Die "Blinddarmentzündung" ist ein dem Volksmund sehr geläufiger, jedoch unpräziser Begriff, da bei der Erkrankung, die damit gemeint ist, eigentlich nicht der Blinddarm selbst, sondern sein Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) betroffen ist. Daher lautet der medizinische Fachausdruck auch "Appendizitis", wobei das Suffix "-itis" Entzündung bedeutet.
Der Wurmfortsatz übt, im Gegensatz zum Irrglauben vieler, durchaus eine wichtige Rolle aus: Er ist nämlich ein wichtiger Bestandteil in der Immunabwehr.
Was sind die Ursachen und Risikofaktoren einer Blinddarmentzündung?
Häufig wird die Appendizitis auf einem Verschluss (Obstruktion) der Appendix hervorgerufen. Begünstigende Faktoren für einen solchen Verschluss sind vor allem Kotsteine, die in der Regel im Zuge einer Kotstauung im Dickdarm entstehen. Risikofaktoren für diese Stauung sind zum Beispiel eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme oder ballaststoffarme Ernährung.
Auch mangelnde Bewegung kann dazu führen, dass das Risiko für die Entstehung von Kotsteinen steigt. Aber auch Abknickungen oder Narbenstränge des Wurmfortsatzes können sein Lumen (Hohlraum) ungünstig verkleinern.
Auf diese Weise wird ihre Entleerung des Darms erheblich gestört. Im Wurmfortsatz befindliche körperfremde Erreger oder auch Bakterien der körpereigenen Darmflora können sich dadurch eben dort stark vermehren, was sich dann durch die Entstehung von entzündlichen Prozessen äußert. Wesentlich seltener hingegen wird die Blinddarmentzündung durch obstruierende Fremdkörper (zum Beispiel Obstkerne), Tumore oder Wurmbefall hervorgerufen.
Die Appendizitis stellt die häufigste Ursache für das akute Abdomen dar. Unter dem Begriff "akutes Abdomen" versteht man einen medizinischen Notfall, der dringender Abklärung bedarf.
Vor allem Kinder und Jugendliche sind besonders häufig von entzündlichen Prozessen im Bereich des Wurmfortsatzes betroffen, grundsätzlich kann die Appendizitis jedoch in jedem Alter auftreten. Die Entzündung des Wurmfortsatzes erfordert im Hinblick auf die Gefahr des Durchbruchs und der damit eventuell verursachten Entzündung des Bauchfells (Peritonitis) sowie Sepsis eine rasche Abklärung.
Das Peritoneum, oder Bauchfell, ist die der Bauchhöhle, die zum Teil auch gewissen Organen aufliegt. Die Peritonitis stellt in den meisten Fällen eine lebensbedrohliche Situation dar und wird sehr häufig durch Magen- oder Darmdurchbrüche hervorgerufen.
Unter dem Begriff Sepsis versteht man eine lebensgefährliche Organdysfunktion, die durch eine Infektion verursacht wird. Die Sepsis gilt als medizinischer Notfall, der einer sofortigen Behandlung bedarf.
Was sind die Symptome einer Blinddarmentzündung?
Typischerweise erfahren die betroffenen Patienten zu Beginn der Erkrankung einen sogenannten viszeralen Schmerz. Dieser Schmerz ist dumpf und scheint für den Betroffenen nicht eindeutig lokalisierbar zu sein. Grund für diese Art von Schmerz ist die Tatsache, dass die Innervation der Bauchorgane aus mehreren verschiedenen Rückenmarksegmenten (multisegmental) geschieht. Besonders ausgeprägt ist dieser Schmerz jedoch im Bereich des Bauchnabels.
Ausgehend vom oberen Bereich des Abdomens wandert der Schmerz im Rahmen von wenigen bis 24 Stunden in den rechten Unterbauch, wo der Wurmfortsatz sitzt. Dieser Schmerz wird nun durch die segmentale Innervation des Peritoneum parietale (jene Seite des Bauchfells, die der Bauchwand zugewandt ist) gut lokalisierbar und als stechend empfunden.
Es gibt jedoch Patienten, bei denen der Wurmfortsatz besonders lang ist oder bloß eine anatomisch seltene Lage aufweist. Bei diesen Patienten können die Schmerzen auch in der Mitte des Unterbauchs oder linksseitig lokalisiert sein.
Dazu kommen begleitende Symptome wie , Übelkeit oder gar Erbrechen und Stuhlverhalt.
Wie wird die Blinddarmentzündung diagnostiziert?
Untersuchungen im Überblick
Die Diagnostik bei Patienten, die aufgrund von Schmerzen im Abdomen einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen, gliedert sich in der Regel in verschiedene Abschnitte:
Zu Beginn findet ein mehr oder weniger ausführliches Arzt-Patienten-Gespräch (Anamnese) statt. Im Zuge dieses Gesprächs sollten die bei dem Betroffenen vorliegenden Symptome so genau wie möglich beschrieben werden.
Außerdem ist es besonders wichtig auf mögliche Begleitsymptome einzugehen und zu eruieren, ob diese mit der Verdachtsdiagnose Blinddarmentzündung einhergehen könnten. Darüber hinaus spielen die Krankengeschichte des Patienten und sämtliche Medikamente, die er möglicherweise sporadisch oder regelmäßig einnimmt, eine entscheidende Rolle.
Wie umfangreich die bei der Anamnese gestellten Fragen sind, hängt vor allem vom Zustand des betroffenen Patienten ab. Bei einem instabilen Patienten wird beispielsweise weniger Zeit für die Anamnese aufgewendet.
Im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch findet eine umfangreiche körperliche Untersuchung statt. Mit dieser körperlichen Untersuchung kann dem Verdacht auf das Vorliegen einer Blinddarmentzündung nachgegangen werden.
Besonders wichtig ist dabei das Abhören (Auskultation), das Abtasten (Palpation) und Prüfen von sog. Appendizitis-Zeichen, wie zum Beispiel mittels Überprüfung von Druckpunkten wie dem McBurney-Punkt, der zwischen dem mittleren und unteren Drittel auf einer gedachten Linie zwischen Bauchnabel und dem rechten, vorderen, oberen Darmbeinstachel liegt.
Daneben gibt es auch spezielle Manöver, die bei einer aktiven Appendizitis Schmerzen hervorrufen. So verursacht das Anheben des rechten Beines gegen einen Widerstand zum Beispiel Schmerzen im rechten Unterbauch des betroffenen Patienten, das gilt als positives Psoas-Zeichen. Schmerzt der Druckpunkt oder das Manöver, erhärtet sich der Verdacht auf das Vorliegen von entzündlichen Prozessen weiter.
In puncto Laboruntersuchungen ist vor allem die Erhebung von Entzündungsparametern und Urinstatus wichtig. Letzterer vor allem zur Abgrenzung von Infektionen des Urogenitaltraktes. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist auch stets an eine potenzielle Schwangerschaft zu denken. Die Durchführung eines Schwangerschaftstests kann diese ausschließen.
Außerdem kann eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums zur schnellen und einfachen Bilddiagnostik herangezogen werden. Dabei kann man das Kokarden- oder Zielscheibenphänomen beobachten: Die Appendix sieht durch ihre entzündungsbedingte Wandverdickung wie eine Zielscheibe aus. Ist die Sonografie jedoch wegen erschwerten Schallbedingungen nicht effektiv, kann zum Beispiel auch auf die Computertomografie zurückgegriffen werden.
Therapie bei Blinddarmentzündung
Als Therapie der Wahl hat sich die Appendektomie, die chirurgische Entfernung der Appendix, bewährt. Die laparoskopische Operation, bei der lediglich kleine Hautschnitte gesetzt und auch mittels Endoskops (Spiegelung) operiert wird, ist wegen ihrer deutlich geringerer Wundinfektionsrate der offenen Operation vorzuziehen.
Wie ist die Prognose einer Blinddarmentzündung?
Die Prognose der Appendizitis wird stark von dem Zeitpunkt der Entdeckung bzw. der Behandlung bestimmt. Werden operative Maßnahmen früh ergriffen, so verheilt sie normalerweise auch ohne Folgeschäden. Die Sterblichkeitsrate liegt bei unkomplizierter Appendizitis und chirurgischer Behandlung bei unter 0,001 %. Patienten über 60 Jahre haben in der Regel eher schlechtere Prognosen.
Auch bei der komplizierteren Appendizitis, bei der neben der Entzündung auch Gangräne (Gewebstod), Perforationen (Durchbruch) oder Abszesse (Eiteransammlung in neu gebildeten Hohlräumen) vorliegen, liegt die Sterblichkeitsrate bei zeitgerechter Appendektomie im Allgemeinen unter 1 %.
Empfehlungen zur Nachsorge bei einer Blinddarmentzündung
Generell wird Patienten nach einer operativen Entfernung des Wurmfortsatzes empfohlen, sich mindestens eine Woche körperlich zu schonen.
Treten nach dem chirurgischen Eingriff Fieber und/oder Schmerzen, Überwärmung, Rötungen oder Nässen der Wunde auf, so ist umgehend das Krankenhaus aufzusuchen.
Es kann im Allgemeinen ratsam sein, den Körper anfangs mit einer leichten, gesunden Kost zu pflegen und nicht mit deftigen Mahlzeiten herauszufordern.
Sportliche Aktivitäten sollten im Hinblick auf den langsamen Aufbau der Belastbarkeit der Bauchwand eher nach 2-3 Monaten wieder aufgenommen werden. Vor allem schweres Heben sollte aufgrund der eventuell riskanten Erhöhung des intraabdominellen Drucks vorerst vermieden und bei Wiederaufnahme eingeschlichen werden.
Die Empfehlungen zur Sport-Abstinenz können aber unter dem medizinischen Fachpersonal stark variieren, weshalb eine Abklärung mit dem eigenen Operateur bzw. der Operateurin sinnvoll ist.
Zusammenfassung
Die „Blinddarmentzündung“ bezeichnet medizinisch betrachtet eigentlich nicht die Entzündung des Blinddarmes selbst, sondern die seines Wurmfortsatzes, die einen Notfall darstellt und zumindest eine medizinische Abklärung oder gar eine chirurgische Entfernung erforderlich macht.
Bemerken Betroffene, wie sich ein zunächst dumpfer, eventuell nicht eindeutiger Schmerz in etwa in der Region zwischen Rippenbogen und Bauchnabel über Zeit in den rechten Unterbauch verlagert, so sollte unbedingt an die Möglichkeit einer voranschreitenden Appendizitis gedacht und umgehend medizinische Hilfe aufgesucht werden.
Die Appendektomie (Entfernung des Wurmfortsatzes) ist mit ihrer sehr geringen Sterblichkeitsrate ein sicherer chirurgischer Eingriff und die komplikationslose Heilung ist nach rechtzeitiger Behandlung normalerweise die Folge.