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Kleinwüchsigkeit

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Geschrieben von
Lisa Maria Schulte

Circa 100.000 Menschen sind in Deutschland schätzungsweise kleinwüchsig. Man gilt in der Medizin als kleinwüchsig, wenn die Körpergröße unter der dritten Perzentile bestehen bleibt. Das bedeutet einfacher ausgedrückt: Wenn 97 Prozent der Menschen im gleichen Alter größer als man selbst ist, gehört man zu den Kleinwüchsigen.

Bei Männern liegt die Normgrenze bei 1,5 Metern und bei Frauen bei 1,4 Metern. Jedoch sind die Zahlen relativ, da die Durchschnittsgröße je nach Land variiert.

Wie funktioniert das normale Wachstum?

Wissenswert

Der Mensch wächst ab dem Zeitpunkt seiner Zeugung – zunächst in der Gebärmutter und nach der Geburt bis zum Ende der Wachstumsphase. Die Wachstumsperiode endet bei Mädchen meistens in der Regel nach dem 16. Lebensjahr, bei Jungen im Durchschnitt mit 19 Jahren. Einige Jahre danach kann zwar Wachstum immer noch stattfinden, welcher aber im Normalfall nur noch minimal ist.

Das größte Wachstum erleben Menschen in den ersten Lebensjahren (um die 25cm im ersten, 11cm im zweiten, 8cm im dritten Jahr) und während der Pubertätsphase (ca. 7-10cm pro Jahr).

Entscheidend für die Körpergröße ist besonders die Beinlänge. Während der Wachstumsphase wird kontinuierlich neue Knochensubstanz in der Epiphyse (Wachstumsfuge) der Röhrenknochen angebaut. Dadurch verlängert sich der Knochen.

Die Steuerung des Wachstums wird von Hormonen bestimmt, welche in verschiedenen Geweben die Zellen dazu anregen, sich zu vermehren und sich zu vergrößern. Dabei ist das entscheidende Wachstumshormon, das sogenannte „Growth Hormone (GH)“ oder auch Somatotropin genannt. Es wird in einer Drüse (der Hirnanhangsdrüse) im Gehirn produziert und in den Blutkreislauf von dieser abgegeben.

Mittels der Blutzirkulation gelangt das Hormon zu bestimmten Rezeptoren in der Leber und dockt an diese an. Die Leber schüttet dadurch das sogenannte IGF-Hormon (Insulin-like growth factor) aus, welches ebenfalls in den Blutkreislauf abgegeben wird. Über diesen Weg gelangt es zu unterschiedlichen Körpergeweben wie Knochen oder Muskeln, wo es das Wachstum fördert.

Was ist die zu erwartende Endgröße?

Zum größten Teil spielt die Körpergröße eine genetische Rolle. Jedoch kann sie auch von äußeren Faktoren wie etwa Erkrankungen, elterliche Fürsorge oder Ernährung abhängen.

Hinweis

Wie groß ein Mensch etwa wird, kann man mittels einer groben Faustregel bestimmen:

Man nimmt den Mittelwert der Körpergröße der Eltern. Bei Jungen addiert man 6.5cm zu diesem Wert hinzu und bei Mädchen subtrahiert man 6.5cm von dem Mittelwert der elterlichen Körpergröße.

Formen der Kleinwüchsigkeit

Hierbei wird von primärer und sekundärer Kleinwüchsigkeit unterschieden. Primär ist eine Kleinwüchsigkeit, wenn sie nicht durch eine andere Erkrankung verursacht wird (also kein Symptom einer anderen Krankheit ist). Sekundär wird Kleinwüchsigkeit bezeichnet, wenn sie eine indirekte oder direkte Folge einer anderen Krankheit ist.

Ebenfalls wird zwischen dysproportionierter und proportionierter Kleinwüchsigkeit unterschieden: Bei einem dysproportionierten Minderwuchs stehen einzelne Körperteile nicht in Proportion zueinander. So sind beispielsweise die Beine und Arme verkürzt, der Rumpf hat aber eine normale Größe. Bei dem proportionierten Minderwuchs sind demnach alle Körperteile in gleichem Ausmaß vom verminderten Wachstum betroffen.

Was sind die Symptome einer Kleinwüchsigkeit?

Es gibt keine allgemeinen Symptome außer, dass der kleinwüchsige Mensch eine unterdurchschnittliche Körpergröße aufweist. Der Rest der Symptome hängt von der spezifischen Form des Minderwuchses ab.

Es muss vor allem unterschieden werden, ob die verminderte Körpergröße auf genetischen Kleinwuchs zurückzuführen ist oder ob der Minderwuchs durch eine andere Grunderkrankung verursacht worden ist.

Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Kleinwüchsigkeit?

Da die Bandbreite der Ursachen des Minderwuchses sehr groß ist, werden im Folgenden die Wichtigsten geschildert:

1. Idiopathischer Minderwuchs

Als idiopathisch bezeichnet man Krankheiten, die selbstständig auftreten und deren Ursache nicht bekannt ist. Bei einem idiopathischen Kleinwuchs ist der Mensch also laut Definition kleinwüchsig, jedoch findet man keinen bekannten Auslöser für diesen. Dazu zählt auch der familiäre Minderwuchs (=Kleinwuchs, der in der Familie häufig auftritt).

Die familiäre Kleinwüchsigkeit ist die am häufigsten auftretende Form und ist nicht als Erkrankung zu betrachten.

2. Intrauteriner Minderwuchs

Wenn ein Säugling schon kleinwüchsig geboren wird, so war das Wachstum des Fötus bereits in der Gebärmutter (Uterus) beeinträchtigt. Hier spricht man dann von einem intrauterinen Kleinwuchs. Die Ursachen dafür können etwa Rauchen, bestimmte Einnahme von Medikamente oder Trinken von Alkohol während der Schwangerschaft sein. Ebenso kann hier ein „defekter“ Mutterkuchen (Plazenta) den intrauterinen Minderwuchs verursachen. Normalerweise holen aber die Betroffenen den Rückstand des Wachstums in den ersten beiden Lebensjahren wieder ein.

3. Syndromale Erkrankungen und Chromosomale Störungen

Die menschliche DNA (=Erbgut) ist in 46 Chromosome aufgeteilt. Bestimmte Defekte können zu einer veränderten Anzahl von Chromosomen oder zu einem fehlerhaften Erbgut führen und Kleinwüchsigkeit auslösen. Bei der Trisomie 21 (Down-Syndrom ) ist das der Fall, bei welcher das Chromosom 21 sich dreimal anstelle von zweimal vorfindet. Ebenfalls können Syndrome wie das Prader-Willi-Syndrom , Noonen-Syndrom, DiGeorge-Syndrome und das Silver-Russell-Syndrome Kleinwuchs auslösen.

4. Skelettdysplasien

Hierbei findet sich ein gestörtes Knochenwachstum vor. Die häufigste Form der Skelettdysplasie ist die sogenannte Achondroplasie und deren mildere Form, die Hypochondroplastie. Diese beiden Formen zählen unter anderem zu den häufigsten Ursachen der Kleinwüchsigkeit. Bei Betroffenen ist das Längenwachstum der sogenannten Röhrenknochen beeinträchtigt, wodurch die Arme und Beine verkürzt sind. Die Knochen selbst haben jedoch einen normalen Durchmesser und der Rumpf hat eine normale Länge. Mit dem Kleinwuchs geht bei der Achondroplastie auch ein auffälliges Hohlkreuz einher, sowie ein überproportional großer Kopf mit einer gewölbten Stirn.

Eine weitere wichtige Form der Skelettdysplasie, mit welcher Kleinwuchs einhergeht, ist die sogenannte Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta). Bei dieser Erkrankung ist die Synthese (=Produktion) des Kollagens gestört, welches für die Stabilität der Knochen sorgt. Aus diesem Grund sind die Knochen bei einer defekten Produktion von Kollagen extrem instabil und brechen häufig.

5. Endokrine Krankheiten

Zu dieser Gruppe gehören Hormonstörungen, welche den Kleinwuchs auslösen. So haben die Betroffenen hier ein Defizit (Mangel) an Somatotropin (=Wachstumshormon).

Ebenso kann ein erhöhter Cortisol-Spiegel im Blut, wie etwa bei dem Cushing-Syndrom, den Wachstum vermindern.

Die Hormone der Schilddrüse wie Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3) spielen ebenso eine Rolle beim Wachstum. Deshalb kann auch eine Schilddrüsenunterfunktion (=Mangel an den Hormonen T3 und T4) die Ursache von Kleinwüchsigkeit sein.

6. Malnutrition (Fehlernährung, Mangelernährung)

Für das Wachstum ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. So ist in Ländern, in denen Nahrungsmittel knapp sind, die Unterernährung eine häufige Ursache für die Kleinwüchsigkeit.

Auch Krankheiten, die verhindern, dass die Nährstoffe richtig aus dem Darm aufgenommen werden, sind auf Kleinwüchsigkeit zurückzuführen. Zu den Ursachen der schlechten bzw. mangelhaften Nährstoffaufnahme gehören demnach entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und vor allem die sogenannte Zöliakie , in welcher Gluten vom Körper nicht vertragen wird.

7. Psychosoziale Ursachen

Man darf die Folgen von psychosozialen Zuständen auf das Wachstum nicht unterschätzen. Psychische Vernachlässigung von Kindern kann zu einem Minderwuchs führen, da bei Vernachlässigung das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wird. Erhöhte Cortisolwerte im Blut führen nämlich zur Verminderung des Wachstums. Wenn sich das Umfeld noch rechtzeitig verändert, also bevor die Wachstumsphase vorbei ist, kann der Rückstand des Wachstums meistens noch aufgeholt werden.

Auch andere psychische Ursachen können der Kleinwüchsigkeit zugrunde liegen, wie etwa depressive Störungen oder Essstörungen.

Untersuchungen und Diagnose

Die Ansätze der Diagnostizierung sind unterschiedlich und zahlreich, da es eine große Bandbreite an möglichen Ursachen gibt. Zuerst aber wird die Körpergröße des Patienten bestimmt, ob überhaupt ein Minderwuchs vorliegt. Dabei vergleicht man die Messungen mit Werten von Gleichaltrigen.

Wenn bei einem Kind eine Abweichung der Körpergröße von Gleichaltrigen vorliegt, so kann man mittels einer Röntgenaufnahme anhand der linken Hand die zu erwartende Endkörpergröße berechnen. Auf diese Weise kann man ebenso ermitteln, ob der Kleinwuchs vererbt ist oder ob das Wachstum durch eine andere Krankheit beeinträchtigt wird und man bei Behandlung der verursachenden Krankheit noch eine normale Endgröße erwarten kann.

Abhängig von dem Verdacht der Ursache, ergeben sich weitere Methoden zur Feststellung des Kleinwuchses:

  • Vergleich mit Körpergröße von Geschwistern und Eltern, um familiären Kleinwuchs festzulegen
  • Hatten die Eltern gegebenenfalls eine verspätete Pubertät?
  • Bei Verdacht auf Störungen im Erbgut (Chromosomen) wird eine gezielte molekulargenetische Untersuchung der DNA veranlasst
  • Messungen und Untersuchungen des Skeletts auf Disproportionen (Skelettdysplasien)
  • Blutuntersuchungen – um ein Überschuss oder einen Mangel an den relevanten Hormonen festzustellen
  • Bei Kindern – Analyse der Ernährungsweise, sowie Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index), um eine Fehlernährung festzumachen
  • Bei Kindern – psychosoziale Umstände begutachten, Beobachtung der Interaktion zwischen Kind und Eltern

Therapie bei Kleinwüchsigkeit

Die Behandlung richtet sich nach dem Auslöser des Kleinwuchses. Wenn eine Grunderkrankung die Kleinwüchsigkeit verursacht hat, so wird diese gezielt behandelt. Die meisten Formen des Minderwuchses lassen sich jedoch überhaupt nicht oder nur mangelhaft behandeln.

Achtung

In jedem Fall ist es aber wichtig, eine frühe Diagnose zu stellen, damit man die Therapie noch in der Wachstumsphase beginnen kann. Je früher die Behandlung, desto besser steht die Prognose. Wenn sich nämlich die Epiphysen (Wachstumsfugen) der Knochen geschlossen haben, so ist die Körperlänge unveränderbar und man bleibt kleinwüchsig.

Wachstumshormone

Bei vielen Formen von Kleinwuchs werden künstlich hergestellte Wachstumshormone verabreicht, also synthetisches Somatotropin oder IGF. Das ist sinnvoll, wenn ein Defizit an diesen Hormonen der Auslöser für die Kleinwüchsigkeit ist. Aber auch bei dem intrauterinen Minderwuchs kann die Einnahme von Wachstumshormonen helfen. Bei einem idiopathischen Kleinwuchs kann man diesen Therapieansatz versuchen, um einen möglichen positiven Effekt zu erzielen. Das ist aber nicht in jedem Fall erfolgreich, da man bei einer idiopathischen Kleinwüchsigkeit die Ursache nicht kennt.

Wie ist die Prognose einer Kleinwüchsigkeit?

Bei den meisten Formen des Kleinwuchses, wie idiopathischer Minderwuchs, ist der Betroffene nicht weiter eingeschränkt, als dass er eine unterdurchschnittliche Körpergröße hat. Die Achondroplastie trägt oftmals eine erhöhte Gelenkbelastung mit sich, was zu Verschleißerscheinungen führt, die Lebenserwartung ist hierbei jedoch nicht beeinträchtigt.

Hingegen bei der Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) ist die Lebenserwartung verringert. Bei Kleinwüchsigkeit, die nur ein Symptom einer anderen Grunderkrankung ist, hängt die Prognose von dieser Krankheit ab.

Zusammenfassung

Von Kleinwüchsigkeit spricht man, wenn die Körpergröße dem Alter entsprechend unter dem Normalbereich liegt. Die Ursachen für den Kleinwuchs sind oftmals andere Grunderkrankungen, daher ist der Minderwuchs meist nur ein Symptom einer anderen Krankheit. Somit hängt die Behandlung von der darunterliegenden Krankheit ab.

Häufig gestellte Patientenfragen, beantwortet

Kleinwüchsigkeit ist meistens ein Symptom einer anderen Grunderkrankung und keine Krankheit selbst.

Wenn der Kleinwuchs auf die Familie zurückführt, das heißt also wenn Kleinwüchsigkeit häufig in der Familie auftritt, ist dies ebenfalls keine Krankheit. Die Betroffenen haben hierbei einfach nur eine unterdurchschnittliche Körpergröße.

Die Lebenserwartung von Kleinwüchsigen ist nicht beeinträchtigt und somit normal.

Außer wenn der Kleinwuchs ein Symptom der Glasknochenkrankheit ist, ist die Lebenserwartung vermindert. Wenn die Kleinwüchsigkeit ein Symptom einer anderen Erkrankung ist, so hängt die Lebenserwartung von dieser Erkrankung ab.

Wenn das Kind überdurchschnittlich klein im Vergleich zu Gleichaltrigen ist, kann dies auf Kleinwuchs hindeuten. Jedoch ist Kleinwüchsigkeit meistens ein Symptom einer anderen Krankheit. Daher sollten Sie beim Arzt einige Untersuchungen durchführen lassen, um eventuelle Krankheiten ausfindig zu machen. Denn mit einer frühzeitigen Behandlung der Grunderkrankung, hat das Kind sehr gute Chancen auf eine normale Endgröße.

Wenn beide Eltern kleinwüchsig sind, stehen die Chancen auf ein normal großes Kind sehr schlecht.In so gut wie allen Fälenl wird das Kind ebenfalls kleinwüchsig sein.

Wenn ein Elternteil kleinwüchsig ist und das andere Elternteil jedoch normal groß ist, hängt die Körpergröße des Kindes von dem Gendefekt ab. Ist der Gendefekt des Kleinwüchsigen „dominant“, so wird das Kind zu 75% ebenfalls kleinwüchsig. Ist der Gendefekt jedoch „rezessiv“ (nicht-dominant) so wird das Kind zu 25% ebenfalls kleinwüchsig.

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