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Hochsensibilität

Bei Hochsensibilität handelt es sich nach dem heutigem Forschungsstand um ein Persönlichkeitsmerkmal, das sowohl genetisch als auch durch Umweltfaktoren bedingt ist. Ein psychisches Krankheitsbild ist Hochsensibilität nicht.

Der Begriff wurde in der Psychologie insbesondere durch Elaine N. und Arthur Aron geprägt. Hochsensibilität äußert sich vor allem in einer überdurchschnittlich intensiven Informationsverarbeitung innerer und äußerer Reize.

Zu den inneren Reizen gehören körpereigene Empfindungen, beispielsweise Schmerz, Hunger oder die eigenen Emotionen sowie Gedanken. Zu den äußeren, umweltbedingten Reizen zählen unter anderem Geräusche, Gerüche oder auch die Stimmungen anderer Menschen.

Hierbei kann es jedoch erhebliche individuelle Unterschiede darin geben, welche Aspekte besonders intensiv verarbeitet werden und welche nicht.

Wissenswert

Beispielsweise ist es möglich, dass manche Hochsensible Personen (HSP) laute Musik als wenig störend, jedoch zwischenmenschliche Konflikte als sehr belastend empfinden. Vermutlich betrifft Hochsensibilität mindestens 15-30% der Bevölkerung weltweit.

Je nach Situation können sich infolge dieses Persönlichkeitsmerkmals Vor- und Nachteile ergeben. Eine Gefahr für HSP stellt einerseits die Überstimulation beziehungsweise Reizüberflutung dar, zu der es bei ihnen infolge von reizintensiven Situationen schneller kommt, da eine besonders tiefgehende Informationsverarbeitung stattfindet und mehr subtile Details wahrgenommen werden.

Es kann hierdurch häufiger zu einer Überforderung und infolgedessen zu Stresszuständen, Energiemangel und einer geringeren Leistungsfähigkeit kommen. Andererseits können auch Empathie und Gefühle gegenüber anderen Menschen durch die intensive Wahrnehmung besonders tiefgehend sein.

Somit besteht meistens ein gut entwickeltes Verständnis von Beziehungen oder Gefühlen anderer Personen. Häufig verfügen HSP über ein gutes Reflexionsvermögen ihrer Außen- als auch ihrer Innenwelt, was auf die komplexe Reizverarbeitung zurückführbar ist. Auch weisen HSP häufig besondere Begabungen auf oder sind sehr kreativ, was vermutlich mit der hohen nervlichen Aktivität zusammenhängt.

Häufig wird Hochsensibilität jedoch als Schwäche betrachtet. Dies liegt unter anderem daran, dass HSP, insbesondere wenn sie in einem ungünstigen Umfeld aufgewachsen sind, im Alltag unter Umständen weniger belastbar und von Reizen schneller überfordert sein können.

Allerdings dürfen die erwähnten positiven Aspekte der Hochsensibilität nicht außer Acht gelassen werden. Letztlich ist es eher eine kulturelle Frage, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als Schwäche oder Stärke betrachtet werden.

Ist Hochsensibilität eine Krankheit?

Aron und Aron betonen, dass Hochsensibilität nicht mit anderen psychologischen Merkmalen wie Introvertiertheit, negativer Emotionalität (also das vermehrte Erleben von als negativ empfundenen Emotionen wie zum Beispiel Angst), Schüchternheit oder einer inneren Gehemmtheit verwechselt werden sollte.

Allerdings treten die genannten Eigenschaften gehäuft im Zusammenhang mit Hochsensibilität auf. Negative Emotionalität und Schüchternheit sind vor allem bei den hochsensiblen Personen vorhanden, die von einem ungünstigen elterlichen Umfeld während ihrer Kindheit geprägt wurden.

Möglicherweise können sich auf der Grundlage einer hochsensiblen Persönlichkeitsstruktur negative Faktoren des Umfelds während der Entwicklung leichter schadhaft auf die Psyche auswirken. Somit erhöht Hochsensibilität die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen tendenziell. Insbesondere das Risiko für die Entwicklung einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung und von Depressionen scheint gesteigert zu sein.

Hinweis

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS ) und das Persönlichkeitsmerkmal Hochsensibilität haben gemeinsam, dass die Betroffenen in einer reizintensiven Situation überdurchschnittlich schnell abgelenkt werden.

Allerdings haben Personen, die unter ADHS leiden, auch in ruhigen Umgebungen Konzentrationsschwierigkeiten; Hochsensible können sich jedoch in einer solchen Umgebung meist gut fokussieren.

Auch zur Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) bestehen gewisse Parallelen; beispielsweise haben sowohl HSP als auch Personen, die unter einer BPS leiden, oftmals ein geringes Selbstwertgefühl, Beziehungsängste und Sorgen vor persönlicher Zurückweisung.

Beide Personenkreise sind besonders reizempfindlich und ein intensives emotionales Erleben ist für sie bezeichnend. Die Gefahr einer Überstimulation und somit auch das Risiko für eine erhöhte Verletzlichkeit sind also in beiden Fällen tendenziell gesteigert.

Auch weisen beide Gruppen eine hohe Rate an psychischen Begleiterkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen auf. In Bezug auf HSP trifft dies insbesondere dann zu, wenn diese in einem ungünstigen und wenig unterstützenden Umfeld aufgewachsen sind. Neben den genannten Gemeinsamkeiten gibt es jedoch auch deutliche Unterschiede zwischen HSP und Personen mit einer BPS.

Letztere neigen zu einem unkontrollierbaren und impulsiven Verhalten sowie zu einer launenhaften, instabilen Stimmung. Häufig wird ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen gehandelt und es kommen oftmals emotionale Ausbrüche vor. HSP weisen eher selten ein impulsives Verhalten auf und neigen vielmehr dazu, besonders überlegt zu handeln.

Wie kann Hochsensibilität gemessen werden?

Hochsensibilität kann unter anderem mit der von Aron und Aron entwickelten High Sensitive Person-Skala (HSP Scale) gemessen werden. Es handelt sich hierbei um einen Fragebogen mit 27 Aussagen, mit deren Hilfe die generelle Empfänglichkeit gegenüber Reizen gemessen werden kann.

Die zu testende Person gibt den Grad ihrer Zustimmung zu den Aussagen auf einer Skala von 0 bis 7 an. Allerdings gilt der Fragebogen als umstritten, da er nur eine Dimension der Hochsensibilität misst. Er wurde von anderen Autoren um drei weitere Faktoren ergänzt.

Neben der generellen Empfänglichkeit gegenüber Reizen werden beispielsweise in einer modifizierten Skala namens HSPS‑G auch drei Subfaktoren berücksichtigt: leichte Erregbarkeit, ästhetische Sensitivität und die niedrige sensorische Reizschwelle.

Eine leichte Erregbarkeit äußert sich darin, dass Betroffene starke emotionale Reaktionen auf Reize zeigen. Unter ästhetischer Sensitivität wird eine tiefe Verarbeitung von Umweltreizen verstanden, die sich beispielsweise in einer ausgeprägten Reflexion und Interpretation von Kunstwerken äußern kann.

Eine niedrige sensorische Reizschwelle führt dazu, dass Reize schnell und differenziert wahrgenommen werden.

Tipps für Menschen mit Hochsensibilität in Beziehungen und im Beruf?

HSP sollten sich ihres Persönlichkeitsmerkmals bewusst sein und lernen, entsprechend mit der eigenen Besonderheit umzugehen. Die individuellen Bedürfnisse sollten, soweit es möglich ist, mit der Lebensweise in Einklang gebracht werden.

Achtung

Werden Situationen also als belastend oder überfordernd empfunden, ist es sinnvoll, sich diesen eventuell nicht dauerhaft oder regelmäßig auszusetzen. Folgen einer Überreizung der Wahrnehmung können beispielsweise Depressionen oder Angststörungen sein.

Daher ist es für Betroffene nicht ratsam, sich zu sehr dem Alltag von Personen anzupassen, die nicht hochsensibel sind, da dies für sie zur nervlichen Überstimulation führen kann. Allerdings sollten HSP sich auch darüber bewusst sein, dass ein zu ausgeprägtes Rückzugsverhalten zur sozialen Isolation führen kann.

Hochsensibilität im Berufsleben

HSP ergreifen häufig kreative Berufe und arbeiten somit beispielsweise als Mediendesigner/innen, Schauspieler/innen oder freischaffende Künstler/innen. Außerdem entsprechen auch Berufe mit Kundenkontakt, in denen Empathie eine besonders große Rolle spielt, dem Naturell von vielen HSP. Hierzu zählen unter anderem Jobs im medizinischen oder sozialen Bereich.

Da HSP für Erschöpfungszustände wie das Burnout-Syndrom anfälliger sind als der Bevölkerungsdurchschnitt, ist es im Rahmen des Berufslebens wichtig, dass sie auf ihre Belastungsgrenzen achten.

Insbesondere für HSP ist es von Bedeutung zu lernen, die Erledigung von Aufgaben, die nicht zu ihrem eigentlichen Zuständigkeitsbereich gehören, abzulehnen. Dies fällt Betroffenen häufig schwer, da viele HSP ein starkes Verantwortungsgefühl haben, ist aber für die Erhaltung der Gesundheit bedeutend.

Mobbing am Arbeitsplatz ist für HSP ein häufiges Problem, da sie in den Pausen zum Beispiel häufiger Zeit für sich allein benötigen, anstatt sie mit den Arbeitskollegen gemeinsam zu verbringen. Dies kann zur Unverständnis und letzlich zur Ausgrenzung führen.

Ein unterstzützendes Arbeitsumfeld ist jedoch wichtig, damit HSP beruflich gut funktionieren können. Viele Unternehmen sind noch nicht ausreichend für den Umgang mit HSP geschult und gehen nur wenig auf die Bedürfnisse dieser Mitarbeiter ein. Entsprechend arbeiten HSP aus diesen Gründen häufig als Selbstständige.

Hochsensibilität in Beziehungen

HSP erleben Freundschaften besonders intensiv. Häufig haben sie nur wenige aber dafür langlebige und tiefgründige Freundschaften. In zwischenmenschlichen Beziehungen werden sie oft vor allem für ihre Empathie, ihre Vorsicht und ihre Intuition geschätzt. In persönlichen Krisen von Mitmenschen können sie durch ihre überlegte Art oftmals Auswege aufzeigen.

Für andere Personen kann der Umgang mit HSP aber manchmal auch schwierig sein. HSP ziehen sich häufiger zurück, da sie sich durch ihre intensive Wahrnehmung schneller überlastet fühlen, was bei ihren Mitmenschen irritierend wirken kann.

Achtung

Ein großes Problem kann darin liegen, dass es HSP oft schwer fällt, anderen Personen Grenzen zu setzen, da sie meistens sehr harmoniebedürftig sind und dazu tendieren, die Erwartungen anderer erfüllen zu wollen.

Somit kann es schneller zur Missachtung der eigenen Bedürfnisse kommen.

Zusammenfassung

Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das eine erhöhte Reaktionsfähigkeit sowohl auf positive als auch auf negative Einflüsse beinhaltet.

Eine hochsensible Person hat eine erhöhte oder tiefere Empfindlichkeit des zentralen Nervensystems gegenüber körperlichen, emotionalen oder sozialen Reizen.

Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine festgelegte Definition und es liegt keine wirkliche Krankheit vor.

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Hochsensibilität einfach erklärt

Hypersensibilität

Häufigkeit

  • Hochsensibilität stellt keine Erkrankung dar
  • Zahl der Betroffenen steigt weltweit
  • 20 bis 30 Prozent aller Menschen

Risikofaktoren

  • Vererbung
  • Reizüberflutung

Ursachen

  • Bislang nicht abschließend erforscht.
  • starke Erregbarkeit des Neokortex
  • hohe Aktivität des Thalamus
  • hohe Aktivität des Hypothalamus

Symptome

  • übersteigerte Sinneswahrnehmungen
  • übersteigerte Gefühle

Diagnose

  • Spezifische Tests
    • Fragebögen zur Selbstdiagnose
    • Highly Sensitivity Person-Scale for German-speaking populations

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