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Appetitlosigkeit

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Geschrieben von
Inga Jerrentrup (Ärztin)

Wir alle kennen es: Der gute Duft unseres Lieblingsessens, der uns beim Öffnen der Wohnungstür entgegenströmt oder der Anblick einer mühevoll angerichteten Speise führen meist dazu, dass wir große Lust verspüren, diese zu essen. Dieses Gefühl, das Verlangen nach einer bestimmten Speise, wird als Appetit bezeichnet.

Unter bestimmten Umständen kann der Appetit jedoch stark eingeschränkt sein: Egal, wie gerne wir eine Speise normalerweise essen - manchmal verspüren wir überhaupt keine Lust darauf. Dies kann so weit gehen, bis ein gewisses Ekelgefühl besteht.

Diese Appetitlosigkeit ist in einigen Fällen eine normale, gesunde Reaktion des Körpers. Denn nicht immer ist unser Körper in der Lage, die aufgenommene Nahrung ausreichend zu verdauen und aufzunehmen. Kommt es jedoch häufiger und ohne erkennbaren Auslöser zu einem eingeschränkten Appetit, so sollte man sich Gedanken über die Ursachen der Appetitlosigkeit machen.

Die Gründe für Appetitlosigkeit sind zahlreich und reichen von normalen, vorübergehenden Zuständen bis hin zu schweren körperlichen oder auch psychischen Erkrankungen. Bei länger andauernder Appetitlosigkeit sollte daher zur Abklärung der zugrundeliegenden Ursache ein Arzt aufgesucht werden.

Entstehung von Appetit

In unserem Gehirn existieren zwei Steuerzentralen, die unsere Nahrungsaufnahme maßgeblich regulieren: das Hunger- und das Sättigungszentrum. Dabei handelt es sich um zwei Regionen im Zwischenhirn, genauer gesagt dem Hypothalamus, welche durch verschiedene Botenstoffe, wie zum Beispiel Serotonin, stimuliert werden.

Diese Steuerung stellt die Hauptmotivation unserer Nahrungsaufnahme dar. Im Gegensatz zur körperlichen Wahrnehmung des Hungergefühls, welches meist eher unspezifisch und nicht auf ein bestimmtes Nahrungsmittel bezogen ist, stellt der Appetit eine psychische, emotionale Empfindung dar.

Das Gefühl von Appetit ist unter anderem die treibende Kraft, wenn wir nach einer üppigen, sättigenden Mahlzeit, immer noch Lust auf einen Nachtisch verspüren. Appetit ist häufig spezifisch auf eine Mahlzeit bezogen - wir verspüren Lust, etwas Bestimmtes zu essen.

Unser Appetit entsteht im limbischen System, welches eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gefühlen spielt. Er wird von zahlreichen Sinneseindrücken, wie Geruch und Aussehen, aber auch von unserer emotionalen Verfassung beeinflusst.

Ursachen für Appetitlosigkeit

Wie bereits oben beschrieben ist die Entstehung einer Appetitlosigkeit multifaktoriell: Ihr können zahlreiche, unterschiedliche und oft auch mehrere Ursachen zugrunde liegen.

Dazu zählen zum einen diverse äußere Umstände, auf die der menschliche Körper mit einem eingeschränkten Appetit reagiert, ohne dass eine Erkrankung ursächlich ist.

So geht es zum Beispiel vielen Menschen an heißen oder schwülen Sommertagen so, dass sie deutlich weniger Appetit verspüren als an anderen Tagen. Häufig besteht dann ein gesteigertes Verlangen nach Getränken oder stark flüssigkeitshaltigen Speisen, um dem Flüssigkeitsverlust durch das Schwitzen entgegenzuwirken.

Lust auf fettige, schwere Mahlzeiten haben an solchen Tagen allerdings nur wenige. Ein ähnliches Phänomen lässt sich unter körperlicher Anstrengung oder in sehr stressigen Lebensphasen erkennen: Während einer akuten sportlichen Belastung oder wenn wir unter großem, zum Beispiel beruflichen, Druck stehen, verspüren wir weniger Verlangen nach Nahrung.

Im Rahmen von anstrengenden Tätigkeiten oder akuten Stresszuständen kommt es zu einer Aktivierung des Teils des vegetativen Nervensystems, der für Flucht- und Kampfreaktionen verantwortlich ist - dem Sympathikus. Diesem System liegen evolutionäre Entwicklungen zugrunde: In Gefahrensituationen war es für unsere Vorfahren existenziell, die Flucht anzutreten oder alle körperlichen Reserven zu sammeln, um sich einem Kampf auszusetzen.

Dabei war es sinnvoll, keine unnötige Energie in Verdauungstätigkeiten zu verschwenden, sodass diese automatisch runtergefahren wurden. Damit einhergehend war somit auch eine Abnahme des Appetits. Diese Mechanismen laufen auch heute noch unter stressigen Bedingungen ab.

Zum Anderen kommt es häufig im Rahmen psychischer Ausnahmezustände zu einer Abnahme des Appetits. Wie oben bereits erläutert, entsteht das Gefühl von Appetit im limbischen System - einem Teil des Gehirns, der vor allem für die emotionale Regulation verantwortlich ist. Wenn man Appetit also, im Gegensatz zu Hunger, als einen psychischen Zustand auffasst, erscheint es nicht verwunderlich, dass Ereignisse, die uns emotional schwer belasten, auf den Appetit schlagen können.

So berichten Betroffene zum Beispiel im Rahmen akuter Trauersituationen nach dem Verlust einer nahestehenden Person von dem Gefühl, keinen Bissen runterzubekommen. Doch auch einige schwerwiegende psychische Erkrankungen gehen mit Appetitlosigkeit einher.

Dazu zählen unter anderem Depressionen und Angsterkrankungen, welche häufig mit einer schwerwiegenden Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit einhergehen. Bei vielen Betroffenen zeigt sich eine gedrückte Stimmungslage, die in vielen Fällen mit einem eingeschränkten Appetit einhergehen kann. Auch ein fortgeschrittenes Lebensalter mit gegebenenfalls begleitender Demenz ist häufig verbunden mit dem mangelnden Antrieb zu essen, was häufig auch in einer Abnahme des Geschmacksempfindens begründet liegt. Gerade im hohen Lebensalter ist in diesen Fällen das Risiko einer Mangelernährung besonders hoch und es ist wichtig, auf eine ausreichende Kalorien- und Nährstoffzufuhr zu achten.

Im Rahmen der psychischen Erkrankungen ist auch die Anorexia nervosa zu nennen, die Magersucht . Anorexie bedeutet übersetzt Inappetenz - wobei diese Bezeichnung im Kontext der Magersucht irreführend ist. Primär ist die Magersucht eine psychische Erkrankung, die eine krankhafte Angst vor Gewichtszunahme und Kontrollverlust, in Verbindung mit einem verzerrten Selbstbild beschreibt.

Sie geht meist mit einem sehr niedrigen Körpergewicht einher. Der Grund für die Gewichtsabnahme ist jedoch zunächst kein Mangel an Appetit oder Hunger. Im Gegenteil: Betroffene zwingen sich häufig zu hungern, um ihrer Angst vor Gewichtszunahme und Kontrollverlust entgegenzuwirken. Im Verlauf der Erkrankung kann es jedoch zusammen mit einer starken Einschränkung des allgemeinen Gesundheitszustands auch zu einer Einschränkung des Appetits kommen.

Eine weitere große Gruppe stellen die körperlichen Erkrankungen dar, die mit einer Abnahme des natürlichen Appetits einhergehen. Da es sich bei Appetitlosigkeit um ein sehr unspezifisches Symptom handelt, können diverse körperliche Erkrankungen ursächlich sein. Appetitlosigkeit stellt quasi ein Signal des Körpers dar, dass etwas mit ihm nicht stimmt.

Darunter fallen zum Beispiel eine Vielzahl von Systemerkrankungen, also Erkrankungen, welche den gesamten Körper betreffen können. Dazu zählen unter anderem Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes mellitus , aber auch Tumorerkrankungen, welche vor allem in späten Stadien häufig zu einer starken Einschränkung des Appetits und einer allgemeinen körperlichen Schwächung führen können.

Naheliegend ist, dass vorrangig auch Erkrankungen, die das Verdauungssystem betreffen, mit Appetitlosigkeit einhergehen können. Dazu zählen unter anderem Magen- und Darmentzündungen sowie Lebererkrankungen. Auch ein hormonelles Ungleichgewicht, zum Beispiel während der Wechseljahre, kann unter Umständen eine Appetitlosigkeit bedingen.

Medikamente und ihre Nebenwirkungen können Auslöser von Appetitlosigkeit sein, wobei vorrangig Medikamente aus der Krebstherapie infrage kommen. Diese sogenannten Zytostatika sollen Krebszellen abtöten, wobei einige Medikamente jedoch recht unspezifisch auf alle sich schnell teilenden Gewebe wirken. Dazu zählen unter anderem die Schleimhautzellen des Magen-Darm-Trakts, sodass Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Appetitlosigkeit häufige Nebenwirkungen darstellen.

Tipps gegen Appetitlosigkeit

Appetitlosigkeit stellt keine eigene Erkrankung dar, sodass keine einheitliche Therapie existiert. Zunächst ist wichtig, die Ursache der Appetitlosigkeit ausfindig zu machen, um im nächsten Schritt die auslösende Erkrankung zu behandeln bzw. auslösende Lebensumstände zu verändern.

Wenn psychische Erkrankungen Auslöser des fehlenden Appetits sind, kann eine Psychotherapie zur Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Kommt es im Rahmen dieser zu einer Stabilisierung der Erkrankung, lässt sich häufig auch eine erneute Zunahme des Appetits wahrnehmen. Ein ähnliches Prinzip sollte auch bei den körperlichen Erkrankungen verfolgt werden: Die optimale Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung stellt den wichtigsten ersten Schritt dar.

Doch nicht alle auslösenden Erkrankungen können optimal behandelt und bestenfalls geheilt werden - so zum Beispiel auch, wenn kognitive Einschränkungen im Rahmen des fortgeschrittenen Lebensalters ursächlich sind. Es gibt jedoch einige Tipps und Hausmittel, die helfen können, den Appetit wieder anzuregen:

Da bei der Entstehung des Appetits alle Sinneseindrücke verarbeitet werden, zum Beispiel der Geruch und das Aussehen, aber auch Geräusche und die Umgebungsatmosphäre, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Appetit positiv zu beeinflussen.

Eine optisch ansprechende Zubereitung der Mahlzeiten kann dabei hilfreich sein: Das Essen sollte farbenfroh, abwechslungsreich und appetitlich angerichtet werden. Kleine Portionen und Häppchen wirken im Vergleich zu großen, üppigen Mahlzeiten appetitanregend. Am besten sollte auf das Trinken großer Mengen Flüssigkeit vor den Mahlzeiten verzichtet werden, dies sollte eher im Anschluss erfolgen.

Die Verwendung aromatischer Gewürze kann appetitanregend wirken. Dazu zählen unter anderem Schnittlauch, Ingwer und Zimt. Auch Bitterstoffe, so zum Beispiel in Getränken wie Tonic Water und Bitter Lemon oder in verschiedenen Teesorten enthalten, können den Appetit fördern.

Da dies jedoch auch stark vom persönlichen Geschmack abhängig ist, müssen Betroffene individuell ausprobieren, was ihnen am besten hilft. Eine geistige Anregung im Sinne von einem Gang durch den Supermarkt oder dem Anschauen einer Koch-Show kann dem Appetit auf die Sprünge helfen und Ideen für weitere Mahlzeiten liefern.

Die Umgebungsatmosphäre kann ebenfalls einen entscheidenden Einfluss haben: Dabei können Betroffene kreativ werden und ausprobieren, was für sie am besten funktioniert. Es sollte auf eine möglichst stressfreie Atmosphäre geachtet werden - genug Zeit für die Mahlzeiten ist dabei essenziell.

Häufig fällt Betroffenen das Essen in lockerer Gemeinschaft mit anregenden Gesprächen deutlich leichter. Dies kann vom Gefühl der Appetitlosigkeit oder sogar vor gegebenenfalls auftretendem Ekel ablenken.

Eine Lebensstiländerung im Sinne von der Ausübung verschiedener Entspannungsverfahren oder einer gesteigerten körperlichen Aktivität, zum Beispiel im Rahmen abendlicher Spaziergänge, kann zum Gesamtwohlbefinden beitragen und somit den Appetit positiv beeinflussen.

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