/oder der unteren Dermis sowie der Subkutis.

Die Ödeme in der unteren Dermis und Subkutis werden auch als Angioödeme bezeichnet. Bei Patienten mit chronischen Urtikaria erfolgt die Degranulation von Mastzellen in der Haut nach heutigem Kenntnisstand über autoimmune Mechanismen.

Mehrere Wegen können zur Mediatorfreisetzung aus Mastzellen führen. Insbesondere erwähnenswert sind hier die Bindung von IgE-Molekülen an den hochaffinen FCE-Rezeptor der Mastzelle, welche bei manchen Formen der physikalischen Urtikaria wichtig ist, die Aktivierung durch Spaltprodukte des Komplementsystems (C3a, C5a), die direkte Degranulation über Polypeptide, physikalische Stimuli (mechanische Traumen, Kälte, Hitze) und zytotoxische Agenzien.

Wissenswert

Die akute Urtikaria tritt bei 20-25 % der Bevölkerung zumindest 1-mal im Leben auf. Die Mehrheit der Fälle tritt dabei in der ersten Lebenshälfte auf, wobei es meist innerhalb von 2-3 Wochen zu einer spontanen Abheilung kommt. Am häufigsten tritt die akute Urtikaria im Rahmen eines Infektionsgeschehens auf, wobei der auslösende Infekt auch bis zu 2 Wochen zurückliegen kann.

Die chronische Urtikaria tritt bevorzugt im Erwachsenenalter auf und in Deutschland geht man von einer Häufigkeit von etwa 1 % (etwa 800 000 Betroffene) in der Gesamtbevölkerung aus. Bei der chronischen Urtikaria kommt es zu einem häufigeren Auftreten bei Frauen mit dem Verhältnis 2:1 gegenüber Männern.

Was sind die Symptome einer Nesselsucht?

Die Symptome der Urtikaria sind flüchtige, unscharf begrenzte, über das Hautniveau erhabene Hautveränderungen, die im Regelfall jucken. Die Größe kann sehr stark variieren, wobei es bis zu handflächengroßer Urtikaria kommen kann. Üblicherweise bestehen die Hautveränderungen weniger als 24 Stunden und zeigen ein Kommen und Gehen. Angioödeme bestehen meist für 48-72 Stunden und jucken in der Regel nicht, sondern erzeugen ein Spannungsgefühl. Es kommt etwa zu einem gleich häufigen Auftreten von Urtikaria mit oder ohne einem Angioödem.

Wie wird die Nesselsucht diagnostiziert?

Untersuchungen bei Nesselsucht

Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen einer Nesselsucht gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte:

Zu Beginn findet zumeist ein ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) statt. Im Zuge dieses Gesprächs sollten alle bei dem Patienten vorliegenden Beschwerden so genau wie möglich beschrieben werden. Im Falle der Nesselsucht ist es besonders wichtig darauf einzugehen, ob es im Zuge des Ausschlags zu Juckreiz oder Brennen kommt.

Darüber hinaus ist es besonders wichtig, auch die möglicherweise vorliegenden Begleitbeschwerden zu benennen. Im Anschluss ist es die Aufgabe des Arztes zu prüfen, ob diese Beschwerden mit einer einfachen Nesselsucht in Zusammenhang stehen können oder ob die Zusammenschau aller vorliegenden Symptome eher auf eine andere Erkrankung, die bloß mit Hautausschlag einhergeht, hindeutet. Kommt es neben dem Ausschlag zum Beispiel auch zu Fieber , ist eine Infektion, die mit Hautausschlag einhergeht, deutlich wahrscheinlicher.

Im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch findet eine orientierende körperliche Untersuchung statt. Im Zuge dieser Untersuchung inspiziert der Arzt die betroffenen Hautareale und prüft, ob der Hautausschlag erhaben oder plan ist, ob er mit Schuppungen einhergeht und/oder ob zusätzlich kleine Bläschen sichtbar sind.

Bei der Abklärung von akuter Urtikaria ist die Suche nach den auslösenden Umständen notwendig. Beispielsweise können vorausgegangene bakterielle oder virale Infekte, sowie Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder neu eingenommene Medikamente zu einer Urtikaria-Symptomatik führen.

Man spricht von akuter Urtikaria, wenn die Quaddeln unter 6 Wochen bestehen, und von einer chronischen Urtikaria, wenn die Symptome über 6 Wochen andauern. Je nach Auftreten der Quaddeln erfolgt weiters eine Einteilung in eine kontinuierliche (jeden Tag neue Quaddeln) und in eine intermittierende (auch Tage ohne Quaddeleruption) Form.

Die Differenzialdiagnosen der akuten Urtikaria umfassen das urtikarielle Arzneimittelexanthem , die Urtikaria-Vaskulitis, sowie das Angioödem durch C1-Esterase-Inhibitor-Mangel. An eine Urtikaria-Vaskulitis ist insbesondere zu denken, wenn die Hautveränderungen länger als 24 Stunden bestehen. Zur Diagnosesicherung ist dann eine Hautbiopsie notwendig, bei der sich eine milde nekrotisierende Vaskulitis zeigt und in der direkten Immunfluoreszenz Ablagerungen von Immunglobulinen sowie von Komplement C3.

Bei der Diagnose der chronischen Urtikaria ist eine Abgrenzung zu einer physikalischen Urtikaria wichtig. Die Einteilung der chronischen Urtikaria erfolgt weiters in eine chronisch spontane Urtikaria (CSU) und eine chronisch induzierbare Urtikaria (CIndU). Bei der chronisch spontanen Urtikaria treten die Beschwerden ohne einen spezifischen Auslöser auf. Bei der chronisch induzierbaren Form ist der Auslöser hingegen bekannt.

Die Häufigkeitsverteilung von CSU zu CIndU beträgt etwa 3:1. Die Diagnose einer physikalischen Ursache erfolgt immer durch eine entsprechende Provokationstestung. Induzierbare physikalische Urtikaria sind beispielsweise Druckurtikaria, Kälteurtikaria, Lichturtikaria, Röntgenurtikaria, Wärmeurtikaria oder Vibrationsurtikaria.

Zu den anderen Urtikaria-Formen gehören die Aquagene-Urtikaria, die Kontakturtikaria und die cholinergische Urtikaria. Differenzialdiagnosen der chronischen Urtikaria sind das sehr seltene Schnitzler-Syndrom sowie die ebenfalls sehr seltenen autoinflammatorischen Syndrome wie das Muckle-Wells-Syndrom, das familiäre Mittelmeer-Fieber und das chronische infantile neurologisch-kutane, artikuläre Syndrom (CINCA-Syndrom).

Die Diagnostik der chronischen Urtikaria sollte immer gezielt erfolgen, speziell auf mögliche entzündliche oder allergische Auslöser. Sinnvolle Labor-Untersuchungen, um die chronische Urtikaria abzuklären sind Blutbild und Differenzialblutbild, Blutsenkung, C-Reaktives-Protein, Gesamt-IgE. Weiterführende Labor-Untersuchungen bei Auffälligkeiten im Basis-Labor oder anamnestischen Hinweisen sind die Bestimmung von Antinukleären-Antikörper (ANA), Kryoglobuline, Schilddrüsenhormone (FT3, FT4) sowie TSH.

Eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie mit akuter Urtikaria tritt häufiger bei Kindern als bei Erwachsenen auf. Eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie als Auslöser einer chronischen Urtikaria ist eine Seltenheit und ungefähr für 1 % der chronischen Urtikaria verantwortlich. Die Bedeutung pseudoallergener Diäten wird heutzutage eher kritisch gesehen.

Eine standardisierte Diät ohne Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Antioxidantien und natürlichen Pseudoallergenen sollte zumindest für 4 Wochen durchgeführt werden. Bei einer Besserung der Beschwerdesymptomatik kann die Diät für 3-6 Monate fortgeführt werden, danach kann die Diät eventuell langsam gelockert werden. Ungefähr die Hälfte aller Patienten mit chronischer Urtikaria unter standardisierter, pseudoallergenarmer Diät, vertrug nach 6 Monaten wieder Vollkost.

Therapie bei Nesselsucht

Das Ziel der Behandlung einer akuten Urtikaria ist die Symptomfreiheit. Hierfür werden nichtsedierende H1-Antihistaminika (beispielsweise Desloratadin) verwendet, welche meist innerhalb von 2 Tagen zu einer Besserung der Symptome führen. Andere mögliche H1-Antihistaminika sind Cetirizin, Fexofenadin, Levocetirizin, Loratadin, Mizolastin und Rupatadin. Ist nach 2-3 Tagen kein Rückgang der Symptome erfolgt, kann auch eine Antihistaminika-Steoird-Therapie erwogen werden.

Bei einem sehr starken Verlauf und insbesondere in Kombination mit einem Angioödem kann der Einsatz einer Kombinationstherapie auch sofort erfolgen. Bei der akuten Urtikaria dosiert man das nichtsedierende H1-Antihistaminikum meist zu Beginn mit einer Tablette pro Tag, bei weiterem Bestehen der Beschwerden kann die Dosis auch auf 2 x 1 beziehungsweise auf 2 x 2 Tabletten pro Tag gesteigert werden.

Bei einer oralen Kombinationstherapie mit einem Steroid sollte am 1-3 Behandlungstag eine Prednisolon-Äquivalenzdosis von 0,5 mg/kg Körpergewicht erreicht werden. Am 4-6 Behandlungstag kann eine Reduktion dieser Dosis auf 0,25 mg/kg Körpergewicht durchgeführt werden.

Hinweis

Bei der chronischen Urtikaria gelingt es häufig nicht, den Auslöser für die Hautveränderungen festzustellen. In diesen Fällen erfolgt die Behandlung symptomatisch und über eine Stufentherapie. Bei allen Formen der chronischen Urtikaria ist eine Behandlung mit einem modernen H1-Antihistaminikum angezeigt.

Da die Nebenwirkungen dieser Medikamente eher gering sind, empfiehlt es sich vor einem Medikamentenwechsel auf eine andere Wirkstoffklasse zuerst die Maximaldosis auszureizen. Führt eine Therapie mit oralen Antihistaminika zu keiner Symptomfreiheit, ist heute ein rekombinanter, humanisierter Antikörper (Omalizumab) gegen alle Formen der chronisch spontanen Urtikaria möglich. Sprechen die Betroffenen innerhalb von 6 Monaten nicht auf die Therapie an, wird daraufhin eine Off-label Therapie mit Ciclosporin empfohlen.

Daneben gibt es auch noch Alternativen für einige Verlaufsformen bei einem Nicht-Ansprechen auf die üblichen Therapien. Hier sind insbesondere Dapson bei der Urtikaria factitata, sowie Doxepin bei der Kälteurtikaria erwähnenswert. Der Leukotrien-Rezeptor-Antagonist Montelukast ist bei der Behandlung der chronischen Urtikaria hingegen unwirksam.

Wie ist die Prognose einer Nesselsucht?

Die Prognose unterscheidet sich je nachdem, ob die Urtikaria akut oder chronisch auftritt und nach der auslösenden Ursache. Im Regelfall verschwindet eine akute unkomplizierte Urtikaria innerhalb von 2-3 Wochen von allein. Mit Antihistaminika kann das Verschwinden die Hautveränderungen noch zusätzlich beschleunigt werden.

Alternativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten und Haushaltsmittel bei einer Nesselsucht

Bei einer Urtikaria können Essig-Umschläge, Backpulver und eine Kältebehandlung als Hausmittel eingesetzt werden.

Empfehlungenzur Nachsorge bei einer Nesselsucht

Je nach Verlauf der Nesselsucht kann eine Kontrolle beim Dermatologen notwendig werden.

Zusammenfassung

Die Nesselsucht oder Urtikaria ist eine der häufigsten Krankheitsbilder in der Dermatologie und ist durch das Auftreten von juckenden Quaddeln charakterisiert. Bei etwa 20-25 % der Bevölkerung tritt eine Urtikaria zumindest 1-Mal im Leben auf, wobei sich Betroffene meist in der ersten Lebenshälfte befinden.

Die Urtikaria wird in eine akute und eine chronische Form eingeteilt, wobei sich je nach Typ die Therapie der Erkrankung sowie der Verlauf unterscheidet.

Häufig gestellte Patientenfragen, beantwortet

In der Regel macht eine Nesselsucht nicht müde. Durch die Symptomatik kann eine chronische Urtikaria jedoch die Lebensqualität beeinträchtigen und so zu einem Verlust von Energie führen.

Nach heutigem Wissenstand wird eine Urtikaria nicht durch einen Vitamin-Mangel verursacht. Dementsprechend ist die Wirkung einer Vitamintherapie eher zu hinterfragen. Hausmittel welche bei einer Urtikaria zur Anwendung kommen sind Essig, Backpulver sowie Kältebehandlungen.

In der Regel verschwindet eine akute Urtikaria in 2-3 Wochen von selbst, wobei es auch zu einem längeren Andauern der Symptome kommen kann. Je nach Ursache kann eine chronische Urtikaria über einen viel längeren Zeitraum auftreten. Bei einem Bestehen der Beschwerden sollte auf jeden Fall ein Hautarzt (Dermatologe) aufgesucht werden, der eine entsprechende antihistaminerge Therapie einleiten kann.

Urtikaria können beispielsweise durch abnorme Reaktionen auf physikalische Reize (Kälte, Licht, Druck) oder durch anaphylaktische Reaktionen ausgelöst werden.

Bei Nesselsucht gibt es keine spezifischen Ernährungseinschränkungen. Steht ein Nahrungsmittel im Verdacht die Urtikaria auszulösen, sollte auf dieses Nahrungsmittel verzichtet werden.

Falls die Urtikaria durch physikalische Reize oder Nahrungsmitteln ausgelöst wurden, kann eine Exposition gegenüber diesen Reizen zu einer Verschlechterung der Nesselsucht führen.

Urtikaria werden vor allem durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie durch physikalische Reize ausgelöst. Auch eine Reihe von Allergien und Autoimmunerkrankungen können Quaddeln auslösen.

Warum die Nesselsucht-Schübe häufig Nachts auftreten ist noch ungeklärt. Häufig können solche Schübe auch zu Schlafstörungen führen da das Jucken am Abend meist stärker ist und kleine, unabsichtliche Berührungen der Quaddeln im Schlaf zu Juckreiz-Schüben führen können.

In der Regel werden Quaddeln nicht durch Hormone ausgelöst.

Prinzipiell können vor allem neue Medikamente eine Urtikaria auslösen. Diesen Ausschlag nennt man dann "urtikarielles Arzneimittelexanthem".

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