Geschrieben von Dr. Moritz Wieser (Arzt)
Alkoholismus ist eine komplexe Erkrankung mit kulturgeschichtlichen, psychologischen, genetischen und soziologischen Gesichtspunkten.
In Deutschland gelten rund 3 % der Bevölkerung als alkoholabhängig.
Männer sind im Schnitt dreimal häufiger betroffen als Frauen, doch liegt bei Frauen eine hohe Dunkelziffer vor.
Betroffene erkranken meist im Alter von 30 - 50 Jahren. Der Schaden, der in Deutschland jährlich durch Alkoholmissbrauch angerichtet wird, beträgt rund 27 Milliarden Euro.
Alkohol ist eine Droge, die viel zu oft verharmlost und über deren Missbrauch viel zu selten aufgeklärt wird. Doch was bezeichnet man als Alkoholmissbrauch und was als risikoarmen Alkoholkonsum?
Risikoarmer Alkoholkonsum liegt vor, wenn der tägliche Alkoholkonsum die Alkoholabbaukapazität der
Alkoholmissbrauch kann unterteilt werden in einen Gebrauch von Alkohol, der in einem schädlichen Bereich liegt und in eine Alkoholabhängigkeit. Der schädliche Gebrauch von Alkohol meint den Alkoholkonsum, der zu körperlichen, seelischen oder sozialen Schäden führt. Was genau mit körperlichen, seelischen und sozialen Schäden gemeint ist, wird im Abschnitt "Symptome" genauer erklärt.
Eine Alkoholabhängigkeit liegt vor, wenn innerhalb von 12 Monaten mehr als drei der folgenden sechs Kriterien erfüllt sind:
Der US-amerikanische Physiologe Elvin M. Jellinek unterteilte "Alkoholiker" in 5 verschiedene Typen, die er nach dem griechischen Alphabet benannte:
Alpha-Trinker werden auch als Problemtrinker, Konflikttrinker oder Erleichterungstrinker bezeichnet. Sie trinken, um Probleme besser bewältigen zu können und den Alltag besser meistern zu können. Es liegt zwar keine körperliche Abhängigkeit vor, jedoch eine seelische Abhängigkeit.
Beta-Trinker sind Gelegenheitstrinker und weder körperlich noch seelisch alkoholabhängig. Gesellschaftliche Anlässe werden als Trinkgelegenheit genutzt und zelebriert.
Alpha- und Beta-Trinker sind sehr viele Menschen, ohne dass sie als alkoholabhängig bezeichnet werden. Die drei folgenden Typen (Gamma, Delta und Epsilon) von "Alkoholikern" gelten als alkoholabhängig und müssen von den Konflikt- und Gelegenheitstrinkern abgegrenzt werden. Jedoch sind Alpha- und Beta-Typen von "Alkoholikern" nicht zu verharmlosen, da diese beiden Typen ein hohes Risiko aufweisen, alkoholabhängig zu werden und Gamma-, Delta- oder Epsilon-Trinker zu werden.
Gamma-Trinker werden auch als "Suchttrinker" bezeichnet. Diese zeichnen sich vor allem durch ein starkes psychisches Verlangen nach Alkohol aus. Nach dem ersten Schluck Alkohol erfolgt der Kontrollverlust über deren Trinkverhalten.
Delta-Trinker werden auch als "Spiegeltrinker" bezeichnet. Diese zeichnen sich vor allem durch ein starkes physisches Verlangen auf. Sobald der Alkoholpegel der Betroffenen zu sinken beginnt, klagen die Patienten über Entzugssymptome und müssen mehr trinken, um den Spiegel aufrechtzuerhalten.
Epsilon-Trinker werden auch als "Quartalstrinker" bezeichnet. Hierbei wechseln sich "Trockenphasen" mit Trinkexzessen ab, welche episodisch erfolgen. Die Entstehung einer Alkoholerkrankung beruht auf mehreren Faktoren. Unterteilt werden diese in biologische, psychische und soziale Faktoren
Biologische Faktoren haben mit Genen zu tun, welche für die Enzyme des Alkoholabbaus in der Leber verantwortlich sind. Mit der Zeit wird die Alkoholempfindlichkeit dieser Enzyme moduliert, die das Risiko für eine Alkoholabhängigkeit erhöhen.
Psychische Faktoren spielen eine große Rolle bei der Entwicklung einer Alkoholerkrankung. Betroffene, die ihr Selbstwertgefühl durch den Konsum von Alkohol steigern können oder bereits an einer psychischen Erkrankung leiden, haben ein erhöhtes Risiko alkoholkrank zu werden.
Soziale Faktoren meinen die Einflüsse der Umgebung auf die betroffene Person. Wenn beispielsweise in der Familie oder am Arbeitsplatz ständig Alkohol konsumiert wird, erhöht das die Wahrscheinlichkeit einer Alkoholabhängigkeit für die eigene Person. Hierbei spielen Gruppenzwang und Gemeinschaftsgefühl eine entscheidende Rolle.
Kinder von Alkoholikern haben ein vierfach erhöhtes Risiko, später selbst alkoholabhängig zu werden. Dieses Phänomen ist eine Mischung der eben genannten Faktoren und einer der größten Risikofaktoren des Alkoholismus.
Symptome des Alkoholismus sind enorm vielseitig und können zum einen in die Symptome der Alkoholabhängigkeit und zum anderen in die Symptome der Folgen und Komplikationen der Alkoholsucht unterteilt werden.
Die Symptome der Alkoholabhängigkeit wurden bereits kurz bei der Entstehung und den Risikofaktoren des Alkoholismus erwähnt und sollen hier abermals ausführlich beschrieben werden:
Eine Alkoholabhängigkeit liegt vor, wenn innerhalb von 12 Monaten mehr als drei der folgenden sechs Kriterien erfüllt sind:
Bezeichnet das starke Verlangen nach Alkohol zu jeder Tageszeit. Hiermit ist die psychische Abhängigkeit als Komponente der Alkoholerkrankung gemeint. Das Wort Craving kommt aus dem Englischen und beschreibt den nicht unterdrückbaren Zwang, etwas zu konsumieren. Dieses Symptom ist typisch für Suchterkrankungen und lässt sich auch bei anderen Drogen, wie z.B. Heroin, Nikotin oder Crack wiederfinden.
Kann unterteilt werden in ein Entzugssyndrom mit und ohne
Besonders gefürchtet sind epileptische Anfälle, die ein klassisches Symptom des Alkoholentzugs darstellen. Das Entzugssyndrom mit Delirium ist die schwerste Form des Alkoholentzugs und beginnt ca. am zweiten bis dritten Tag nach Unterbrechung des Alkoholkonsums. Alkoholiker, die im Krankenhaus versorgt werden und deshalb ihren Alkoholkonsum unterbrechen, sind besonders gefährdet, ein solches Entzugssyndrom zu entwickeln.
Das körperliche Entzugssyndrom mit Delirium ist neben den Symptomen, die bereits beim Entzugssyndrom ohne Delirium geschildert wurden, gekennzeichnet durch örtliche und zeitliche Desorientierung,
Die Entwicklung einer Toleranz gegenüber der Wirkung des Alkohols ist sehr typisch und kommt genauso bei anderen Drogen auch vor. Die Alkoholmenge muss mit der Zeit gesteigert werden, um das Bedürfnis nach Alkohol zu befriedigen und wieder einen Rauschzustand zu erleben. Alkoholiker sind in der Lage deutlich mehr Alkohol zu vertragen als Nicht-Alkoholiker. Der Blutalkohol mancher Alkoholiker wäre bei Nicht-Alkoholikern überhaupt nicht mit dem Leben zu vereinbaren.
Alkoholiker neigen dazu, die Kontrolle über ihr Trinkverhalten zu verlieren. Nach einem Glas eines alkoholischen Getränks kann der Konsum in der Regel nicht mehr unterbrochen werden, sondern es wird bis zur totalen Trunkenheit weiter konsumiert.
Der Alkohol übernimmt die Oberhand im Leben eines Alkoholabhängigen. Deren komplette Lebensgestaltung wird auf den Konsum von Alkohol ausgelegt. Dabei wird der Verlust von Familie, Arbeit und Vermögen in Kauf genommen.
Weiterer Alkoholkonsum trotz schädlicher Folgen körperlicher, seelischer oder sozialer Natur. Meist sind Alkoholiker sich ihres körperlichen und sozialen Zerfalls bewusst, wollen dies sogar verhindern, doch sind ohne therapeutische Hilfe nicht selbst in der Lage etwas zu ändern. Der Alkohol muss von den Betroffenen weiter konsumiert werden, um die Sucht zu befriedigen.
Die körperlichen Folgen des Alkoholkonsums sind sehr vielgestaltig und umfassen eine lange Liste. Beginnend mit dem Gastrointestinaltrakt führt der schädliche Konsum von Alkohol zu einer Refluxösophagitis (= Entzündung der
Fast alle Alkoholiker sind gleichzeitig Zigarettenraucher. Hierbei kommen die Komplikationen des Nikotinkonsums noch hinzu.
Alkoholiker leiden oft unter Depressionen und verfügen nicht mehr über die Kontrolle ihrer selbst.
15% der Alkoholiker begehen Selbstmord.
Des Weiteren führt die langjährige Alkoholabhängigkeit zu Erinnerungs,- Konzentrations und Konfabulationsstörungen (= Märchenerzählungen).
Im Laufe der Alkoholabhängigkeit entwickeln die meisten Alkoholiker Partnerschafts- und Familienkonflikte. Das Gewalt- und Aggressionspotential von Alkoholikern ist drastisch erhöht, was zu häufigen Gewalttaten gegenüber Partner oder Angehörigen führen kann. Unfälle im Straßenverkehr finden ebenfalls mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit statt, wie z.B. wiederholter Führerscheinentzug wegen Trunkenheit am Steuer. Häufig sind der Verlust von Arbeit, Partner und sozialem Rahmen die Konsequenz.
Die Diagnostik bei dem Verdacht auf das Vorliegen eines Alkoholismus gliedert sich in der Regel in verschiedene Schritte:
Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit wird anhand der Anamnese, klinischer Untersuchungen mit Nachweis typischer Alkoholfolgeschäden, Ultraschall und verschiedenen Fragebögen gestellt. In der Anamnese werden die bereits oben genannten Symptome der Alkoholabhängigkeit überprüft. Wenn mehr als 3 der folgenden 6 Kriterien binnen 12 Monate erfüllt sind, kann von einer Alkoholabhängigkeit gesprochen werden.
In der klinischen Untersuchung wird nach typischen Alkoholfolgeschäden Ausschau gehalten. Hierzu zählen insbesondere die
Des Weiteren besteht die klinische Untersuchung aus dem Ultraschall, wobei insbesondere die Leber geschallt wird, um eine Leberzirrhose zu entdecken. Fragebögen können Aufschluss über das Trinkverhalten von Alkoholabhängigen geben und bieten ein gutes Maß zur Vergleichbarkeit und Typisierung des Trinkers.
Des Weiteren ist der sogenannte CAGE-Test bei Untersuchern sehr populär. Hierbei beschreibt das Akronym CAGE typische Fragen, die ein Alkoholiker bejahen würde. Der Buchstabe "C" steht für "Cut down", oder die erfolglose Reduzierung des Alkoholkonsums. "A" steht für "annoyed", was den Ärger über Kritik von anderen am eigenen Trinkverhalten beschreibt. "G" steht für "guilty" und beschreibt die Schuldgefühle, die Betroffene empfinden und "E" steht für "eye opener", was das morgendliche Trinken beschreibt, also den Alkoholkonsum bereits am Morgen.
Mehr als 2 positive Antworten auf diesen CAGE-Test identifizieren bereits einen Problemtrinker.
Da es sich bei der Alkoholabhängigkeit um eine chronische Erkrankung handelt, ist diese als solche nicht heilbar. Wenn zu einem gewissen Zeitpunkt eine Alkoholabhängigkeit bestanden hat, kann diese Person kein "Gelegenheitstrinker" mehr werden und einen risikoarmen Konsum von Alkohol betreiben. Die einzige Heilung ist eine lebenslange Abstinenz (= das Fernbleiben von Alkohol).
Partner und Bezugspersonen von Alkoholikern dürfen den Alkoholkonsum unter keinen Umständen tolerieren. Nur so kann der Alkoholkonsum gestoppt werden.
Der erste Schritt einer erfolgreichen Alkoholentzugstherapie sind Selbsthilfegruppen oder Suchtberatungen. Hier muss die betroffene Person über seine Erkrankung aufgeklärt werden, diese erkennen und bereit dazu sein etwas daran ändern zu wollen. Nur dann kann die Therapie im Nachhinein gelingen und die Erkrankung zum Stillstand gebracht werden. Im Anschluss daran muss bei einer Alkoholabhängigkeit zunächst eine Entgiftungstherapie begonnen werden. Diese kann stationär durchgeführt werden oder in Rehabilitationszentren.
Anschließend beginnt eine Entwöhnungstherapie, welche ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden kann, mit Schwerpunkt auf psychologischer Beratung. Daraufhin sollte erneut der Besuch von Selbsthilfegruppen erfolgen, welche zum Teil lebenslang ("anonyme Alkoholiker") und stattfinden in regelmäßigen Abständen und einen Rückfall der Alkoholkranken verhindern.
Die Prognose der Alkoholabhängigkeit ist als ungünstig zu betrachten.
Nur etwa 15 % der Alkoholabhängigen schaffen es langfristig abstinent (dem Alkohol fern) zu bleiben. Ohne Therapie ist die durchschnittliche Lebenserwartung um 15 - 20 Jahre reduziert.
Die Prognose verschlechtert sich mit der Dauer der Abhängigkeit. Zudem verschlechtert sich die Prognose durch Unfälle, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen,
Das Augenmerk sollte auf der Prophylaxe der Alkoholabhängigkeit liegen. Hiermit sind vor allem politische Maßnahmen gemeint, die den Alkoholverkauf an Minderjährige verbieten, sowie der Propagierung von Alkohol entwöhnenden Maßnahmen.
Der Glutamatmodulator "Acamprosat" ist ein Medikament, welches den Rückfall in die Alkoholabhängigkeit verhindern soll, jedoch besteht für dieses Medikament noch keine ausreichende Studienlage, die den flächenmäßigen Einsatz rechtfertigen würde. Die aktuelle Therapie sieht v.a. Entwöhnungsmaßnahmen mithilfe von Selbsthilfegruppen und Suchttherapiezentren vor. Es sollte nicht vor professioneller Beratung zurückgeschreckt werden, da es sich hierbei um eine Erkrankung handelt, welche ärztlich therapiert werden muss.
Nach erfolgreicher Therapie der Alkoholabhängigkeit muss eine lebenslange Nachsorge erfolgen. Diese umfasst den Besuch von Selbsthilfegruppen ("anonyme Alkoholiker"), welche in regelmäßigen Abständen stattfinden und einen Rückfall der Alkoholkranken verhindern sollen.
Alkoholismus ist eine komplexe Erkrankung mit kulturgeschichtlichen, psychologischen, genetischen und soziologischen Gesichtspunkten. Die Symptome können unterteilt werden in die der Alkoholabhängigkeit und die Folgen und Komplikationen des Alkoholmissbrauchs, welche von erhöhtem Krebsrisiko bis zum vollständigen körperlichen Zerfall reichen.
Die Therapie gestaltet sich als äußerst schwierig, da nur ca. 15 % der Betroffenen in der Lage sind lebenslang abstinent zu bleiben und die Entwöhnungswahrscheinlichkeit in erster Linie an der Willenskraft der Patienten liegt, welche durch die Krankheit mehr als beeinträchtigt ist.
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Geschrieben von
Dr. Moritz Wieser
Medizinisch geprüft am
5. Okt. 2022
Ein Alkoholiker sollte professionelle Hilfe in Form von Suchtberatung, Selbsthilfegruppen und Psychiatern wahrnehmen.
Hierbei handelt es sich um Synonyme.
Ja, eine Alkoholerkrankung kann nicht geheilt werden. Jedoch kann die Erkrankung gestoppt werden.
Angehörige dürfen den Alkoholkonsum der alkoholkranken Person nicht tolerieren und sollten die Person zum Besuch von Selbsthilfegruppen und Suchtzentren motivieren.
Nein, wenn zu einem gewissen Zeitpunkt eine Alkoholabhängigkeit bestanden hat, kann diese Person kein "Gelegenheitstrinker" mehr werden und einen risikoarmen Konsum von Alkohol betreiben.
Erkrankung zusammengefasst
Alkoholsucht
Begriffe
Arteriosklerose
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