EHEC steht für enterohämorrhagische Escherichia coli. Es handelt sich bei EHEC um gramnegative Bakterien, die eine Pathovarietät des Escherichia coli darstellen. Escherichia coli gehört zu den Enterobacteriaceae, also zu den Bakterien, die natürlicherweise im Darmtrakt von Menschen und Tieren zu finden sind. Neben Escherichia coli gehören etwa auch die Arten Salmonella enterica, Shigella, Yersinia, Klebsiella und Enterobacter zu den Enterobacteriaceae. Escherichia coli ist beim Menschen der häufigste Erreger von Infektionen. Da er im Darm und somit im Stuhl vorkommt, gilt er als Leitkeim bei fäkalen Verunreinigungen von Lebensmitteln, Trinkwasser und Badewasser. Dieser Artikel wird sich vor allem mit einer bestimmten Variation der Escherichia coli beschäftigen, nämlich mit dem enterohämorrhagischen Escherichia coli – kurz EHEC.
Morphologisch lassen sich EHEC wie die anderen Pathovarietäten von Escherichia coli als gramnegative, gerade Stäbchen beschreiben. Sie sind peritrich, was bedeutet, dass sie mehrere Geißeln haben, die verstreut am gesamten Bakterium lokalisiert sind.
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren bei EHEC?
Ihre Pathogenität haben EHEC bestimmten Toxinen zu verdanken, die sie bilden können. Unter anderem gehören sogenannte Shigatoxine (auch Verotoxine genannt) zu diesen Zytotoxinen. Als Synonyme für EHEC werden auch STEC (Shigatoxin-produzierende Escherichia coli) und VTEC (Verotoxin-produzierende Escherichia coli) verwendet. Auch unter den EHEC gibt es nochmal Einteilungen anhand der Antigene, die sie auf ihrer Zelloberfläche tragen. Die häufigste Serogruppe ist EHEC O157. Auch die Shigatoxine, die für die Pathogenität der Bakterien verantwortlich sind, können anhand der Lokalisation der Gene, die ihre Bildung codieren, unterteilt werden. So gibt es das stx1-Gen und das stx2-Gen für das Shigatoxin. Schwere Krankheitsverläufe mit dem Auftreten von Komplikationen sind meist auf das stx2-Gen zurückführbar.
EHEC wird fäkal-oral übertragen. Dies kann als direkte Schmierinfektion oder indirekt über Lebensmittel geschehen. Etwa durch den Genuss von nicht pasteurisierter Milch, dem Trinken von kontaminiertem Wasser oder auch durch den Verzehr von Rohkost.
In der Natur ist das Hauptreservoir des Erregers der Darmtrakt von Wiederkäuern, sprich Tieren wie Rinder, Schafe, Ziegen, Rehe und Hirsche. Da es nur eine geringe Menge des Erregers braucht, um eine Infektion auszulösen, und EHEC sehr umweltresistent ist, ist auch der Infektionsweg von Mensch zu Mensch bedeutsam.
Werden die Erreger also oral aufgenommen, dann können die Bakterien sich über Adhärenz-Proteine wie Intimin direkt an die Zellen der Darmwand haften. EHEC, die über einen solchen sogenannten Typ-III-Sekretionsapparat verfügen, können zytotoxische Proteine direkt in die Zellen bringen. Damit besitzen sie eine erhöhte Virulenz, also die Fähigkeit Krankheit hervorzurufen. Das von EHEC produzierte Shigatoxin bindet über Rezeptoren an der Außenseite der Darmzellen an diese. Die Proteinsynthese der Enterozyten (Zellen der Darmschleimhaut) wird gestört, somit kommt es zum Zelltod dieser. Die Folge ist eine verminderte Funktionstüchtigkeit der Darmschleimhaut, dadurch ist die Resorption des Darminhalts gestört und es kommt zu Durchfällen.
EHEC verbleibt immer im , Shigatoxine können jedoch in andere Bereiche des Körpers gelangen. Auch dort führen sie an dem Endothel der betroffenen Organe zum Zelltod. Der Körper reagiert mit einer Aktivierung der Gerinnungskaskade über den Von-Willebrand-Faktor, dadurch kann es zum Verschluss kleiner Blutgefäße kommen.
An EHEC erkranken vor allem Säuglinge, Kleinkinder, immunschwache und ältere PatientInnen häufiger und entwickeln auch häufiger einen schweren Verlauf. Häufiger kommt diese Erkrankung in Sommer und Herbst vor. Zu den Risikofaktoren gehören außerdem eine anfänglich erhöhte Leukozytenzahl und der frühe Einsatz von Antibiotika bei Kindern. Eine Reihe von Antibiotika können sogar die Produktion von Shigatoxinen steigern. Dazu gehören Cotrimoxazol (Kombination aus Trimethoprim und Sulfamethoxazol), Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation.
Deutsche Studien zur Häufigkeit der Übertragungswege haben gezeigt, dass diese altersabhängig sind. Bei Kindern unter drei Jahren ist eine Infektion in den meisten Fällen auf einen direkten Kontakt mit einem Wiederkäuer zurückzuführen. Diese Altersgruppe ist auch jene, bei der die Inzidenz von EHEC-Erkrankungen am höchsten ist. Auch der Konsum von nicht pasteurisierter Milch und dem Zusammenwohnen mit einer Person, die an einer Durchfallerkrankung leidet, erhöhen das Risiko. Bei älteren Kindern und Erwachsenen ist der häufigste Übertragungsweg jener über Lebensmittel. Vor allem Lammfleisch und streichfähige Rohwürste erhöhen das Risiko einer Infektion.
Was sind die Symptome bei EHEC?
Zu den typischen Symptomen einer EHEC-Infektion gehören ein wässriger , der auch blutig sein kann (daher der Name enterohämorrhagischer Escherichia coli), , . Auch ist selten möglich. Bei 10-20 % der Fälle kann es zu einem schweren Verlauf kommen. Es kommt zu einer hämorrhagischen Kolitis, das heißt einer blutigen Entzündung des Dickdarms, mit intensiven krampfhaften Bauchschmerzen. Der Stuhl ist blutig und Fieber trifft in vielen Fällen auf. Allerdings kann eine EHEC-Infektion auch asymptomatisch verlaufen. Auch beim Vorliegen von Symptomen ist der Verlauf in den meisten Fällen innerhalb einer Woche selbstlimitierend, sprich die Symptome klingen selbst ohne Behandlung von selbst ab.
Vor allem bei Kindern kann die Komplikation eines hämolytisch urämischen Syndroms – kurz HUS – auftreten. Es zeichnet sich durch das Symptom-Trias einer hämolytischen (durch den Abbau von roten Blutkörperchen kommt es zu einer Blutarmut), einer Thrombozytopenie (verminderte Anzahl von Blutplättchen im Blut) und Nierenversagen aus. Durch die schon beschriebene Möglichkeit der Ausbreitung von Shigatoxin außerhalb des Darms kann es etwa einer Woche nach den Beschwerden, die sich im Bauchbereich lokalisieren, zu einem HUS kommen. Dies geschieht bei etwa 10 % der EHEC-Infektionen, unabhängig vom vorhergegangenen Schweregrad der Erkrankung.
Zu den drei Hauptsymptomen können lokale Zirkulationsstörungen und Blutungskomplikationen hinzukommen. Die Letalität, das heißt die Wahrscheinlichkeit an dieser Komplikation zu versterben, liegt in der Akutphase bei 2-4 %. Etwa die Hälfte der Fälle mit HUS entwickeln eine chronische , die in Nierenversagen und Hypertonie enden kann. In bis zu 60 % der Fälle kann es zu einem Wiederauftreten des HUS kommen.
Eine weitere Komplikation stellt die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura dar – kurz TTP, auch Moschocowitz-Syndrom genannt. Hierbei treten neben dem Symptom-Trias eines hämolytisch urämischen Syndroms auch zerebrale Symptome auf. Ein Verschluss eins kleinen Gefäßes im kann etwa zu Lähmungen, Krampfanfällen und Hirnödem bis zum Koma führen.
Neben dem Gehirn und den Nieren, die zu den am häufigsten betroffenen Organen außerhalb des Darms zählen, kann auch das betroffen sein. Durch den Gefäßverschluss durch kleine Gerinnsel kann es zur Schädigung des Herzmuskels bis hin zum plötzlichen Herztod kommen.
Die durchschnittliche Inkubationszeit des EHECs beträgt 3 bis 4 Tage, die Spanne erstreckt sich allerdings von 2 bis 10 Tagen. EHEC-bedingte HUS beginnt etwa eine Woche nach Erstauftreten des Durchfalls.
EHEC kann übertragen werden, solange dieser im Stuhl ausgeschieden wird. Die Dauer der Keimausscheidung kann variieren, hält aber während der Dauer der Erkrankung an. Bei Kindern kann der Erreger länger nachgewiesen werden als bei Erwachsenen. Man nimmt an, dass der Stuhl etwa ein Monat nach Durchstehen der Erkrankung potenziell krankheitsübertragend ist. Mit verstreichender Zeit nimmt allerdings auch die Erregerlast und damit das Übertragungsrisiko ab.
Wie wird EHEC diagnostiziert?
Bei Kindern mit einer Gastroenteritis (Entzündung des Magens und Darms) sollte man immer auch an die Möglichkeit einer bestehenden EHEC-Erkrankung denken. Indikationen für die mikrobiologische Untersuchung des Stuhls auf EHECs liegen dann vor, wenn:
- Durchfall bei folgenden Szenarien vorliegt:
- wegen Durchfall hospitalisierte Kinder unter 6 Jahren
- sichtbares
- endoskopisch nachgewiesene enterohämorrhagische Kolitis
- Patient ist direkt mit Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln befasst oder arbeitet in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit/zur Gemeinschaftsverpflegung
- HUS-Erkrankung oder Kontaktperson eines Patienten mit HUS
- hospitalisierte Kinder mit akutem Nierenversagen
(modifiziert nach: Robert Koch-Institut Ratgeber EHEC-Erkrankungen)
Die Diagnostik geschieht durch den Nachweis der Shigatoxine im Stuhl. Dabei wird eine Escherichia coli Kultur angelegt und im Anschluss das Toxin über ELISA nachgewiesen. Auch die Toxingene stx1 und stx2 können im Stuhl nachgewiesen werden. Dies geschieht mithilfe von PCR. Da EHEC immer wieder zu epidemischen Ausbrüchen führt, ist eine Charakterisierung und Gensequenzierung der bei Erkrankung vorliegenden EHEC-Stämme zu empfehlen.
Sollte auch ein HUS vorliegen, dann werden auch bestimmte Antikörper – die LPS-Antikörper gegen O157 – im Serum bestimmt.
Durch die Symptome, die die Infektion hervorruft, kann man in den Laborwerten verschiedene Dinge sehen. Durch den wässrigen Durchfall kann es zur Dehydration kommen. Durch den bakteriellen Befall zu einer Leukozytose mit Linksverschiebung. Liegt außerdem eine hämorrhagische Kolitis (blutige Dickdarmentzündung) vor, kann dies eine (Blutarmut) bewirken, die man im Blutbild sehen kann.
Zusätzlich treten bei HUS und TTP neben den charakteristischen Symptomen auch typische Änderungen in den Laborwerten auf. Etwa Coombs-negative , LDH-Erhöhung, Fragmentozyten (stark verformte rote Blutkörperchen) im Blutausstrich, Thrombopenie und Anstieg der Nierenretentionswerte.
Therapie bei EHEC
Die Therapie einer EHEC-Infektion erfolgt in der Regel symptomatisch, dabei ist besonders auf die Rehydration – also auf eine ausreichende Wasserzufuhr – zu achten. Eine Antibiotikagabe ist nur in seltenen Fällen zu erwägen, da diese zu einer verlängerten Ausscheidung der Bakterien und zu einer Erhöhung der Shigatoxin-Produktion führen kann.
Beim Vorliegen eines hämolytisch urämischen Syndroms ist eine intensivmedizinische Therapie erforderlich. Dabei werden forcierte Diurese (gesteigerte Harnproduktion durch die Gabe von harnfördernden Mitteln) und Dialyse (Blutwäsche) eingesetzt. Sollte das HUS auch andere Organsysteme außerhalb der betreffen, dann ist eine Plasmatherapie – Plasmasubstitution und Plasmapherese (zur Entfernung der Von-Willebrand-Faktor-Komplexen) anzuraten. Bei Vorliegen von Autoantikörpern gegen ein bestimmtes Steroid, der ADAMTS13 Protease, und beim Vorliegen einer Therapieresistenz können auch Immunsuppressiva eingesetzt werden. Sollte keine dieser Therapien Wirkung zeigen, kann eine Splenektomie (die Entfernung der ) durchgeführt werden.
Wie ist die Prognose bei EHEC?
Die Prognose des EHEC ist gut. Die Infektion kann auch asymptomatisch verlaufen, in 10-20 % der Fälle kommt es allerdings zu einem schweren Verlauf. Die Gefahr der Erkrankung liegt in den Komplikationen, die sie hervorrufen kann. Eine HUS entsteht etwa bei 10 % der EHEC-Erkrankungen, unabhängig von der Schwere des Verlaufs. Diese Komplikation ist in der Akutphase in 2-4 % letal. Des Weiteren führt sie in circa 50 % der Fälle zu einer chronischen Niereninsuffizient, die in Hypertonie und Nierenversagen enden kann. Bei circa 60 % der HUS kommt es zu Rezidiven. Neben der Niere kann auch das oder der Herzmuskel betroffen sein.
Zu beachten ist, dass EHEC sehr umweltstabil ist und außerdem nur eine kleine Erregermenge braucht, um ansteckend zu sein. Die Übertragung von Mensch zu Mensch sollte daher nicht unterschätzt und es sollten Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Selbst nach Abklingen der Krankheit kann der Erreger eine lange Zeit im Stuhl ausgeschieden werden.
Was wären präventive Maßnahmen bei EHEC?
Präventive Maßnahmen zielen darauf ab, eine Infektion mit EHEC zu vermeiden. Dazu zählt etwa, ein Bewusstsein für den Umgang mit Wiederkäuern zu schaffen, die das größte Reservoir für EHEC sind.
Bei einem Bauernhof- oder Streichelzoobesuch soll darauf geachtet werden, dass sich die Kinder nach dem Tierkontakt die Hände gründlich waschen und sich diese nicht in den Mund stecken. Gegessen sollte nur dort werden, wo kein direkter Kontakt mit Tieren geschieht.
Auch der Umgang mit Lebensmittel ist in Bezug zu EHEC besonders wichtig. Rohe Lebensmittel tierischer Herkunft sollten daher immer bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden. Bei der Zubereitung von Fleisch soll dieses immer gut gegart werden (Empfehlung bei 70° für 10 Minuten). Rohe Lebensmittel sollten nicht mit anderen Lebensmitteln in Kontakt kommen. Beim Kochen sollten zwischendurch die Arbeitsfläche, die Messer und die Hände gründlich gewaschen werden. Besonders Kinder, ältere Personen, immunsupprimierte Patienten und Schwangere sollten darauf achten keine unerhitzten Milchprodukte zu verzehren. Dies ist allerdings grundsätzlich allen zu empfehlen.
Auch die Weiterverbreitung von EHEC soll vermieden werden. Dafür gibt es vor allem in Gesundheitseinrichtungen bestimmte Maßnahmen. So soll etwa die Händehygiene strikt eingehalten und durchgeführt werden. Es kann notwendig werden, betroffene PatientInnen zu isolieren, um andere vor einer Übertragung zu schützen. Auch Oberflächen wie etwa Türschnallen müssen regelmäßig gereinigt werden und mit kontaminierter Wäsche wird besonders vorsichtig umgegangen.
Auch im Haushalt kann man etwas zur Prävention von Übertragungen beitragen. So soll man wie schon oben beschrieben vor und während dem Kochen die Hände sowie die Utensilien gründlich mit warmem Wasser und Seife waschen. Wenn es zu einer Kontamination mit Stuhl oder Erbrochenen kommt, dann sollen beim Säubern Handschuhe getragen werden. Die Wäsche sollte mit mindestens 60° gewaschen werden. Wenn es möglich ist, dann sollte man auch im Haushalt an eine Isolation der erkrankten Person denken. So kann diese für die Dauer der Erkrankung ein eigenes Schlafzimmer mit eigenem Bad beziehen, das sonst niemand benutzt, wenn es die Räumlichkeiten zulassen.
Wenn es zu einer EHEC-Erkrankung kommt, dann dürfen weder die Betroffenen noch die Personen, die im Haushalt mit dem Patienten leben, in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten, wenn sie dort Kontakt zu den Betreuten haben. Dies gilt auch für die Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben und Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen.
Wenn es zu einem EHEC-Ausbruch kommt, ist es dringend notwendig, die Quelle zu finden und zu beseitigen. Es besteht daher bei Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen durch EHEC und/oder HUS eine Meldepflicht beim Gesundheitsamt.
Zusammenfassung
Bei enterohämorrhagischen Escherichia coli handelt es sich um eine Pathovarietät des Darmbakteriums Escherichia coli. EHEC kann wässrig-blutige Durchfälle mit krampfhaften hervorrufen, klingt jedoch in den meisten Fällen ohne Behandlung innerhalb einer Woche ab. In 10-20 % der Fälle kann es zu einem hämolytisch urämischen Syndrom kommen, das die Nieren betrifft, welches eine intensivere Behandlung benötigt.